#Interview
“Wir haben keine Angst, fachfremde Menschen auszubilden”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Jürgen Henkel, Gründer von Carl Henkel, einem Online-Shop rund um das Thema “Home-Living-Coffee-Tea und Decoration”.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Heute, als E-Commerce-Unternehmer, beginnt mein Tag viel strukturierter und gesünder als früher. Damals war ich jährlich 50.000 Kilometer mit dem Auto unterwegs, flog oft international und verbrachte 150 Nächte nicht in meinem eigenen Bett – immer auf dem Weg zu Kundinnen und Kunden, mit denen man sich persönlich treffen musste. Jetzt stehe ich wochentags kurz vor sieben auf, gehe ins Gym für meine Morgenroutine und genieße dann ein Frühstück zu Hause mit frisch gebrühtem Kaffee aus unserer Kaffeekanne Arca X-tract. Kirsten, meine Frau und Mitgründerin, und ich lieben es, so in den Tag zu starten. Dann beginne ich mit der Arbeit. Sieben Tage die Woche beantworte ich als erstes Kundenanfragen und Social-Media-Kommentare. Nach diesem “Reality Shower” verfolge ich meinen Tagesplan: Deep Work Session 1, dann ein Spaziergang mit dem Hund, ein kurzes Schläfchen, gefolgt von Deep Work Session 2, und abends noch ein Spaziergang mit dem Hund. Warum ich den Hund erwähne? Weil Nachdenken in Ruhe, ohne vor dem Computer zu sitzen, für mich die beste investierte Zeit ist.
Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Ich bin gerne draußen. Bei uns in der Schweiz ist es unglaublich schön und einfach, in die Natur zu kommen. Der Hund braucht genauso viel Auslauf wie ich, und manchmal stehlen wir uns einfach einen Vormittag und gehen in die Berge.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Das Liquiditätsmanagement ist in der Theorie weniger nervenaufreibend als in Wirklichkeit. Als angestellter Manager, selbst als CEO, erschien es mir nie so anstrengend. Aber wenn es um dein eigenes Geld geht, ist es schwieriger, als man es in der Business School lernt.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Zunächst lief alles reibungslos, bis wir erfuhren, dass wir unseren eigenen Namen Carl Henkel nicht als Marke für unsere Produkte benutzen durften. Andere Firmen hatten die Marke für die für uns relevanten Warengruppen gesichert. Es hat Geduld gebraucht, aber wir haben es geschafft: Mit der Hilfe einer erfahrenen Anwältin gelang es uns nach etwa zwei Jahren, unsere Marke zu beanspruchen.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Als Unternehmer muss man Entscheidungen treffen. Manchmal zu schnell, manchmal auf falschen Annahmen basierend. Die Corona-Krise brach aus, als ich von einer Messe in Schweden zurückkam. Die Tasche voll Aufträge, das Buch voll Leads und das Lager voller Ware. Ich dachte, wir hätten es geschafft. Doch zu Hause angekommen, waren die Aufträge storniert, die Kontakte wertlos und das Investment verloren. Die Lektion? Warenrisiko ist gefährlich.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Genauso wie neue Käuferinnen und Käufer für unser Produkt: Die Besten kommen durch Empfehlungen. Wir haben keine Angst davor, fachfremde Menschen jeglichen Alters auszubilden und ihnen die Freude und den Stolz zu vermitteln, etwas Neues zu lernen und sich entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten einzubringen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Wir sind ein Familienunternehmen. Ich habe Carl Henkel gemeinsam mit meiner Frau Kirsten gegründet, die einen ähnlichen Hintergrund hat wie ich. Bis heute fehlt mir ein Co-Founder mit einem völlig anderen Skill-Set. Eine weitere Perspektive hätte mir einige Male gutgetan und hilft dabei, auch nochmal andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.
Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Shopify, Klaviyo und vor allem die Beratung durch Nico Frank und sein Team von Ecoza.
Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Meiner Meinung nach kann man Motivation nicht durch externe Veranstaltungen herbeiführen. Motivation muss von innen kommen. Anreize wirken wie Doping – kurzzeitig und die Abhängigkeit steigt. Ehrlichkeit, Freude, Teilen, Partizipation, Eigenständigkeit und gerechte Bezahlung sind die Bausteine des täglichen Miteinanders. Freundlichkeit, Authentizität und ehrlich gemeintes Lob sind die Basis für ein gutes Miteinander.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Die wahnsinnige Dynamik von begeisterten Kundinnen und Kunden macht extrem viel Freude. Wir haben sie erst vor kurzem gefragt, ob sie Interesse an einem speziellen X-tract Kaffee für unsere Kaffeekannen haben. Die Ergebnisse der Umfrage waren schon überwältigend und der erste Pre-Sale war der beste Tag in unserer Firmengeschichte. Das macht so viel Spaß!
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.