Von Team
Donnerstag, 23. Mai 2024

Wie man ein VC-Portfolio erfolgreich führt

Investitionen in Startups sind immer eine Mischung aus der Bereitschaft, Risiken einzugehen und dem Risikomanagement. Danach geht die Arbeit für Investoren aber erst los. Es gilt, das Portfolio erfolgreich durch Höhen und Tiefen zu führen. Ein Gastbeitrag von Christian Claussen.

Die Erstellung eines Venture-Capital-Portfolios erfordert eine Kombination aus strategischer Planung, Due-Diligence, finanziellem Scharfsinn, branchentechnologischem Wissen sowie Beziehungsfähigkeiten. Sobald das Portfolio zusammengestellt wurde, ist es Aufgabe der Risikokapitalgeber die Unternehmen im Portfolio zu verwalten. Es erfordert ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Bereitschaft, Risiken einzugehen und dem Risikomanagement, sowie zwischen strategischer Entscheidungsfindung und der Anpassungsfähigkeit an ein dynamisches Startup-Umfeld.

In diesem Artikel werde ich einige spezifische Punkte für VCs hervorheben, die ein Venture-Portfolio führen und dabei über die üblichen Aufgaben hinausgehen, wie die Erzeugung von Dealflow, Marktanalysen sowie die finanzielle, rechtliche und technologische Due Diligence.

1. Die Zusammenstellung eines Portfolios

Anpassungsfähigkeit:

Bleiben Sie agil: Die Startup-Landschaft ist äußerst dynamisch. Bleiben Sie agil und seien Sie bereit, sich neuen technologischen Entwicklungen, Marktveränderungen und regulatorischen Rahmenbedingungen anzupassen! Flexibilität ist der Schlüssel zum Erfolg im Venture Capital, da disruptiver Wandel das Wesen von Innovation ist. Darüber hinaus müssen sich VCs sorgfältig an den Wirtschaftszyklus anpassen, in dem sie tätig sind.

Die spezielle Auswahl der Art und des damit verbundenen Risikoniveaus der Investitionen, die ein VC zu tätigen bereit ist, hängt maßgeblich von der spezifischen Phase des Wirtschaftszyklus zum Zeitpunkt der Erstinvestition ab und der angenommenen Phase beim Exit aus einem bestimmten Portfoliounternehmen. Angesichts der üblichen Haltedauer von mehreren Jahren müssen Risikokapitalgeber daher langfristige Prognosen über den bevorstehenden Wirtschaftszyklus treffen.

Kontinuierliches Lernen:

Bleiben Sie “up to date”: Halten Sie sich über Branchentrends, aufkommende Technologien und bewährte Praktiken im Risikokapital auf dem Laufenden. Kontinuierliches Lernen hilft dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen und im Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Es ist ein grundlegendes Missverständnis, dass VCs dem Trend voraus sein müssen. Die klassische Frage auf Panels bei VC-Konferenzen nach “Welches Thema ist aktuell heiß / was kommt als nächstes” führt zu der berüchtigten Aufzählung der heutigen Trends, die bei Frühphaseninvestments bereits größtenteils überholt sind.

VCs unterstützen Innovatoren. Innovation wird tatsächlich von innovativen Unternehmern zu uns VCs gebracht und nicht umgekehrt. Risikokapitalgeber müssen geduldig auf die nächste bahnbrechende Idee warten, vergleichbar mit einem Surfer, der im Wasser liegt und bereit ist, auf das Brett zu springen, sobald die ersten Anzeichen einer neuen Welle erkennbar sind. Treu der Metapher folgend, baut sich in den meisten Fällen keine signifikante Welle auf, und der Surfer fällt entweder ins Wasser, was einem verlorenen Investment gleichkommt, oder kämpft darum, über Wasser zu bleiben, bis er den Strand erreicht, was einer geringen Rendite entspricht. Nur in Ausnahmefällen ermöglicht optimales Timing das Erfassen einer außergewöhnlich großen Erfolgswelle, was für den glücklichen VC zu einem sogenannten ‘Fund-Returner’ führen kann – einer Investitionsrendite, die das Zwanzigfache des eingesetzten Kapitals übersteigt.

Diversifizierung:

Sektor- und (Investitions-)Phasendiversifikation: Trotz der oft von LPs (Limited Partners) geäußerten Nachfrage und entsprechenden Ansprüchen von VCs ist es nicht unbedingt eine gute Idee, Risikokapitalportfolios um ein oder zwei bestimmte Themen oder Branchentrends herum aufzubauen. Die Diversifizierung des Portfolios über verschiedene Branchen, Geschäftsmodelle und Technologien hinweg kann dazu beitragen, die Auswirkungen einer schlechten Rendite bei einer einzelnen Investition zu reduzieren.

Die Verteilung von Investitionen über verschiedene Entwicklungsstadien hilft auch, Klumpenrisiken zu mindern, die mit bestimmten Branchen oder Entwicklungsstufen verbunden sind. Als VC, der mehrere Konjunkturzyklen erlebt hat, finden wir bei Ventech es einfacher, uns gegen Risiken zu verteidigen, indem wir in verschiedene Themen, Geschäftsmodelle, zugrunde liegende Technologien und Trends investieren, als uns ausschließlich auf die Diversifikation über verschiedene Reifestufen des Portfolios zu konzentrieren. Dies hängt mit der Fondsgröße und unserer Kernkompetenz zusammen, eine Vielzahl von wachstumsstarken Startups zu bewerten, lange bevor finanzielle KPIs verlässlich demonstriert werden können.

2. Portfolio-Management

In diesem Abschnitt befassen wir uns mit den Aktivitäten nach einer Investition und erläutern, wie man die Unternehmen im Portfolio optimal unterstützt, um die Wertsteigerung zu maximieren.

Aktives Portfoliomanagement:

Proaktive Beteiligung: Arbeiten Sie eng mit den Portfoliounternehmen zusammen, und bieten Sie Zugang zu Netzwerken, strategische Führung und Mentorship. Ein aktiv involvierter Investor kann zum Erfolg der Unternehmen beitragen. 

Zum Beispiel ziehen wir bei Ventech eine klare Grenze zwischen der operativen Unterstützung bei täglichen Managementaufgaben und dem strategischen Beitrag, den nur ein erfahrener Sparringspartner leisten kann. Letzteres hat einen viel höheren wirtschaftlichen Wert, wenn grundlegende Entscheidungen gemeinsam getroffen werden müssen, um durch wesentliche Wendepunkte zu navigieren und somit Startups dabei zu helfen, Herausforderungen zu überwinden, strategische Entscheidungen zu treffen und ihre Erfolgschancen zu erhöhen.

Warum genau? Weitere Erklärungen finden Sie in meinem Blog “I’m calling bullsh*t on these VC ’value-add’ platforms”. 

Risikomanagement:

Risikobewertung und Anpassung: Bewerten und kontrollieren Sie kontinuierlich die Risiken, die mit jeder Investition verbunden sind. Arbeiten Sie mit Ihren Portfoliounternehmen zusammen, um Notfallpläne für verschiedene Szenarien zu entwickeln. Das beinhaltet, potenzielle Herausforderungen vorauszusehen und Strategien bereitzuhalten, um Risiken abzumildern. Vor diesem Hintergrund sollten Sie bereit sein, Pläne entscheidend zu verändern, je nachdem, wie sich Marktbedingungen, regulatorische Rahmenbedingungen und die Technologielandschaft weiterentwickeln. Viele VCs haben die Versuchung erlebt, einfach durchzuhalten und auf ein Wunder zu hoffen. Aber oft ist es ein Fehler, zu wenig und zu spät zu ändern. Im Rückblick können die meisten von uns Beispiele nennen, in denen frühere und entschlossenere Kurskorrekturen zu einem besseren Ergebnis geführt hätten.

Neuausrichtung des Portfolios:

Regelmäßige Portfolio-Reviews: Analysieren Sie regelmäßig das Portfolio, um die Performance jeder Investition zu bestimmen. Ziehen Sie in Betracht, sich von unterdurchschnittlich performenden Unternehmen zu lösen und stattdessen in neue zu investieren, die besser zu den Zielen des Fonds passen. Der Aufbau von Unternehmen in frühen Phasen ist eine darwinistische Kunst und führt leider oft zu unbefriedigenden Ergebnissen. 

Erfahrene VCs sind sich dieses Risikos bewusst und stellen sicher, dass sie Katastrophen vermeiden, bei denen stark überfinanzierte Startups an die Wand fahren und dabei den Portfolio-NAV unverhältnismäßig stark beeinflussen. Ein frühzeitiges Abschneiden von Verlusten erfordert eine gut funktionierende Partnership, die auf offener Kommunikation, nüchterner Bewertung und gegenseitiger Fehlerverträglichkeit innerhalb des Front-Office-Teams beruht.

Richtlinie für Folgeinvestitionen:

Gewinner unterstützen: Identifizieren und unterstützen Sie Portfoliounternehmen, die ein starkes Wachstumspotenzial zeigen. Ziehen Sie Folgeinvestitionen in Betracht, um ihre Beteiligung zu halten zusätzliches Kapital für das Wachstum bereitzustellen. Neben kluger Geldallokation ist es für VCs wichtig, ihre Ressourcen effektiv zu nutzen und darauf zu achten, dass sie ihre kostbare Zeit den erfolgreichsten Unternehmen widmen. Offensichtlich existiert eine schmale Gratwanderung, bei der die Reputation eines VCs auf dem Spiel steht, sollten Unternehmen mit schwacher Performance im Portfolio vernachlässigt werden. Allerdings führt der übermäßige Zeitaufwand, um Unternehmen ohne ausreichendes Momentum zu retten, oft zu einem Mangel an strategischer Unterstützung für die erfolgreichen Unternehmen, bei denen der Einfluss der VC-Unterstützung wesentlich größer ist.

Exit-Strategien:

Planen Sie den Exit: Wir alle kennen das alte VC-Sprichwort “Die besten Unternehmen werden gekauft und nicht verkauft”. Dennoch können die Entwicklung klarer Exit-Strategien für jede Investition, sei es durch IPOs, Fusionen und Übernahmen oder andere Mittel, dazu beitragen, die Erwartungen richtig zu setzen, die Interessen von Gründern und Investoren auszurichten und gleichzeitig sicherzustellen, dass das Management stets darauf bedacht ist, letztendlich Liquidationsmöglichkeiten zu schaffen. Zeitnahe Exits sind entscheidend, um Renditen zu realisieren und Kapital für neue Chancen zu recyceln.

3. Das Portfoliomanagement über Konjunkturzyklen hinweg

Zu guter Letzt folgt ein einführender Exkurs zum Thema “Wie man durch Konjunkturzyklen navigiert:

Zugang zu Kapital 

In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs sind die Zinssätze oft niedriger, und es ist im Allgemeinen mehr Kapital auf dem Markt verfügbar. Dies kann zu besseren Finanzierungsmöglichkeiten für VCs führen, so dass sie mehr Kapital in Startups investieren können, wobei der Schwerpunkt oft auf Investitionen in schnelles Wachstum liegt. VCs können mehr Kapital in vielversprechende Firmen investieren, auch wenn diese noch nicht umsatzfähig sind, mit der Erwartung, dass diese Investitionen Renditen erwirtschaften werden, wenn der Markt weiter expandiert.

In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs kann der Zugang zu Kapital schwieriger werden, da die Risikoaversion steigt. VCs haben möglicherweise Schwierigkeiten, Gelder aufzubringen, und es könnte weniger Interesse daran bestehen, in riskantere Frühphasen-Startups zu investieren. Es ist möglich, eine vorsichtigere Strategie zu wählen und Kapital solchen Unternehmen zuzuordnen, die etablierte Geschäftsmodelle, deutliche Pfade zur Rentabilität und die Fähigkeit besitzen, wirtschaftlichen Schwierigkeiten standzuhalten. Die Erhaltung von Liquidität wird zu einer Priorität, VCs könnten sich darauf konzentrieren, die Laufzeiten ihrer bestehenden Fonds zu verlängern, während sie ihren “Dry Powder” für strategische Chancen bereithalten. VCs müssen sich also auf einen Abschwung einstellen und vorsichtig sein, da dieser lange andauern kann.

Risikobereitschaft:

In bullischen Märkten ist die Risikobereitschaft der Anleger möglicherweise größer, was zu einem verstärkten Interesse an Frühphasen- und wachstumsstarken Firmen führt. VCs sind möglicherweise eher bereit, Risiken einzugehen und in innovative, aber unbewährte Geschäftsmodelle zu investieren.

Wirtschaftliche Abschwünge können zu einer vorsichtigeren Risikohaltung unter Investoren führen. VCs werden möglicherweise wählerischer und konzentrieren sich auf Startups mit bewährten Geschäftsmodellen, klaren Wegen zur Rentabilität und der Fähigkeit, wirtschaftlichen Herausforderungen standzuhalten.

Bewertungstrends:

In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs können die Bewertungen von Startups aufgrund der erhöhten Nachfrage nach Investitionsmöglichkeiten steigen. Hohe Bewertungen können sich auf die potenziellen Renditen für Investoren auswirken, wenn sie bei ungünstigeren wirtschaftlichen Bedingungen einen Exit durchführen.

Wirtschaftliche Abschwünge können zu realistischeren Bewertungen führen, da die Anleger vorsichtiger werden. Dies kann eine Kaufgelegenheit für VCs darstellen, die zu vernünftigeren Bedingungen investieren wollen.

Anpassungsfähige Strategien:

Während eines Booms könnten VCs aggressive Wachstumsstrategien verfolgen und Startups dabei unterstützen, schnell zu skalieren und Marktanteile zu erobern.

In Phasen des Abschwungs können Maßnahmen wie Kostensenkungen, Neuausrichtungen und strategische Partnerschaften dazu beitragen, wirtschaftliche Herausforderungen zu bewältigen und Portfoliounternehmen auf einen langfristigen Erfolg auszurichten.

Exit-Möglichkeiten:

Bullenmärkte bieten oft günstige Bedingungen für Exits, einschließlich IPOs und Übernahmen. VCs können den Zeitpunkt für Exits strategisch während Perioden wirtschaftlicher Stärke planen, um die Renditen zu maximieren.

Wirtschaftliche Abschwünge können Exits schwieriger machen. Die Märkte für Börsengänge sind oft weniger aufnahmefähig, und die Übernahmeaktivitäten können abnehmen. Risikokapitalgesellschaften müssen möglicherweise ihre Exit Zeitpläne anpassen und/oder alternative Strategien in Betracht ziehen.

Branchenfokus:

Während einer wirtschaftlichen Expansion kann das Interesse an Tech und anderen Sektoren mit hohem Wachstum zunehmen. Risikokapitalgesellschaften können mehr Kapital in Branchen mit starkem Wachstumspotenzial investieren.

Wirtschaftsabschwünge können zu einer Verlagerung des Branchenschwerpunkts führen. Einige Branchen sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten widerstandsfähiger, und VCs können ihre Strategien an die veränderte Marktdynamik anpassen.

Portfolio-Management:

Unter günstigen wirtschaftlichen Bedingungen können sich VCs auf die Skalierung und Wachstumsförderung von Portfoliounternehmen konzentrieren. VCs neigen möglicherweise dazu, Folgeinvestitionen in erfolgreiche Portfoliounternehmen zu tätigen, um deren Wachstum und Skalierung zu unterstützen.

In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs können VCs das Portfoliomanagement in den Vordergrund stellen und eng mit bestehenden Beteiligungen zusammenarbeiten, um Herausforderungen zu bewältigen. Der Schwerpunkt kann sich auf die Erhaltung und Optimierung des Wertes des Portfolios verlagern.

Über den Autor
Christian Claussen ist General Partner bei Ventech

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Foto (oben): Shutterstock