#Interview

“Redet so früh wie möglich mit euren Kunden”

Das Robotik-Startup Sereact startete als Pick-and-Place-Lösung für die Kommissionierung. Inzwischen stattet das Team Roboter mit einer intelligenten Software aus. "Unsere Technologie befähigt Maschinen, sich flexibel an ihre Umgebung anzupassen"´, sagt Gründer Ralf Gulde.
“Redet so früh wie möglich mit euren Kunden”
Donnerstag, 30. Januar 2025VonAlexander

Das Stuttgarter Unternehmen Sereact, 2021 von Marc Tuscher und Ralf Gulde ins Leben gerufen, setzt auf KI-gestützte Roboterlösungen. Creandum, Point Nine, Air Street Capital sowie Business Angels investierten zuletzt 25 Millionen Euro in das Unternehmen. Zuvor flossen bereits 5 Millionen in Sereact – unter anderem von Point Nine und Air Street Capital. 40 Mitarbeitende arbeiten derzeit für die aufstrebende Robotikfirma.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Gründer Gulde einmal ausführlich über den Stand der Dinge bei Sereact.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Sereact erklären?
Roboter sind von Natur aus ziemlich dumm – sie tun nur genau das, was man ihnen vorher beigebracht hat. Aber mit unserer Software machen wir sie schlau! Wir bringen Robotern bei, ihre Umgebung so wahrzunehmen, wie es ein Mensch tun würde. Dadurch können sie selbstständig Dinge greifen, sortieren und bewegen – ohne dass sie vorher speziell programmiert werden müssen. 

War dies von Anfang an Euer Konzept?
Ursprünglich haben wir uns auf Pick-and-Place-Lösungen für die Kommissionierung konzentriert. Die Idee war, Lagerlogistik durch KI-gesteuerte Robotik effizienter zu machen. Doch je mehr wir unsere Technologie weiterentwickelt haben, desto klarer wurde: Die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu grenzenlos. Wir haben schnell erkannt, dass unser Ansatz nicht nur für einzelne Anwendungsfälle im Lager geeignet ist, sondern dass wir eine viel fundamentalere Technologie entwickeln – eine Art Gehirn für Roboter, das ihnen ermöglicht, eigenständig in der physischen Welt zu agieren. Unsere Vision heute geht weit über die Lagerlogistik hinaus: Wir wollen Embodied AI für die gesamte Robotik revolutionieren. Das bedeutet, dass wir Roboter – in allen Formen und für alle möglichen Anwendungsbereiche – mit unserer intelligenten Software ausstatten. Egal, ob Industrieroboter, mobile Roboter oder sogar humanoide Roboter: Unsere Technologie befähigt Maschinen, sich flexibel und intelligent an ihre Umgebung anzupassen. 

Wie hat sich Sereact seit der Gründung entwickelt?
Angefangen haben wir ganz klein: In einem geteilten Unibüro mit fünf Leuten – und unseren ersten Robotern, die wir von dort aus genutzt und weiterentwickelt haben. Es war eine Zeit voller Experimente, Tüftelei und vieler Nachtschichten. Dann kam der nächste große Schritt: Ein eigenes, größeres Büro, unser eigenes Robolab und der Ausbau unseres Teams auf rund 15 Leute. Hier haben wir nicht nur unsere Software weiterentwickelt, sondern auch begonnen, unsere eigene Hardware mit einem dedizierten Hardware-Team zu konzipieren. Unser Ziel war es, das volle Paket anzubieten – eine perfekte Kombination aus intelligenter Software und robuster, leistungsfähiger Robotik. Heute sind wir auf 40 Mitarbeiter:innen gewachsen und haben unsere Büro- und Laborfläche noch einmal deutlich erweitert. Unser Team vereint Top-Talente aus vielen Bereichen und wir sind in einer spannenden Skalierungsphase. Die Nachfrage nach autonomen, intelligenten Robotersystemen wächst rasant – und wir sind genau zur richtigen Zeit mit der richtigen Lösung am Markt. Ein besonders spannender Meilenstein: Wir setzen mittlerweile wirklich große und internationale Kundenprojekte um. Unsere Lösungen sind bei führenden Unternehmen im Einsatz und automatisieren anspruchsvolle Logistik- und Produktionsprozesse. 

Was war zuletzt das Highlight bei Euch?
Unser jüngstes Highlight war der erfolgreiche Abschluss unserer Series-A Finanzierungsrunde über 25 Millionen Euro. Das ist ein enorm wichtiger Meilenstein für uns, denn es bestätigt nicht nur unsere Vision, sondern gibt uns auch die Möglichkeit, unser Wachstum weiter zu beschleunigen. Mit diesem Investment planen wir, unsere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auszuweiten, um zusätzliche Robotik-Plattformen wie mobile Roboter und Humanoide zu unterstützen. Zudem möchten wir unsere Präsenz in den USA verstärken, strategische Partnerschaften aufbauen und unser lokales Team erweitern. 

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Ehrlich gesagt gab es keinen einzelnen großen Fehler oder einen Moment, in dem alles schiefgelaufen ist. Aber natürlich gibt es in einem Startup ständig Herausforderungen und Entscheidungen, die im Nachhinein vielleicht anders hätten getroffen werden können. Außerdem haben wir gelernt, dass Hardware und Software untrennbar zusammengehören. Anfangs lag unser Fokus stark auf der Software-Seite, aber wir haben schnell gemerkt, dass wir auch die Hardware mitdenken müssen, um eine wirklich leistungsfähige Lösung zu schaffen. Deshalb haben wir ein eigenes Hardware-Team aufgebaut – eine Entscheidung, die sich als absolut richtig herausgestellt hat. 

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben von Anfang an auf die richtige technologische Vision gesetzt: KI-gesteuerte Robotik, die flexibel und universell einsetzbar ist. Viele Systeme auf dem Markt sind stark auf spezifische Aufgaben programmiert – wir hingegen haben früh erkannt, dass die Zukunft in intelligenten, adaptiven Robotern liegt, die sich eigenständig an neue Herausforderungen anpassen können. Zudem haben wir immer auf schnelle Umsetzung und praktische Anwendbarkeit gesetzt. Viele KI-Technologien bleiben im Forschungsstadium stecken – wir hingegen haben von Anfang an den Anspruch gehabt, echte industrielle Probleme zu lösen. Unser System kann in kürzester Zeit implementiert werden, ohne monatelange Trainingsphasen oder teure Spezialanpassungen. 

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer;innen mit auf den Weg?
Fokus und Geschwindigkeit sind entscheidend. Am Anfang ist man oft versucht, zu viele Dinge gleichzeitig anzugehen, weil das Potenzial riesig erscheint. Aber letztlich gewinnt nicht die Idee mit der größten Vision, sondern die, die schnell umgesetzt und validiert wird. Fokussiert euch auf ein konkretes Problem, das ihr wirklich besser löst als alle anderen. Ein weiterer Tipp: Redet so früh wie möglich mit euren Kunden. Technologische Exzellenz allein reicht nicht – euer Produkt muss in der Praxis funktionieren und echten Mehrwert bieten. Je schneller ihr Kunden-Feedback einholt, desto schneller könnt ihr eure Lösung in die richtige Richtung entwickeln. Außerdem: Baut ein starkes Team auf. Am Ende hängt alles von den Menschen ab, mit denen ihr zusammenarbeitet. Umgebt euch mit Leuten, die nicht nur smart sind, sondern auch wirklich an die Vision glauben und pragmatisch Lösungen finden können. 

Wo steht Sereact in einem Jahr?
In einem Jahr wird Sereact noch stärker skaliert und international gewachsen sein. Unser Team wächst weiter, wir haben neue Märkte erschlossen und unsere Technologie auf das nächste Level gehoben. Technologisch setzen wir unseren Weg fort, Embodied AI für Robotik weiterzuentwickeln – das bedeutet, unsere KI noch leistungsfähiger und universeller einsetzbar zu machen. Wir arbeiten daran, Roboter nicht nur intelligenter, sondern auch vielseitiger zu machen, damit sie sich selbstständig an neue Aufgaben anpassen können. Unser Kundenstamm wird weiter wachsen, und wir werden unsere Lösung in noch mehr Branchen etablieren – nicht nur in der Logistik, sondern auch in neuen Bereichen, wo intelligente Automatisierung einen echten Mehrwert bringt. Kurz gesagt: Sereact wird sich als führender Anbieter für KI-gesteuerte Robotik weiter festigen und den Weg für eine neue Generation autonomer Maschinen ebnen.

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Foto (oben): Sereact

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.