#Gastbeitrag
Wahr oder falsch – was steckt tatsächlich hinter gängigen M&A-Mythen?
Je länger ein Startup besteht, desto mehr erfolgskritische Situationen wird es erleben. Diese können sich erheblich auf die Geschäftstätigkeit, die Kundschaft und die Mitarbeitenden auswirken. Mehr noch bieten sie einen Nährboden für allerlei Spekulationen, die oft auf reinen Annahmen oder begrenzten Informationen beruhen. Ein Beispiel für solch eine erfolgskritische Situationen sind Übernahmen und Fusionen (M&A) zu. Doch was steckt tatsächlich hinter diesen Mythen?
Mythos 1: Die meisten M&A-Transaktionen scheitern aufgrund von finanziellen Gründen
Falsch. Natürlich spielen finanzielle Aspekte bei einigen erfolglosen M&A-Transaktionen durchaus eine Rolle, siehe die geplante Übernahme von Volkswagen durch Porsche. Der Deal scheiterte, weil Porsche nicht die erforderlichen Mittel aufbringen konnte. Tatsächlich missglücken die meisten Transaktionen allerdings aufgrund von strategischen oder kulturellen Faktoren. Selbst, wenn sich beide Seiten über den Preis einig sind. Der Grund: Ein fehlender Fit kann zu Konflikten und Problemen führen, die langfristig die Performance des Unternehmens beeinträchtigen können. Ein Paradebeispiel dafür ist etwa die Fusion von Daimler und Chrysler, eine der größten Zusammenschlüsse der Geschichte, die jedoch aufgrund von unterschiedlichen Unternehmenskulturen nicht zustande kam. Ebenfalls die Übernahme von Time Warner durch AOL im Jahr 2001 gehört in die Liste der M&A-Transaktionen, die aufgrund unterschiedlicher Geschäftsmodelle und Strategien fehlschlugen. Stimmen zwei Unternehmen hingegen strategisch und kulturell überein, findet sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch für die finanzielle Seite des Deals eine Lösung.
Mythos 2: Der Unternehmenskäufer muss sich allein um die Finanzierung kümmern
Ein weiterer Mythos, der sich nicht bewahrheitet. In der Realität kann der Verkäufer den Käufer nämlich durchaus unterstützen. Zum Beispiel, indem er den Zugang zu Kapitalgebern erleichtert. Dies geschieht etwa bei einem sogenannten Stapled Finance-Prozess, um die Akquisitionsfinanzierung sinnvoll zu strukturieren. Der Begriff „Staple Financing“ lässt sich im Deutschen in etwa mit „beigeheftete Finanzierung“ übersetzen. Im Investmentbanking wird damit ein Finanzierungspaket bzw. eine Finanzierungszusage bezeichnet, die im Rahmen von Unternehmensverkäufen durch Banken oder Finanzinvestoren im Auftrag des Verkäufers arrangiert werden. Sie wird möglichen Käufern unverbindlich und schriftlich zur Verfügung gestellt. Für den Unternehmensverkäufer verringert ein Stapled Finance das Risiko, dass die Verkaufsbedingungen während der Verhandlungen mit den Kreditgebern der Käuferseite noch einmal angepasst werden müssen.
Aber es gibt auch weitere Möglichkeiten, wie der Verkäufer dem Käufer bei der Finanzierung helfen kann. So kann er beispielsweise eine Bürgschaft für den Käufer übernehmen, als Garant für eine Finanzierung auftreten oder ein Verkäuferdarlehen gewähren.
Mythos 3: M&A-Transaktionen sind am erfolgreichsten, wenn ein Käufer die volle Kontrolle über das Zielunternehmen hat
Das trifft nur in Teilen zu. Für manche Deals mag es notwendig sein, dass der Käufer die vollständige Kontrolle über das Target bekommt. In anderen Fällen kann es aber auch sinnvoll sein, eine strategische Partnerschaft oder ein Joint Venture mit dem Zielunternehmen einzugehen. Diese Form der Zusammenarbeit kann Synergien und Vorteile wie etwa Kostensenkungen, ein minimiertes Risiko und neue gemeinsame Geschäftsmöglichkeiten für beide Unternehmen ermöglichen, ohne das eine Partei die Kontrolle abgibt. Strategische Partnerschaften oder Joint Ventures können zwischen etablierten Konzernen stattfinden, siehe Ford und Google, oder zwischen großen Unternehmen und Startups wie Pfizer und BioNTech.
Mythos 4: M&A-Deals sind nur in wirtschaftlich starken Zeiten sinnvoll
Eine Aussage, die nicht stimmt. Tatsächlich können M&A-Deals in wirtschaftlich schwierigen Zeiten durchaus sinnvoll sein. Zum Beispiel führen Unternehmen gezielt Akquisitionen in einer Rezession durch oder wenn sich ihre Branche im Umbruch befindet. Ziel ist es, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken oder attraktive Kaufgelegenheiten zu nutzen. Dies verdeutlicht die Übernahme von Jaguar Land Rover durch Tata Motors im Jahr 2008 inmitten der Finanzkrise. Wirtschaftlich herausfordernde Zeiten können somit neue Chancen eröffnen. In solchen Situationen ist es sogar möglich, dass ein kleineres, schnell wachsendes und profitables Unternehmen einen großen, in Schieflage geratenen Wettbewerber übernehmen kann.
Mythos 5: M&A bedeutet immer Entlassungen und Kosteneinsparungen
Nicht zwangsläufig. Zwar gibt es Beispiele, in denen M&A-Deals durchgeführt werden, um Synergieeffekte zu erzielen, Kosten zu senken und Effizienzsteigerungen zu erreichen. In diesen Szenarien kommt es zum Abbau von Arbeitsplätzen, weil doppelt besetzte Stellen gestrichen werden oder die Notwendigkeit besteht, Schulden abzubauen und die Kosten der Übernahme zu finanzieren. Allerdings kann eine M&A-Transaktion auch genau das Gegenteil bewirken. Dies trifft etwa auf Wachstumsbranchen zu. Aber ebenso, wenn Unternehmen durch eine Fusion ihre Marktposition stärken wollen, indem sie ihre geografische Reichweite erweitern oder ihr Produktspektrum diversifizieren. In diesen Fällen kann die Integration der Unternehmen dazu führen, dass die Zahl der Mitarbeitenden tatsächlich steigt, um das erweiterte Geschäftsfeld zu unterstützen.
M&A ist ein emotionales Geschäft
Dass es so viele falsche Annahmen rund um das Thema M&A-Transaktionen gibt, liegt nicht zuletzt an ihrer Komplexität. So erfordert der Verkauf eines Unternehmens rechtliche, finanzielle, steuerliche und operationale Expertise. Zudem sollte nicht außer Acht gelassen werden: M&A kann ein sehr emotionales Geschäft sein. Mit der Folge, dass Menschen irrational handeln und Falschinformationen verbreiten. Ein weiterer Grund für das Aufkommen von Gerüchten ist dem Umstand geschuldet, dass an einem Deal oft mehrere Parteien beteiligt sind. Ihre Interessen können mitunter höchst unterschiedlich ausfallen. In erfolgskritischen Situationen wie einer Übernahme oder Fusion ist es daher wichtig, sich auf die Fakten zu konzentrieren und Informationen von zuverlässigen Quellen zu beziehen.
Über den Autor
Kai Hesselmann ist Co-Founder und Managing Partner von DealCircle, einer ganzheitlichen Technologielösung mit der weltweit größten Datenbank von Such- und Kaufprofilen. Die überlegende Matching-Technologie macht das 2018 gegründete Hamburger Fintech bei der Käuferidentifikation und der Marktansprache zum präferierten Partner von hunderten M&A-Beratern. Sie erhalten Zugriff auf eine Big-Data-gestützte Käuferdatenbank mit über 250.000 Profilen (Family Offices, Private Equity, MBI und Unternehmen).
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