15 Fragen an Veit Blumschein von fromAtoB
“Ein Unternehmen aufzubauen, ist eine Achterbahnfahrt”
Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
„Freiheitsgefühl“, das man besser vielleicht als „gefühlte Freiheit“ bezeichnen sollte, denn die zeitliche Arbeitsbelastung, die Verantwortungen und Verpflichtungen sind doch um ein Vielfaches höher als in einem Anstellungsverhältnis – trotzdem geben einem die Gestaltungsfreiheit, die Unabhängigkeit und die Illusion, sich seine Zeit selbst einteilen zu können, das Gefühl der Freiheit.
Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Als Doktoranden an der RWTH Aachen sind einer meiner Mitgründer und ich am Wochenende häufig in die Heimat gefahren – nach München oder Leipzig zur Familie und nach Berlin oder ins nahe Ausland zu unseren Freunden. Wer kennt das nicht: Jedes Mal muss man die Preise und Angebote auf den Seiten der verschiedenen Bahn- und Fluganbieter und der Mitfahrzentralen miteinander vergleichen. Wie komme ich möglichst günstig und schnell von A nach B? Eine zeitaufwändige Recherche! Wir wollten dieses Problem lösen und haben 2008 den ersten „Verkehrsmittelvergleich“ gestartet, heute bekannt unter dem Namen „fromAtoB“.
Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
In der Pre-Seedphase als Spin-off der RWTH Aachen hatten wir von Anfang an ein erstklassiges Netzwerk. Für die Vorbereitung des Businessplans haben wir das EXIST-Gründerstipendium erhalten. Nach ersten Business Angel Investments beteiligte sich dann 2009 der Venture Capital Investor SeedFonds Aachen an unserem Start-up, das wir bereits 2008 zusammen mit unserem CTO Daniel Nolte gegründet hatten.
Aber erst heute verstehe ich die Bedeutung des Satzes von Ken Morse „Cash Flow Is More Important Than Your Mother“, denn unsere Serie A letztes Jahr mit Seventure Partners und die damit finanzierten Maßnahmen wären ohne ein soliden Cash-Flow nicht zu realisieren gewesen.
Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Mein BWL-Studium – damit meine ich nicht das Handwerkszeug, sondern die komplette konzeptionelle Ausrichtung der Lehrinhalte auf die Führung von bestehenden Unternehmen, die – wie ich heute weiß – für die Gründung eines Unternehmens mehr als nur kontraproduktiv sein können.
Wie wir es im Studium gelernt haben, haben wir uns sehr lange mit uns selbst beschäftigt, d.h. Businesspläne schreiben und diese für zahllose Wettbewerbe aufzubereiten, Szenarien zu rechnen, Annahmen per Internetrecherche aufzustellen und mehr mit XLS, PPT und Word verbracht, anstatt einmal zum Telefonhörer zu greifen.
Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
„Burn Your Business Plan“ – als unerfahrener Gründer neigt man stark dazu, aus Unsicherheit und letztendlich Angst vor Fehlern, sich viel zu lange mit sich selbst zu beschäftigen und erliegt dem Irrglauben, dadurch die Unsicherheit zu mindern – anstatt einfach mal loszulaufen.
Jedoch die Gewissheit, die ich heute habe, dass man 100prozentig immer Fehler machen wird, nimmt den Fehlern den Schrecken, weil ich heute auch weiß, dass Unternehmertum nicht bedeutet, keine Fehler zu machen, sondern wie Edison schon gesagt hat: „Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1.000 Wege wie man keine Glühbirne baut.“
Was sehr stark mit dem unmittelbaren zweiten Learning zusammenhängt: Das wertvollste Gut, das man als Unternehmer hat, ist nicht Kapital, sondern Zeit – und Fehler kosten mehr Zeit als Kapital! Ich investiere meine Lebenszeit und unter diesem Aspekt bewerte ich auch mein Unternehmen in der Verhandlung mit Investoren, daher heißt meine Bewertungsmethode: Wieviel Zeit gewinne ich mit dem akquirierten Kapital? Denn eins muss man sich in der Gründungsphase stets bewusst machen: Frühphasenfinanzierungen stellen einem die Mittel zur Verfügung, die 1.000 Wege herauszufinden, wie man KEINE Glühbirne baut.
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Da wir in einem sehr dünnmargigen Markt unterwegs sind, muss man kreativ werden, um die Kundenakquisitionskosten niedrig zu halten – für uns hieß das in der Anfangsphase SEO, was uns auch die Möglichkeit erbrachte, ein Proof-of-Concept zu erbringen ohne defizitäre CPOs.
Heute setzen wir verstärkt auf Produkt im Marketing-Mix, d.h. die Qualität des Produktes muss zu einer höheren Conversion, höheren Wiederkehrern und damit letztendlich Customer Lifetime Value führen. Da wir bereits ein solides Grundrauschen von über zwei Millionen Nutzern im Monat auf unseren Seiten haben, gilt es nun, diese Nutzer zu Kunden zu machen.
Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Mit Sicherheit haben uns unsere Business Angels, wie Florian Heinemann oder Malte Brettel in der Anfangsphase inhaltlich stark unterstützt.
Die wohl mindestens genauso wichtige Unterstützung bekam ich jedoch von meiner Familie. Denn jeder andere Mensch hätte in der Anfangsphase meine psychische Gesundheit ernsthaft angezweifelt und mich zwangseinweisen lassen. Denn es gibt nun mal leider Nebenwirkungen, die ein leidenschaftliches Engagement wie das eigene Unternehmen mit sich bringen, dass zwischen Privatleben und unternehmerischen Erfolg nicht mehr differenziert wird.
Und ein Unternehmen in der Frühphase aufzubauen, ist nun mal eine gefühlsmäßige Achterbahnfahrt – wer etwas anderes behauptet, hat entweder noch nie ein Unternehmen gegründet oder sich nicht bedingungslos dafür eingesetzt.
Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
„Achtung: Sog. Experten lauern überall!“ Gerade im B2C-Geschäft hat nicht nur jeder eine Meinung zu deinem Unternehmen, sondern glaubt auch automatisch, dir erzählen zu müssen, wie es besser geht. Daher kann ich jedem Gründer nur empfehlen, sich grundsätzlich erstmal eine Beratungsresistenz anzueignen und sich vor allem bei jedem sogenannten Ratgeber zu fragen: „Wer einen Ozeandampfer steuern will, sollte sich nicht von Leuten beraten lassen, die sich gelegentlich ein Schlauchboot leihen“ (Ich glaube Harald Schmidt).
Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Keine Fördergelder mehr für Businessplan-Wettbewerbe zu verschwenden. Diese bringen nicht nur keinen Mehrwert, sondern lenken junge Gründer in falsche Richtungen und halten sie davon ab, das zu tun, worauf es ankommt, nämlich Execution.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Erotikdarsteller vielleicht, wobei sich das wahrscheinlich auch nur gut anhört, aber harte Arbeit ist. Aber ernsthaft, es fällt mir sehr schwer, die Frage zu beantworten, weil ich vor meiner Gründung von fromAtoB bereits zwei Unternehmen mitgegründet habe und daher nichts andere kenne (wobei ich bei einem mit Anlauf auf die Schnauze geflogen bin). Hinzukommt, dass die üblichen Praktika, die man im Studium bei DAX-Konzernen und in der Beratung macht, auch eher dazu geführt haben, herauszufinden, was ich nicht machen will.
Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Bei BlaBlaCar, wie die es geschafft haben in ihrem PitchDeck mit einem Kapitalbedarf von 27 Mio USD loszugehen und mit 100 Mio USD die Runde zu closen – da könnte man mit Sicherheit noch was lernen!
Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
1492 – Ich hätte ganz gerne Amerika entdeckt.
Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Fünf meiner besten Freunde, zwei Wochen um die ganze Welt und die letzten 15 Euro müssen gerade noch für ein Nahverkehrs-Gruppenticket heim vom Flughafen reichen.
Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Am liebsten mit dem befriedigenden Gefühl, Häkchen hinter den Meilensteinen auf unserer Roadmap zu machen, bevor es am Montag in die nächste Runde geht.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Hugh Hefner – damit meine ich primär den Unternehmer, trotzdem würd ich mich dazu gern bei ihm im Haus treffen.
Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an
Zur Person:
Veit Blumschein gründete gemeinsam mit Johannes Graßmann und Daniel Nolte 2008 das Mobilitäts- und Reiseportal fromAtoB. Nach seinem BWL-Studium an der Universität Bamberg promovierte er an der RWTH Aachen und war bereits Mitgründer zweier Start-ups.
15 Fragen als eBook und in gedruckter Form
“Hinter den Kulissen deutscher Start-ups: 45 Gründer über den Aufbau ihres Unternehmens”, heißt der erste Titel der neuen Buchreihe von deutsche-startups.de. Unser erstes Buch, ein Best-of der Rubrik 15 Fragen an, steht unter dem Motto: Von Gründern lernen, sich von deutschen Unternehmern inspirieren lassen. 45 Gründer berichten von Ihren eigenen Erfahrungen, geben wertvolle Tipps und teilen ihre Inspirationen mit den Lesern. Weitere Infos über “Hinter den Kulissen”