#Gastbeitrag
Open Finance: Warum die Finanzbranche einen übergreifenden API-Standard braucht
In der deutschen Finanzbranche ist eine zunehmende Fragmentierung der Wertschöpfungskette zu beobachten. Bankkunden beziehen ihre Dienstleistungen mehrheitlich über eine Vielzahl unterschiedlicher Dienstleister. Während sie ihren Hausbanken zumeist nur noch die Verwahrung ihrer Finanzen überlassen, nutzen sie selbständige Finanzberater, Family Offices oder FinTechs für Finanzierung, Absicherung und Investment.
So werden elektronische Daten auf unterschiedlichste Weise und mit immer neuen APIs (Application Programming Interfaces; dt.: Programmierschnittstellen) zwischen den Parteien transportiert. Die APIs, die sich dabei zwischen den Banken und den externen Dienstleistern ergeben, sind so vielfältig wie die Marktteilnehmer selbst. Doch mit den ständig wachsenden Anforderungen haben ihre Komplexität, Aufwände und Ausfallrisiken mit der Zeit zugenommen. Dadurch ist die Kommunikation oft ineffizient, obwohl sie digital geführt wird.
Die Relevanz von Open Finance für FinTechs und Banken
Aber im Rahmen von Open Finance sind effiziente Programmierschnittstellen für Banken und FinTechs gleichermaßen notwendig: Sie ermöglichen individualisierte und innovative Finanzprodukte und Dienstleistungen. Banken profitieren von den innovativen Technologien und Lösungen der FinTechs, um schnell neue Produkte auf den Markt zu bringen. Außerdem verschaffen ihnen strategische Partnerschaften mit den FinTechs Skaleneffekte und ermöglichen ihnen den Zugang zu neuen Märkten.
Für FinTechs eröffnet sich mit den APIs Zugang zu Finanzdaten, die sie für personalisierte Angebote und Dienstleistungen benötigen. Daher bieten Kooperationen zwischen beiden Seiten eine Vielzahl von Möglichkeiten: Durch die Zusammenarbeit erweitern Banken ihr Produktangebot und es bieten sich Synergien bei der Gestaltung einer zukunftsfähigen Kundenerfahrung. Gleichzeitig können sie effizientere Prozesse und Kosteneinsparungen realisieren.
Doch Deutschlands Finanzwirtschaft präsentiert sich als ein uneinheitlicher Flickenteppich von API-Standards: Auch wenn die technische Basis auf den REST-API-Standards basiert, so hat jede Bank ihre eigenen Schnittstellen und Vorschriften etabliert. Bisherige Initiativen, hierfür einen übergreifenden und anwendungsorientierten Standard zwischen allen Finanzdienstleistern zu definieren, sind noch nicht wirklich etabliert. Dieser Umstand erschwert die reibungslose Kooperation zwischen Banken und FinTechs und vice versa. Es verzögert die Entwicklung neuer innovativer Finanzanwendungen, die den Verbrauchern und Unternehmen einen Mehrwert bieten, während sie gleichzeitig die Integrität und Sicherheit des Finanzsystems wahren.
Schweizerisches Best Practice: Die Gründung der Open Wealth Association
Als Teil ihrer neuen Open Banking-Strategie 2019 entschied sich die Schweizerische St. Galler Kantonalbank (SGKB), externe Vermögensberater und Unternehmenskunden als Zulieferer zu integrieren. Gemeinsam mit ihnen wollte die Bank Produkte und Dienstleistungen für ihren Kundenstamm bereitstellen. Dabei wollte sie spezifisch für das Geschäft mit unabhängigen Vermögensberatern die Einführung einer standardisierten API prüfen.
Über die API sollten CRM-, Positions- und Transaktionsdaten ausgetauscht werden können, um den Prozess auf alle Geschäfte zu skalieren. Das sollte die Effizienz für beide Parteien steigern, Kosten reduzieren sowie bestehende Kommunikationskanäle entlasten. Aber: In einer Vorstudie stellte die SGKB fest, dass noch kein öffentlicher API-Standard für die Vermögensverwaltung existiert.
Anstatt das Open Banking-Vorhaben deswegen zu verwerfen, entschied sich die SGKB, eine einheitliche Schnittstelle zu entwickeln – und sie zudem anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Dafür überführte sie die neue API 2021 in einen eigens dafür gegründeten Verein: die OpenWealth Association. Unmittelbar nach der Gründung startete die technische Implementierung der API und die OpenWealth Association wurde fortlaufend größer. Inzwischen sind mehr als 50 Unternehmen und zehn Banken Mitglied. Dazu gehören auch namhafte Marktteilnehmer wie Schweizer Großbanken und Google Cloud.
So hat sich aus der bankinternen Open Banking-Strategie der SGKB ein landesweiter API-Standard entwickelt. Die OpenWealth Association baut den Funktionsumfang der Schnittstelle kontinuierlich aus und arbeitet bereits an der Etablierung im Ausland. Die Mitglieder der daraus entstandenen, stetig wachsenden Community profitieren von diesem technologischen Fortschritt. Um Kosten weiter zu senken und die Skalierung von Schnittstellen zu ermöglichen, stellt die OpenWealth Association weltweit interessierten Unternehmen die API als Open Source zur Verfügung.
Erfolg als Blaupause für deutsches Modell
Das Vorgehen der St. Galler Kantonalbank zeigt nicht nur die Vorteile eines landesweiten API-Standards, sondern auch wie es möglich ist, diesen zu realisieren. Ein ähnlicher Ansatz könnte auch hierzulande erfolgreich etabliert werden. Deutschland verfügt über eine breite Palette von Finanzinstituten und FinTechs, die von der Einführung standardisierter APIs profitieren würden.
Um einen landesweiten API-Standard in Deutschland zu erreichen, ist eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren in der Finanzbranche entscheidend: Banken und FinTech-Unternehmen sollten sich dafür mit Regulierungsbehörden und anderen relevanten Interessengruppen an einen Tisch setzen. So wie in der Schweiz sollten sie zudem die Entwicklung dieser Strategie und die Bereitstellung der APIs für Dritte aktiv fördern. Dies könnte ebenfalls in Form einer unabhängigen Organisation geschehen, die die Entwicklung, Implementierung und Wartung der APIs koordiniert.
Eine solche Initiative steigert nicht nur die Effizienz, sondern auch die Innovationskraft in der deutschen Finanzbranche. Sie kommt letztendlich den teilnehmenden Akteuren ebenso zugute wie deren Kunden. Außerdem zeigen die Erfahrungen der OpenWealth Association, dass die Schaffung eines landesweiten API-Standards sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die internationalen Möglichkeiten der Finanzindustrie erheblich verbessern kann.
Über den Autor
Stephan A. Paxmann ist Leiter des strategischen Entwicklungsbereichs Digitalisierung und Innovation bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Er analysiert innovative Markt- und Digitaltrends und begleitet die Bank sowie den Mittelstand bei der Einführung disruptiver Technologien.
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