Gastbeitrag von Felix Swoboda
Handwerker – wie eine klassische Branche digital wird
Weltweit wird Deutschland um seine Handwerkstradition beneidet, die zu einem stabilen Mittelstand führt und eine feste Säule der deutschen Wirtschaft darstellt. Über zwölf Prozent aller Deutschen arbeiten in Handwerksberufen, im Jahr 2016 betrug der Umsatz der Branche 561 Milliarden Euro.
Dennoch kann sich die Traditionsbranche nicht auf ihrem Erfolg ausruhen. Wie in den meisten Bereichen des täglichen Lebens wird auch im Bereich der Handwerkersuche das Interesse an schnellen, digitalen Lösungen immer größer. Der Grund ist ein immer mehr digitalisierter Nutzer. Wer eine Dienstleistung sucht, geht heute als erstes ins Netz, statt sich auf dem traditionellen Weg zu informieren. Hinzu kommt: Den klassischen „Handwerker meines Vertrauens“ gibt es in der Regel vor allem in Großstädten nicht mehr. Oftmals sind die potentiellen Kunden hier nur Zugezogene; ein entsprechendes Netzwerk ist nicht vorhanden. Das klassische Empfehlungsprinzip gerät so immer weiter ins Stocken.
Die Aufgabe heißt also: Wie kann man eine Branche, die in der Vergangenheit vor allem offline stattgefunden hat, auch für den Digitalbereich relevant machen?
Handwerk: Qualität im Fokus, aber auch Vertrauen und Einfachheit
Wo eine Dienstleistung gebucht wird, steht der Service im Vordergrund. Wer Handwerker bucht, will Qualität und Expertise des Dienstleisters. Gleichzeitig soll er pünktlich, preislich transparent und zuverlässig sein. Wer im Netzt bucht, will keine aufwändige Such- und Buchungsanfrage. Je simpler die Möglichkeit zur Beauftragung, desto schneller wird der Auftrag erteilt. Zugleich gilt: Kunden wollen in den Prozess eingebunden werden und den Überblick über Durchführung, Beauftragung und Materialkauf behalten. Es gilt also, einen Spagat zwischen dem tradierten Arbeiten und neuen Kundenanforderungen zu schaffen.
Vermittlungsplattformen: Der Anfang zu mehr Digitalisierung
Den ersten Schritt auf dem Weg zu mehr Digitalisierung des Handwerks haben Vermittlungsplattformen gemacht. Sie sind das Bindeglied, das den online-affinen Kunden mit dem Handwerker vernetzt. Der Handwerker kann sein Gewerbe dazu auf der Onlineplattform mit ein paar Klicks registrieren. Der Kunde gibt seinerseits mit wenigen Klicks dort an, welche Leistung er sucht. Der Handwerker wird dann über die Suche des Kunden informiert und kann sich für die ausgeschriebene Leistung bewerben. Die Vorteile für den Handwerker: Die Vermittlungsplattform unterstützt ihn bei der Kundenakquise. Er bekommt immer wieder neue Angebote, auf die er sich einfach und schnell bewerben kann. Ein weiterer Vorteil ist die Bedienbarkeit der Plattform. Es braucht nur wenige Klicks, um sich zu registrieren.
Bei der Digitalisierung des Handwerks sind Vermittlungsplattformen jedoch nur der erste Schritt. Denn die Kundenskepsis ihnen gegenüber ist mitunter groß. Die Gründe: Nicht nur Handwerksbetriebe können sich als Anbieter hier registrieren. Auch für Privatpersonen stehen die Plattformen offen. Ob der beauftragte Handwerker letztlich ein Profi ist, wird oft erst nach dem Auftrag klar. Die Beauftragung wird daher teilweise zum Glücksspiel. Damit einher geht die Schwierigkeit, dass die Bewerbungen im Rahmen eines Bietermodels erfolgen. Jeder Handwerker kann einen Preis für die abzuliefernde Leistung nennen. Oft wählt der Kunde letztlich den günstigsten Anbieter aus. Die Abgabe realistischer Preise verkommt so zum Bieterwettbewerb. Hauptsache günstig, heißt die Devise. Als Folge davon werden entsprechend oft keine qualitativ hochwertigen Produkte genutzt. Die Rechnung zahlt am Ende der Kunde, wenn die Farbe an der Wand nicht richtig deckt oder das Paket nicht richtig haftet.
Vertrauen als die entscheidende Messgröße
Die Folge: Obwohl Vermittlungsplattformen dem Handwerker eine erste sinnvolle Hilfestellung bieten, sich die wachsende Onlinesuche nach Handwerkern nutzbar zu machen, schaffen sie es nur bedingt, ihn für die Digitalisierung seiner Branche einzunehmen. Zu groß ist die Skepsis der Kunden gegenüber den Nachteilen der Plattformen. Eine Skepsis, die sich letztlich auch auf den Handwerker überträgt. Denn obwohl dieser nun einfacher online an den Kunden herantreten kann, ist das Kundenvertrauen daraufhin, dass am Ende der Auftragsbestätigung ein professioneller und zuverlässiger Dienstleister an seine Tür klopft, mitunter groß. Hier zeigt sich auch ein Nachteil der Digitalisierung. Das Internet vergisst nicht. Der Kunde teilt seine negativen Erfahrungen der Community über diverse Social Media Plattformen mit. Anteilsbekundungen durch das teilen eines negativen Beitrags sorgen dafür, dass sich gerade diese Eindrücke schnell bei potentiellen Kunden verbreiten und meist nur schwer zu revidieren sind.
Klassische Vermittlerplattformen können daher nur ein erster Schritt sein, um den Handwerker die Digitalisierung näher zu bringen. Aufgrund der vielen Registrierungen von Handwerkern auf den Plattformen zeigt sich aber, dass der Dienstleister bereit ist, seine Leistungen auch über das Internet anzubieten. Nun muss ein Modell gefunden werden, das eine Ebene weitergeht. Der Handwerker muss weiter die Möglichkeit haben, mit nur wenigen Klicks an neue Kunden zu gelangen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass er noch weiter von den Möglichkeiten der Digitalisierung profitiert.
Administrative Prozesse wie Rechnungsstellung oder der Einkauf von Materialien kosten den Dienstleister wertvolle Zeit, die er im Idealfall auch für weitere Kundenaufträge verwenden könnte. Darüber hinaus muss aber auch gegenüber dem Kunden sichergestellt werden, dass seine Qualitätsansprüche jederzeit von einem professionellen Anbieter abgedeckt werden. Nur so kann er vertrauen und mit dem Handwerker das gleiche positive Image verbinden, dass er ihm auch bei einer persönlichen Empfehlung entgegenbringt.
Vertrauen wiedergewinnen: Eine große Möglichkeit für Startups
Vor allem Startups kommt in diesem Prozess eine tragende Rolle zu. Die jungen Entrepreneure sind mit den Regeln der Digitalisierung meist schon vor der Gründung ihres Unternehmens vertraut. Sie wissen, dass gerade im Onlinebereich Vertrauen nur durch ein einhundertprozentig transparentes Modell gewährleistet kann. Darüber hinaus sind sie darauf geschult, einfache Prozesse zu entwickeln, die sowohl den Kunden als auch den Dienstleister bereits mit nur wenigen Klicks an das gewünschte Ziel führen. Für diese These spricht, dass neben dem Handwerk aktuell auch immer mehr andere, klassische „Offline-Branchen“, durch Startups in die Digitalisierung geführt werden.
Vertikal integrierte Marken als möglicher nächster Schritt
Eine logische Weiterentwicklung der Vermittlerplattform kann dabei der Schritt zur vertikal integrierten Onlinemarke sein. Die Idee dahinter: Statt bloß die Vermittlung des Handwerkers zu übernehmen, übernimmt die Onlinemarke die gesamte die Steuerung des Dienstleisters. Er erstellt dem Kunden ein Angebot, übernimmt die Beauftragung des Handwerkers, stellt ihm die nötigen Materialien zur Verfügung und wickelt die Abrechnung ab. Die Etablierung von Handwerkerrankings hilft hierbei, dem Kunden stets den besten Handwerker zur Seite zu stellen. Da die Abstimmung mit dem Handwerker über die Onlinemarke erfolgt, profitiert dieser zudem von maximaler Einfachheit. Er entscheidet sich für ein Angebot und muss sich letztlich um nichts mehr kümmern. Auch der Handwerker profitiert, da für ihn bei diesem Konzept administrative Tätigkeiten, wie Akquise, Marketing oder der Materialeinkauf komplett entfallen. Das Handwerk macht so den nächsten Schritt zu mehr Digitalisierung und punktet sowohl durch Einfachheit als auch durch zurückgewonnenes Vertrauen.
Über den Autor:
Felix Swoboda leitet bei Homebell die Bereiche Customer Success, Business Development und HR. Swoboda studierte an der WHU Otto Beisheim School of Management mit Fokus auf Finance und Unternehmertum. Nach Stationen bei J.P. Morgan und UBS war er 2010 Gründer des Start-ups Mobile Event Guide. 2015 gründete er mit seinem Bruder den Investmentfonds Liberty Ventures, zu dessen Investments u. a. Kitchen Stories und Caroobi zählen.
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