Von Alexander
Montag, 8. Juli 2024

“Die Bauindustrie funktioniert weiterhin sehr undigital”

Crafthunt aus München möchte den Fachkräftemangel in der milliardenschweren Bauindustrie bekämpfen. UVC Partners, Redstone und Business Angel investierten zuletzt 3 Millionen Euro in das junge HR-Unternehmen, das 2022 gegründet wurde.

Das Unternehmen Crafthunt, 2022 von Jonas Stamm, Patrick Christ, Emil Kirchheiner und Themi Tsiotas von Pfaler in München gegründet, kümmert sich um die “Vermittlung von Jobs für Baufachkräfte”. Zu den Nutzern der Jungfirma gehören Unternehmen wie Drees & Sommer, Stadtwerke München und BAUER Spezialtiefbau. UVC Partners, Redstone und Business Angel investierten zuletzt 3 Millionen Euro in das junge Unternehmen.

“Wir können mittlerweile auf ein Team von 14 Personen bauen, davon acht Vollzeitkollegen, über die wir sehr froh sind. Außerdem haben wir unsere Umsatzziele weit übertroffen und sehr renommierte Kunden gewonnen, was beim Fundraising natürlich hilfreich war. Wir haben sieben der Top 50 Bauunternehmen in Deutschland als Kunden gewinnen können”, sagt Crafthunt-Macherin Anna Hocker, die das Gründerteam 2023 ergänzte.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Hocker außerdem über Papier, Smart Money und Internationalisierung.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Crafthunt erklären?
Crafthunt ist eine Internet-Seite, auf der alle Fachkräfte, die mindestens einmal die Woche auf einer Baustelle arbeiten, eine neue Festanstellung finden und mit passenden Unternehmen in Kontakt kommen.

War dies von Anfang an euer Konzept?
Die Idee entstand aus anderen Bau-Software-Unternehmen, wie z.B. Capmo, wo immer wieder klar wurde, dass die größte Herausforderung der Bauindustrie in entwickelten Ländern der Fachkräftemangel ist. Dieser wird vor allem noch gravierender in den kommenden Jahren, da über 30 % der Fachkräfte in fünf Jahren auf das Rentenalter zugehen.

Wie oder wo hast Du Deine Mitgründer kennengelernt?
Jonas, Themi und Emil haben sich während ihres Studiums der Informatik bzw. Bauingenieurwesen in Kopenhagen kennengelernt. Nach der Crafthunt-Gründung kam Patrick zuerst als Angel an Bord, bis es ihn so sehr in den Fingern gejuckt hat, dass er die anderen gefragt hat, ob er auch operativ einsteigen darf. Ich kam zuletzt als Recruiting- und HR-Expertin im Oktober 2023 dazu über eine sehr gezielte Intro durch Jenny Dreier von EQT Ventures. 

Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Die größte Herausforderung für unser Geschäft ist und bleibt die Kandidatenseite, wie sollte es auch anders sein in einer vom Fachkräftemangel geprägten Industrie. Die Akquise und Qualifizierung von Fachkräften ist die wichtigste aber auch schwierigste Aufgabe an dem Geschäftsmodell. Um den limitierten Talentpool von Baufachkräften in Deutschland und den anderen entwickelten Ländern in Europa, in denen wir schon präsent sind, zu erweitern, haben wir die Spezialität, ausländische Fachkräfte zu rekrutieren. Dafür gibt es unsere Plattform in 21 KI-übersetzten Sprachen und auch die Bewerbungschats zwischen Unternehmen und Fachkräften werden automatisch simultan übersetzt, sodass der rumänische Stahl- und Betonbauer mit dem Deutschen Bauunternehmen kommunizieren kann. Wir spielen unsere Stellen nur in den Ländern und Sprachgruppen aus, die unsere Kunden gut in ihren Unternehmen integrieren können, weil es vielleicht schon Vorarbeiter der Nationalität oder Sprache gibt. Der Kunde kann außerdem vor der direkten Kommunikation Fragen zur Vorqualifizierung stellen, und wir übernehmen die KI-basierte Extraktion und Aufbereitung von Führerscheinen, Lebensläufen und anderen Unterlagen.

Ihr konntet zuletzt Investorengelder einsammeln. Wie seid ihr mit euren Geldgebern in Kontakt gekommen?
Sowohl UVC Partners, als auch Redstone und die Angels kamen über unsere Netzwerke. Jonas, Patrick und ich haben alle an der TUM studiert, Patrick am CDTM promoviert. Redstone kam über mein WHU-Netzwerk und auch die Angels vor allem durch Intros und Empfehlungen bestehender Investoren.

Wie hat sich Crafthunt seit der Gründung entwickelt?
Wir können mittlerweile auf ein Team von 14 Personen bauen, davon acht Vollzeitkollegen, über die wir sehr froh sind. Außerdem haben wir unsere Umsatzziele weit übertroffen und sehr renommierte Kunden gewonnen, was beim Fundraising natürlich hilfreich war. Wir haben sieben der Top 50 Bauunternehmen in Deutschland als Kunden gewinnen können. 

Blicke bitte einmal zurück: Was ist seit der Gründung so richtig schief gegangen?
Wir mussten erkennen, dass die Bauindustrie weiterhin sehr undigital funktioniert. Probleme hatten wir z.B. mit dem Stellen von Rechnungen. Wir haben uns gewundert, warum unsere Kunden unsere Rechnung, die wir per E-Mail geschickt haben nicht bezahlt haben, bis wir verstanden haben, dass bei vielen Firmen der Rechnungsprozess noch auf Papier und Briefen/Faxen beruht. Nachdem wir jetzt zusätzlich zur E-Mail nun auch Rechnung per Post verschicken, ist dieses Problem gelöst.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Worüber wir sehr froh sind, ist, dass wir so gute Investoren für unsere Mission begeistern konnten. Auch mit unseren 30+ Angels sind wir sehr zufrieden. Auch wenn das natürlich einmalig viel administrativer Aufwand war, sind wir davon überzeugt, dass wir von Smart Money z.B. in den Bereichen AI, Bau, HR-Tech sehr viel profitieren können und binden unsere Angels dementsprechend ein. Von unseren Kunden bekommen wir regelmäßig die Bestätigung, dass wir das größte Problem der Baubranche anpacken und die richtigen Maßnahmen zur Lösung ergreifen. Durch unsere schnelle und hypothesengetriebene Arbeitsweise machen wir ständig sowohl Fehler als auch richtige Entscheidungen. Unser von Anfang an bestehender KI-Fokus zur Automatisierung und Unterstützung der Prozesse und der Plattform hat sich dabei als besonders gute Entscheidung erwiesen.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Die wirklich großen Probleme anzugehen. Die europäische Bauindustrie hat ein Volumen von circa 13 Millionen Angestellten, die nicht durch AI ersetzt werden in den nächsten Jahren, von denen aber noch mal 30 % in den nächsten fünf Jahren in Rente gehen. Da die Baubranche mehr als nur Eigenheime sind, sondern z.B. auch Megatrends wie die Energie- oder Transportwende, sowie Gebäudesanierung und Infrastrukturmodernisierung durch diese Arbeitskräfte bedingt werden, wirkt sich der zunehmende Fachkräftemangel gravierend auf den Entwicklungsstandard aller Länder aus.

Wo steht Crafthunt in einem Jahr?
In einem Jahr haben wir unsere starke Wachstumstrategie fortgesetzt, d.h. wir werden unsere Kundenbasis, ACV und Produktfeatures signifikant erweitert haben, damit unsere Wertschöpfungstiefe ausgebaut sowie die Internationalisierung weiter vorangetrieben.

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Foto (oben): Crafthunt