#Gastbeitrag

New Work, New Me und das We?

Die vergangenen Jahren haben es gezeigt: Home Office ist kein Produktivitätskiller. Probleme macht etwas ganz anderes: Die sozialen Bindungen in den Unternehmen brechen weg und gefährden den Unternehmenserfolg. Ein Gastbeitrag von Inga Mende.
New Work, New Me und das We?
Dienstag, 11. Juni 2024VonTeam

New Work wurde als Konzept lange Zeit diskutiert und in der Praxis wenig erprobt. Auch weil viele Führungskräfte sich “die Arbeit der Zukunft” nicht vorstellen konnten, Angst vor Kontrollverlust und schlechter Performance ihrer Teams hatten. Dann kam die Pandemie und damit war klar: Es wird einfach weitergearbeitet und das Home Office ist kein Produktivitätskiller. Probleme macht jetzt etwas ganz anderes: Die sozialen Bindungen in den Unternehmen brechen weg und gefährden den Unternehmenserfolg.

Gekommen, um zu bleiben: die Arbeit der Zukunft

Als der New Work-Erfinder Frithjof Bergmann bereits in den 60er Jahren darüber nachdachte, was Menschen brauchen, um sich bei der Arbeit frei zu fühlen, kam er zu dem Schluss, dass es vor allem auf Selbstbestimmung und persönliche Identifikation ankommt. Die flexible Wahl des Arbeitsplatzes haben viele Mitarbeitende schätzen gelernt. Alleine in Deutschland gehen laut einer Fraunhofer Studie 60 % der befragten deutschen Arbeitnehmenden davon aus, dass ihr Arbeitgeber dies zukünftig ermöglichen wird. Was bei der Diskussion um Home Office, Remote Work und hybride Teams jedoch zu kurz kommt, ist der Punkt der persönlichen Identifikation. Dem New Work-Vordenker Bergmann ging es dabei vor allem um die Inhalte der Tätigkeit, diese sollen vom Mitarbeitenden als möglichst sinnstiftend eingeschätzt werden. Mindestens genauso wichtig ist der Aspekt der sozialen Identifikation, also das Zugehörigkeitsgefühl zum Arbeitgeber sowie zum eigenen Team. Leider sieht es da gar nicht gut aus.

Einsamkeit. Ist das der Preis der Freiheit?

Viele Unternehmen stecken in einer Krise des fehlenden Gemeinschaftsgefühls. Laut einer Studie, die Arbeitnehmende in UK, Frankreich und Deutschland befragte, haben sich die sozialen Bindungen am Arbeitsplatz in vielen Teams mindestens gelockert, manchmal sogar ganz aufgelöst. Über die Hälfte (51%) der Befragten spürt kein Zugehörigkeitsgefühl mehr, fast jede:r Zweite (44%) fühlt sich mit den Kolleg:innen nicht mehr verbunden und fast jede:r Dritte (27%) pflegt keine Freundschaften im Team. Diese Entwicklung gefährdet den Unternehmenserfolg. Denn fehlende soziale Bindungen am Arbeitsplatz führen zu reduzierter Leistung, depressiven Symptomen und einer schlechten psychischen Verfassung der Mitarbeitenden insgesamt. Was also tun? Doch alle wieder zurück ins Office?

Back-to-Office ist nicht die Lösung

Manche CEOs haben es genau mit diesem Argument versucht: “Kommt zurück in die Büros, damit der kollegiale Austausch nicht verloren geht”. An sich eine gute Idee, aber auf Zwang reagieren viele Arbeitnehmende inzwischen mit Quiet Quitting oder gleich der Suche nach einem neuen, flexibleren Arbeitsplatz. Mitarbeitende, die den Austausch an der Kaffeemaschine vermissen, werden freiwillig zurückkehren. Vor allem, wenn der Kaffee gut ist. Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten, wie Unternehmen das Teamgefühl wieder stärken können.

Biography Sharing: Mit wem arbeite ich eigentlich zusammen?

New Work war schon immer mehr als Home Office oder Vier-Tage-Woche. Das Konzept kommt mit einigen spannenden Methoden, die sich Führungskräfte zu Nutze machen können, damit sich Mitarbeitende wieder zugehöriger fühlen, beispielsweise mit dem Biography Sharing. Im Rahmen dieses Formats plaudern Mitarbeitende aus dem Nähkästchen, erzählen aus ihrer Kindheit und teilen die prägendsten Erfahrungen. Das führt nicht nur zu mehr Gemeinschaftsgefühl, sondern auch zu mehr Verständnis füreinander. Plötzlich werden manche Verhaltensweisen und Eigenheiten nachvollziehbarer und die Möglichkeit, nachsichtiger miteinander umzugehen, ist realistischer. Außerdem macht so viel Offenheit verletzlich und das schweißt zusammen. Natürlich ist es möglich, diesen Austausch digital zu organisieren, aber persönlich entfaltet das Gespräch noch mehr Kraft. Das wissen auch Büromuffel, die mit solchen Konzepten wieder ins Büro gelockt werden können.

Persönliche Check-ins: Auf jede:n Einzelnen kommt es an.

Ein Gefühl von Zugehörigkeit entsteht, wenn Menschen merken, dass sie gesehen werden und es eine Rolle spielt, wie es ihnen gerade geht. Deshalb sind regelmäßige Check-ins, am besten persönlich, besonders wichtig. Ein ehrliches “Was beschäftigt dich gerade?” kann einen großen Unterschied machen. Entscheidend ist, dass die Frage ernst gemeint ist und es den Raum für ehrliche Antworten gibt. Mitarbeitende spüren sofort, ob es wirklich gewünscht und sicher ist, sich mitzuteilen. Höflicher Smalltalk schafft keine Verbindung, Offenheit hingegen fördert das Vertrauen und die Nähe im Team, untereinander und auch jeweils zu den Vorgesetzten. Umso wichtiger, dass sich Führungskräfte das zu Herzen nehmen und sich für ein solches Gespräch Zeit nehmen. Das muss nicht immer geplant sein und kann informell an der Kaffeemaschine stattfinden, sollte sich aber nicht immer nur aufs Office beschränken. Hier sind Führungskräfte gefragt, das Umfeld für einen echten Austausch zu schaffen, beispielsweise im Rahmen eines Team Offsites. Für den Erfolg eines Team Offsites ist es entscheidend, gemeinsam klare Ziele zu definieren, die allen bekannt sind und den Rahmen für das Offsite bilden. Die Auswahl eines passenden Ortes, der alle Bedürfnisse berücksichtigt, und ein flexibles, zielorientiertes Programm fördern die Beteiligung und Motivation. Teambuilding-Aktivitäten stärken den Zusammenhalt, während klar kommunizierte Erwartungen und unterhaltsame Pausen das Engagement hochhalten. Ganz wichtig: Am Schluss ist eine Evaluierung des Offsites unerlässlich, um zukünftige Events zu optimieren.

Hey Buddy: Eine:n persönliche:n Ansprechpartner:in für alle Neuen.

Wer neu im Team ist, fühlt sich natürlich erst recht nicht zugehörig. Das ist ganz normal, aber nicht weniger belastend. Um diese, vor allem für viele junge Mitarbeitende verwirrende Phase angenehmer zu gestalten, ist es sinnvoll, ein Buddy-System zu etablieren. Das sind erfahrene Kollegen und Kolleginnen auf der gleichen Hierarchiestufe, die man in den ersten Wochen alles fragen kann. Dadurch wird vieles leichter, aber vor allem wird die Teamkultur greifbarer. Finden die Buddy-Treffen dann auch noch persönlich statt, ist die Chance hoch, dass sich die Neuen schon nach kurzer Zeit gut aufgenommen und zugehörig fühlen.

Zugehörigkeit ist kein Luxus, sondern entscheidend für den Unternehmenserfolg

Investieren Unternehmen in Maßnahmen, die soziale Bindungen im Team stärken, zahlt sich das sofort aus: Die Produktivität steigt um 56 % , die Fluktuationsrate sinkt deutlich (50 %) und die Krankheitstage gehen ebenfalls enorm zurück (75 %). Zugehörigkeit ist deshalb kein Luxus, sondern sollte von Führungskräften ernst genommen werden. Dabei passt nicht jede Maßnahme zu jedem Team. Es braucht Mut, manches auszuprobieren, Ausdauer das neue Gemeinschaftsgefühl zu etablieren und die Einsicht, dass der persönliche Austausch durch kein noch so cleveres digitales Tool zu ersetzen ist.

Über die Autorin
Inga Mende ist Co-Gründerin und CEO von cloopio, der Buchungsplattform für Company Events & Offsites.

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