#Interview
“Das Ruhrgebiet ist weit hinter seinen Möglichkeiten zurück geblieben”
Fußballfans sollen ins Stadion gehen, Bier trinken und Bratwurst essen, Fanartikel kaufen sowie die Vereine auch sonst finanziell unterstützen, aber mitbestimmen dürfen sie nicht wirklich. Das Essener Unternehmen Doppelpass, 2015 von Peter Wingen, Peter Schäfer und Gerrit Kramer gegründet, bietet Fans mit dem Projekt Dein Club – DU entscheidest! die Möglichkeit für fünf Euro im Monat unmittelbar im Fußballgeschehen ihres Clubs mitzureden. Wir haben dem 36-jährigen Gründer Kremer im Rahmen unseres Standort-Interviews ein paar Fragen gestellt.
Reden wir über das Ruhrgebiet. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für das Ruhrgebiet als Startup-Standort?
Das Ruhrgebiet ist aufgrund vieler Faktoren auf ganz vielen Ebenen und sehr viel “Kirchturmdenken” jeder der Einzelstädte über Jahrzehnte weit hinter seinen Möglichkeiten zurück geblieben. Durch digitale Startups und alles, was darum herum passiert, lösen sich diese Probleme nach und nach auf. Gleichzeitig eröffnet der weiter voranschreitende Strukturwandel, der häufig eher negativ gesehen wird, weil Arbeitsplätze und ganze Industrien verschwinden, gepaart mit Digitalisierung, enorme Möglichkeiten für Startups im Ruhrgebiet, die es so vielleicht an anderen Standorten wie Berlin nicht gibt. Als Kind des Ruhrgebietes reizt es mich auch persönlich sehr, die vorhandenen Potenziale im Ruhrgebiet anzugehen. Und davon mal abgesehen, das Herz des Fußballs, in dem wir ja schwerpunktmäßig tätig sind, schlägt ohnehin im Ruhrgebiet.
Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Essen aus?
Alles ist noch sehr stark in der Findungs- und Aufbauphase, was sehr spannend ist. Als für Startup-Verhältnisse nicht mehr ganz so junges Semester finde ich es sehr gut, dass man auch auf viele schon etwas ältere Gründerinnen und Gründer trifft. Es ist eine bunte Mischung, die sehr viel Spaß macht. Von jedem Treffen, Gespräch, jeder Veranstaltung nimmt man etwas positives und brauchbares mit.
Was ist in Essen einfacher als im Rest der Republik?
Es ist sicher einfacher, am Anfang aus eigener Kraft zu starten und finanziell wie organisatorisch unabhängig zu bleiben. Gerade die Fixkosten, die ja schnell zum Problem werden können, kann man hier besser in einem niedrigen und erträglichen Maß halten als an anderen Standorten.
Was fehlt in Essen bzw. im Ruhrgebiet noch?
Die Hubs und Hotspots der Startup-Szene sind fast ausschließlich auf Tech-Themen fokussiert, die sich im Industrie-Umfeld bewegen. Ich würde mir wünschen, dass sich dies stärker öffnet. Außerdem sind bei Startup-Veranstaltungen regelmäßig Speaker auf der Bühne, die innerhalb kurzer Zeit eine riesen Erfolgsstory hatten und ein Millionenbusiness aufgebaut haben. Es gibt aber auch zahlreiche Unternehmen, die gut und nachhaltig aufgestellt sind, ohne diese große Erfolgsstory mit Millionenumsätzen innerhalb kurzer Zeit geschrieben zu haben. Auch von diesen Gründern kann man sicherlich viel lernen, denn nur, weil man nicht direkt in den Himmel skaliert, heißt das ja nicht, dass das Unternehmen generell zum scheitern verurteilt ist. Einhörner und KMU haben sicher sehr unterschiedliche Themen und Probleme, von denen angehende Entrepreneure gleichermaßen lernen können. Eine bessere Mischung bei den Speakern und in Workshops fände ich da sinnvoll.
Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Ruhrgebiet?
Eine stärkere Öffnung der Sportvereine für digitale Themen, noch bessere Vernetzung in der Startup-Szene und mehr und intensivere Netzwerk-Events.
Der digitale Pott kocht – #Ruhrgebiet
Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Gründer. ds, die Gründerallianz Ruhr und der ruhr:HUB berichten gemeinsam über die Digitalaktivitäten im Revier.
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