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Der Fachkräftemangel muss kein Drama sein

Unternehmen stehen unter Druck, ihre Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten. Nur so können sie ihre aktuellen Mitarbeitenden halten und neue Bewerbende auf sich aufmerksam machen. Ein Gastbeitrag von Annika von Mutius.
Der Fachkräftemangel muss kein Drama sein
Donnerstag, 4. Mai 2023VonTeam

Bis 2030 werden in Deutschland sechs bis acht Millionen Fachkräfte fehlen, dies ergab eine Studie der Boston Consulting Group. Wer als Unternehmen in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben will, wird darum neue Wege gehen müssen. Im Arbeitnehmermarkt konkurrieren nicht mehr die Bewerbenden, sondern die potenziellen Arbeitgeber. Unternehmenskultur, Identifikation mit der Organisation oder Purpose: Aspekte, die einst als Nice-to-Have angesehen wurden, sind nun die wichtigsten Entscheidungsfaktoren. Diese gilt es nun ins Recruiting zu übertragen. Nur – wie?

Eine aktuelle Studie von Leapsome kommt jüngst zu dem Ergebnis, dass vier von fünf befragten Mitarbeitenden innerhalb des kommenden Jahres plant, den Arbeitsplatz zu wechseln. Fast die Hälfte der Befragten möchte dies sogar schon innerhalb der kommenden sechs Monate tun. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Umfragen von LinkedIn und Monster. Diese Ergebnisse bergen Riesenchancen für all jene, die heute verstehen, worauf es beim Recruiting ankommt. Die Volatilität des Marktes basiert besonders darauf, dass Arbeitnehmende die Wahl haben. Sind sie in ihrem aktuellen Job unzufrieden, ist der Schritt zur nächsten Bewerbung nicht weit. Während die Baby-Boomer-Generation Arbeitslosigkeit fürchtete und sich eher den Anforderungen der Unternehmen beugte, hat sich dieses Machtverhältnis in den vergangenen Jahren umgekehrt. Nun sind Unternehmen unter Druck, ihre Arbeitsbedingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten. Nur so können sie ihre aktuellen Mitarbeitende halten und neue Bewerbende auf sich aufmerksam machen.

Vom großen Trichter ins Nadelöhr

Für eine Business-Development-Stelle in Berlin gibt es auf den klassischen Jobportalen 7.000 Angebote. Doch in Zeiten eines Arbeitnehmermarktes hat niemand mehr die Bereitschaft, sich durch diese Masse durchzuarbeiten. Das wichtigste Learning, das Unternehmen verinnerlichen müssen, ist, dass sie ihre Talente selbst finden müssen und zwar dort, wo sie ohnehin sind – auf Social Media. Wer Facebook, Instagram, TikTok und Co. für sein Recruiting einzusetzen lernt, ist vielen Wettbewerbern schon einen großen Schritt voraus. Die sozialen Medien bieten im ersten Schritt die Möglichkeit einer großen Audience. Im zweiten Schritt folgt die Kür: Aus dem breiten Trichter gilt es nun, die passenden Talente herauszufiltern. Denn hier lassen sich Werte fernab von erworbenen Skills und Expertisen finden. Nämlich individuelle Eigenschaften wie Kommunikation oder Weiterentwicklungs-Bedürfnisse.

Die Top-Fünf ist: menschlich

Letztlich werden es genau die Faktoren sein, die lange Zeit wie seichte Goodies gehandelt wurden, die in Zukunft den Arbeitsmarkt bestimmen. Genau das zeigt sich auch in der Top-Fünf der Zufriedenheitsfaktoren im Job – diese sind rein kultureller, wertebasierter Natur. Gutes Employer Branding zahlt sich aus, das aufrichtige Streben, ein guter Arbeitger oder Arbeitgeberin zu sein, umso mehr. Der wachsende Fachkräftemangel verzeiht keine leeren Worthülsen und rein extrinsisch motivierte Versprechen mehr. Arbeitnehmende sind sich ihres Wertes und ihrer Entscheidungsmöglichkeiten bewusst. Wer passende Fachkräfte an sich binden will, hat womöglich nur eine Lösung: eine ehrliche Unternehmenskultur.

Wirtschaftskrise versus smartes Recruiting

Die angespannte Lage am Kapitalmarkt führte zuletzt zu den ersten Entlassungswellen. Diese werden wir in den nächsten Monaten immer wieder erleben. Doch weder dem Fachkräftemangel noch dem Arbeitnehmermarkt wird dies ein Ende setzen. Die Prämisse wird sich nur noch mehr festigen. Es geht nicht um die Anzahl zu besetzender Stellen. Es geht darum, ob die Position optimal besetzt werden kann. Hohe Qualifizierung auf der Arbeitnehmerseite und die Fähigkeit, passende Talente zu detektieren und zu binden, auf Arbeitgeberseite ist das neue Supermatch. Das Leben einer gemeinsamen Vorstellung von sinnhafter Unternehmenskultur macht aus dem Match die Lovestory unserer Zeit.

Über die Autorin
Annika von Mutius ist Co-Founder & Managing Director von Empion, dem ersten automatisierten AI-basierten Headhunting-System für den Fachkräftemarkt, das Bewerber:innen und Unternehmen auf Basis von Skills, Werten und Persönlichkeitsmerkmalen matcht. Gemeinsam mit ihrer Co-Founderin Larissa Leitner bringt von Mutius Werte und Unternehmenskultur in den Fokus des Recruitings. Dazu haben sie gemeinsam mit Forschungsinstitutionen, führenden Unternehmen und Bewerber:innen eine Methode entwickelt, mit der Unternehmen ihre Werte und ihre Unternehmenskultur analysieren. Die Ergebnisse der Analyse können sie einerseits intern zur Stärkung ihrer Unternehmenskultur nutzen und andererseits extern zum Recruiting von Fachkräften, die zum Unternehmen passen.

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Foto (oben): Shutterstock