#Interview
Frank Thelen vs. Sven Schmidt – Ein Interview mit dem TV-Löwen zum Startup-Zwist des Jahres
In der vergangenen Woche gab es bei FinanceFWD einen Podcast, in dem OMR-Podcast-Legende Sven Schmidt sich mit dem Thema Crowdinvesting und insbesondere mit noch jungen Blockchain-VC Neufund beschäftigte. Das Startup will mit einer Blockchain-basierten Schwarmfinanzierung grob skizziert die Kapitalsuche vereinfachen. Internet-Investor Schmidt sagte im Podcast zum Neufund-Konzept wörtlich: “Das erinnert mich nicht nur an ein Schneeballsystem, das ist ein Schneeballsystem”.
Seriengründer und Vox-Löwe Frank Thelen, der in Neufund investiert hat, gefiel diese und weitere Aussagen über Neufund überhaupt nicht. Er zog gegen den Podcast von FinanceFWD, einem Ableger von Online Marketing Rockstars (Stichwort: Philipp Westermeyer), regelrecht zu Felde. Kurz nach der Veröffentlichung war der Podcast und der Artikel zum Thema dann auch wieder verschwunden. Auf Facebook, Twitter und Co. gab es vorher und hinterher deswegen viel Geschrei und Stunk – in alle Richtungen. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht TV-Löwe Thelen nun ausführlich über den öffentlichen Streit und das Konzept hinter Neufund.
Der Seriengründer Sven Schmidt, mit dem deutsche-startups.de regelmäßig über die Startup-News der Woche spricht, kritisierte in einem FinanceFWD-Podcast kürzlich das Startup Neufund. Er nannte das Konzept ein Schneeballsystem. Womit Neufund quasi Betrug wäre. Was ist dran an den Vorwürfen?
Die Blockchain ist die ideale technologische Plattform, um Unternehmensanteile zu verwalten. Besonders die Ethereum-Blockchain mit ihren Smart Contracts ist dafür besonders geeignet. Es gibt keine sicherere, günstigere und transparentere Softwarelösung. Wir starten bei Neufund mit Startup-Finanzierungen, unser Ansatz ist aber nicht in erster Linie Crowdfunding – das ist allenfalls ein Nebeneffekt -, sondern wir wollen die technologisch beste und einfachste Plattform zum Handel von Unternehmensanteilen bieten. Hier hat uns Sven leider in eine falsche Schublade gesteckt.
Neufund will im Grunde die Schwelle zur Teilnahme an einer Finanzierungsrunde für alle Seiten senken und eine Art Blockchain-basierte Schwarmfinanzierung ermöglichen. Gibt es dafür überhaupt einen Markt?
Ja, dafür gibt es sogar zwei wichtige Gründe. Zum einen werden heutzutage Aktien an der Börse über veraltete und teure Systeme verwaltet. Noch langwieriger und komplizierter ist der Handel von zum Beispiel GmbH- oder KG Anteilen – allein schon wegen der Notartermine und des altertümlichen Handelsregisters. Und außerdem möchten VCs auch in Blockchain Projekte investieren. Allerdings ist das momentan gar nicht so einfach. Denn die meisten tokenizierten Anteile, die es bisher zu kaufen gab, wurden ohne jegliche Rechtsgrundlage angeboten. Modelle wie das von Neufund wollen ICOs aus der regulatorischen Grauzone bringen – und sie sind nicht die einzigen: in den USA gibt es eine ganze Reihe von Projekten, die sich der Tokenizierung von Aktien und Unternehmensanteilen widmen.
Grundlage von Neufund sind sogenannte Equity Token Offerings (ETO). Warum diese Art Zweitwährung?
ETOs sind keine Zweitwährung, sondern tokenisierte Vermögensanlagen. Wenn ein Investor sich dazu entschließt in ein Startup auf Neufund zu investieren, erhält er oder sie im Gegenzug Equity Tokens. Außerdem erhält jeder Investor Neumark, die Plattform-eigenen Token. Neumark ist allerdings keine Währung, da ist der Name vielleicht etwas irreführend. Neumark kann man sich als Mitgliedschaft in der Neufund-Plattform vorstellen. Wenn eine Firma einen erfolgreichen ETO auf Neufund macht, muss die Firma 3 % des gesammelten Kapitals an die NEU Token-Besitzer abtreten. Außerdem gehen 2 % der Equity Tokens an die NEU Token-Besitzer.
Klingt kompliziert. Wer genau profitiert von diesem Modell?
So kompliziert ist das nicht. Durch das Token-Modell gehört die Plattform den Investoren aus der Community. Diejenigen, die über Neufund in Startups investieren, erhalten dafür NEU Tokens und werden so auch am Erfolg der Plattform beteiligt. Das ist übrigens ein klassisches Modell für Blockchain-native Unternehmen und vergleichbar mit dem Bitcoin-Modell, wo Miner Bitcoins für den Beitrag bekommen, den sie durch das erstellen von neuen Bitcoins fürs System leisten. Im Fall von Bitcoins kann dieser Beitrag in Form von Rechenpower geleistet werden. Im Fall von Neufund -einer Investment Plattform – wird er durch das Nutzen der Plattform geleistet und das geschieht natürlich in Form von Investments. Jeder, der die Plattform nutzt und somit fördert, profitiert auch von ihr. Das ist ein faires Konzept.
Bergfürst trat einst auch an, um Anteile an Startups auf einem Zweitmarkt zu handeln. Außer Urbanara gab es aber keine weiteren Versuche. Das Konzept funktionierte nicht. Wie soll dieses Konzept also bei Neufund funktionieren?
Das System war zu komplex, damals gab es noch keine Blockchain. Jetzt können wir einfach und sicher handelbares Equity ermöglichen. Entscheidend sind dabei niedrige Kosten, Transparenz und Vertrauen: all das bringt Neufund auf Basis der Ethereum-Plattform.
Welche Bedeutung hat die Handelbarkeit überhaupt für das Konzept von Neufund?
Die leichte und schnelle Handelbarkeit von Unternehmensanteilen ist gerade der zentrale Vorteil von Neufund.
Inwiefern?
Bisher waren Vermögensanlagen nur schwer handelbar. Es gibt – außer der Börse, die erst für Unternehmen in fortgeschrittenen Wachstumsphasen geeignet ist – keinen Marktplatz dafür. Wenn man eine Vermögensanlage außerhalb der Börse verkaufen möchte, so geht das nur durch notarielle Zeichnung. Neufund hat sich ein schlaues Konzept einfallen lassen: die Vermögensanteile werden an einen Nominee überschrieben. Der Nominee repräsentiert also die Token-Holder. Außerdem besteht ein Token-Holder-Agreement zwischen dem Nominee und dem Token-Holder. Dadurch schlägt der Nominee die rechtliche Brücke zwischen der On- und Off-Chain-Welt. Die Tokens können also ohne notarielle Zeichnung gehandelt werden. Die ersten Marktplätze gibt es dafür schon. Die Krypto-Börse Binance hat angekündigt, Neufunds Equity Tokens zu handeln. Der rechtliche Rahmen ist dabei durch die Malta Stock Exchange gesichert.
Warum gerade Malta?
Malta ist das erste Land in Europa, das bereits eine eigene Gesetzgebung für die Blockchain entworfen hat, die Distributed Ledger Technology (DLT) Regulierung. Wir wollen mit Neufund ein seriöses Fintech-Unternehmen aufbauen und da ist es nunmal wichtig, dass wir unsere Prozesse regulieren. In Deutschland ist dies aktuell noch nicht möglich. Malta hingegen geht sehr innovativ und progressiv an das Thema Blockchain und wir sind wirklich beeindruckt, wie agil hier gehandelt wird.
In welche Startups kann man bei Neufund derzeit investieren?
Neufund hat vor kurzem die ersten sieben Startups bekannt gegeben, in die demnächst jeder investieren kann. Darunter sind der Online-Brillenhändler Brille24, die Krypto-Bank Founders Bank und der Gebraucht-Elektronik-Händler MyScooop. So weit ich weiß, hat Neufund aber eine ziemlich große Nachfrage von Startups aller Wachstumsphasen. Wenn die ersten ETOs erst einmal erfolgreich abgeschlossen wurden, können wir bestimmt mit weiteren spannenden Firmen auf der Plattform rechnen.
Eignet sich das Konzept tatsächlich auch für Grownups wie GetYourGuide und Co?
Wie gesagt, es geht bei Neufund in erster Linie um den schnellen, einfachen, unkomplizierten und sicheren Handel von Unternehmensanteilen. Und damit ist es für Unternehmen in jeder Wachstumsphase die richtige Plattform – ob Frühphasenfinanzierung, Wachstumsphase oder etabliertes Unternehmen.
Wie werden die Startups ausgesucht, die bei Neufund mitmachen dürfen?
Grundsätzlich steht Neufund allen Unternehmen offen. Dadurch, dass die Plattform aber gerade erst ihr Debüt hat, wird gerade am Anfang darauf geachtet, durch die richtige Auswahl eine gute Richtung vorzugeben.
Welche Kriterien sind dabei wichtig?
Wir legen Wert darauf, dass hinter den Startups ein starkes Team steht. Es handelt sich dabei sowohl um Firmen, die schon mehrere Finanzierungsrunden hinter sich haben, als auch um Unternehmen, die neue revolutionäre und disruptive Geschäftsideen haben.
Wie wird sichergestellt, dass es nicht Startups sind, die anderswo nirgends zum Zug gekommen sind?
Zunächst: Es ist ja gar kein Problem, wenn bei Neufund auch Gründer zum Zuge kommen, die im klassischen VC-Markt keine Investoren gefunden haben. Schließlich ist dieser ein Closed-Shop, in der Branche kennt jeder jeden. Es kann also sehr leicht sein, dass über eine Idee mit Potential vorschnell der Stab gebrochen wurde. Neufund ist ja gerade auch eine Alternative zu den herkömmlichen Finanzierungswegen. Dass wir darauf achten, dass die gehandelten Unternehmen Substanz haben und die rechtlichen Rahmenbedingungen einhalten, ist selbstverständlich. Aber wie bei jedem Investment bleibt natürlich ein Restrisiko, das will ich nicht verhehlen.
Ein schwieriger Punkt bei vielen Crowdinvesting-Diensten ist die Transparenz. Wie kann ich mich als Anleger über den Status quo bei den gehandelten Startups informieren?
Zunächst: Wir erfüllen mindestens alle BaFin-Anforderungen, wollen aber sogar deutlich mehr liefern. Jedes Startup veröffentlicht vorher einen Prospekt, welcher alle Bedingungen der Investition beschreibt. Auf dieser Grundlage kann dann eine fundierte Investitionsentscheidung getroffen werden. Und ein wichtiger Unterschied zu ICOs: Es werden Vermögensanlagen tokenisiert, tatsächliche Unternehmensanteile, genau wie an der Börse oder anderen, meist viel komplizierteren, Beteiligungskonzepten.
Reichen Dir drei Seiten Infos, um in ein Startup zu investieren?
Ja und Nein. Es kommt auf das Startup, das Management und die Phase an. Jeder ETO kann weniger oder mehr Informationen bereit stellen. Minimum ist immer die BaFin Anforderung.
Wie steht die BaFin generell zu Neufund?
Meines Wissen nach stehen die Bafin und Neufund schon seit Neufunds Inzeption im regelmässigen Kontakt. Neufund geht da den richtigen Weg, indem sie aktiv mit der Bafin kommunizieren. Denn letztendlich ist es ja so: die Bafin ist zum Schutz der Investoren da und genau das möchte Neufund ja auch erreichen. Den Investmentmarkt demokratisieren, aber eben nicht durch dubiose ICOs sondern auf einem legalen, sicheren und verlässlichen Weg.
Nach der Veröffentlichung bist Du massiv gegen den Podcast und alle, die diesen über Facebook und Twitter verbreitet haben, vorgegangen. War dies in der Härte nötig?
Wir – und ich im besonderen – haben uns im Vorfeld um eine einvernehmliche und konstruktive Lösung bemüht, die beide Seiten zu Wort kommen lassen sollte. Nachdem dies gescheitert ist, sollte selbstverständlich sein, dass wir den Ruf von Neufund verteidigen. Gerade in der frühen Phase, in der sich Neufung befindet, ist es wichtig, dass der Ruf nicht mit unzutreffenden Aussagen beschädigt wird. Die Wertung “Schneeballsystem” ist ja auch massiv.
Hast du initiert, dass der Podcast über Facebook und Twitter nicht mehr geteilt werden konnte?
Ich habe Philipp Westermeyer kontaktiert und um einen Dialog mit Sven gebeten. Daraufhin haben sich alle geeinigt, dass ein neuer Podcast mit Sven und mir das bestehende – aus meiner Sicht sehr einseitige – Statement von Sven ersetzen sollte. Ich danke Philipp und Sven für die Bereitschaft, in den Dialog zu treten. Nach der Aufzeichnung hat sich Sven jedoch gegen die Veröffentlichung entschieden. Die genauen Gründe dafür kenne ich nicht, aber das ist sein Recht und das muss man akzeptieren. Aber der Deal war vorher, dass der alte Podcast offline geht.
Bei der ganzen Debatte hat man den Eindruck Du bist Neufund. Warum engagierst Du Dich so sehr für Deine Beteiligung?
Ich bin Neufund, so wie ich Ankerkraut und Scanbot bin. Wir fühlen uns bei Freigeist mehr als Co-Founder denn nur als Remote Investor. Das gilt für alle unsere Unternehmen. Wäre ich nicht von einem Unternehmen überzeugt, würde ich nicht investieren. Und ich investiere mehr als nur Geld: ich investiere auch mein Netzwerk, meine Erfahrungen und natürlich auch meine Leidenschaft. Es ist also selbstverständlich, dass ich für “meine” Startups kämpfe.
Lesetipp: Zur Neufund-Debatte: Ein Gastbeitrag von OMR-Podcast-Stammgast Sven Schmidt
Im aktuellen ds-Wochenrückblick erneuerte Schmidt vor wenigen Tagen seine Kritik an Neufund. Gleichzeitig sprach er davon, dass das Startup derzeit auf Kapitalsuche sei. Wie viel Geld sucht das Neufund-Team denn derzeit?
Ich kann nachvollziehen, dass Redakteure gerne vor dem Closing über Finanzierungen berichten. Für Startups ist dies aber schlecht. Sie wollen in Ruhe – wie Sven sagt: kein Bug, sondern ein Feature – ihre Finanzierung abschließen und die News dann auf den großen internationalen Blogs platzieren. Hier gehen die Interessen auseinander. Damit müssen beide Seiten leben. Insoweit werde ich mich aber zu solchen aufgestellten Behauptungen auch nicht äußern.
Hörtipp
Wie Sven Schmidt Neufund sieht, kann sich jeder in unserem Podcast anhören. Außerdem redet der bekannte Internet-Investor in unserem Wochenrückblick über Delivery Hero, trivago, Westwing und allyouneed. Als Bonus gibt es zudem megaspannende News zu Pitch, dem neuen Startup von Wunderlist-Gründer Christian Reber.
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