#Gastbeitrag

Zum Gründen gehört eine gehörige Portion Mut und übertriebener Optimismus

Ohne Risikobereitschaft bleibt der Erfolg aus. Man muss eine positive Einstellung und eventuell auch schon fast eine naive Überzeugung, alle Probleme lösen zu können, an den Tisch bringen. Ein Gastbeitrag von Seriengründer und Investor Markus Fuhrmann (Lieferheld.de, Delivery Hero, Gropyus).
Zum Gründen gehört eine gehörige Portion Mut und übertriebener Optimismus
Freitag, 31. März 2023VonTeam

Wer nie etwas riskiert, kann einerseits nicht scheitern, andererseits aber auch nichts verändern. Gründer:innen müssen deshalb über ein gewisses Maß an Risikobereitschaft verfügen. Was es beim erfolgreichen Gründen zu beachten gilt, wie es mit der Ansprache von Investor:innen klappt und warum sich europäische Geldgeber:innen noch viel vom amerikanischen Mindset abschauen können, möchte ich aus meiner Perspektive erzählen.

Ich kann mich noch gut an einen Dezembertag vor mehr als zehn Jahren in Berlin erinnern. Delivery Hero steckte damals noch in den Kinderschuhen. Ich saß in meiner frisch bezogenen Wohnung auf einer noch in Folie eingepackten Couch und konnte den Gedanken nicht loswerden, dass wir größer denken müssen, um überhaupt eine Chance auf dem Markt zu haben. Die Idee: Warum nicht die Konkurrenz für mehr als 40 Millionen Euro kaufen? Zu diesem Zeitpunkt hatten wir allerdings noch nicht einmal zehn Millionen Euro für unseren Essenslieferdienst eingesammelt. Zum Glück waren meine Mitstreiter auch gerade in der Stadt und so lud ich beide spontan zu mir ein und erzählte ihnen von meinen Gedanken. Ich nannte die Aktion “Operation Rudolph”, denn es war damals ein paar Tage vor Weihnachten und der Übernahmeversuch sollte zu einer Überraschung für einen großen und international tätigen Wettbewerber werden.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!

Diese Anekdote veranschaulicht deutlich, dass Risikobereitschaft zum Gründen wie das Amen zur Kirche gehört. Eigentlich war diese Aktion eher untypisch für mich, da ich in Bezug auf Geld nicht besonders risikofreudig bin. Aus meiner unternehmerischen Erfahrung weiß ich jedoch, dass sich eine mangelnde Risikobereitschaft auch negativ auswirken kann. Es braucht definitiv ein gewisses Maß an Wagemut, um bestimmte Dinge voranzubringen. In der Vergangenheit war ich schon ab und an mal zögerlich, bei “Operation Rudolph” ging der Plan allerdings auf. Ich wusste intuitiv, dass es an der Zeit war, einen großen Sprung zu machen. Natürlich läuft es nicht immer so: In mehr als 20 Jahren Unternehmertum habe ich einige Fehler gemacht und Rückschläge eingesteckt. Wichtig ist aber, dass diese nicht zu stark am Selbstbewusstsein nagen. Man darf nie vergessen, dass es viele smarte Leute gibt, die ebenfalls mit ihren Projekten gescheitert sind. Ich bin der Meinung, dass man, wenn man immer wieder aufsteht und hart arbeitet, vieles erreichen kann.

Deshalb ist es für Gründer:innen wichtig, keine existentielle Angst vor Misserfolgen zu haben und mit Fehlern richtig umzugehen. Jeder zusätzliche Schritt bedeutet, sein Netzwerk auszubauen, sich weitere Fähigkeiten anzueignen und seine Intuition zu schärfen. Darüber hinaus wird man emotional stabiler und baut Selbstbewusstsein sowie ein dickeres Fell auf. Für alle Gründer:innen, die weitermachen, zahlen sich solche Erfahrungen auf vielen Ebenen aus.

Auf Unberechenbarkeiten flexibel reagieren

Wenn man es genau nimmt, ist keiner meiner Pläne je zu 100 Prozent so aufgegangen wie anfangs erwartet. Ich hatte zwar immer eine bestimmte Vorgehensweise im Kopf, meistens kam es dann aber doch anders als ursprünglich gedacht. Deshalb ist es wichtig, flexibel zu sein und seinen Plan immer wieder anzupassen. Zeit braucht man, so gut wie immer, mehr als man denkt. Entscheidend ist es, dass man Fehler vermeidet, die fatal sind. Denn wenn man mit der Problemlösung nicht komplett daneben liegt, kann man mit einem guten Team und ausreichend Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein.

Mit einer gewissen Unberechenbarkeit muss man sich aber auf jeden Fall abfinden. Ich wundere mich beispielsweise auch heute noch, warum manche Dinge wirklich funktioniert haben und andere nicht. Wenn ich zudem vorher gewusst hätte, wie kompliziert und anstrengend gewisse Dinge sind, wie wenig man in manchen Phasen schläft oder wie viele Rechtsanwälte man für bestimmte Dinge benötigt, hätte ich auch leichter kalte Füße bekommen. Man muss eine positive Einstellung und eventuell auch schon fast eine naive Überzeugung, alle Probleme lösen zu können, an den Tisch bringen. Es gibt aber tatsächlich wenige andere Möglichkeiten, einen wirklichen Unterschied zu machen und etwas komplett Neues zu erschaffen. Weil es meiner Meinung nach allerdings kein Patentrezept für Erfolg gibt, halte ich auch nicht sonderlich viel von pauschalen Weisheiten. Folgende Tipps könnten aber für angehende Gründer:innen hilfreich sein und hätten mich in der Vergangenheit von dem einen oder anderem Fehler bewahrt:

  1. Holt die richtigen Partner:innen an Bord. Checkt Referenzen und Erfahrungen, lasst euch nicht blenden. Nehmt euch die Zeit, eure Gegenüber wirklich kennenzulernen.
  2. Betrachtet Dinge objektiv. In der Gründereuphorie übersieht man schnell etwas.
  3. Seid nicht zu zögerlich. Dies ist die größte Herausforderung: Nicht zu schnell loslegen, aber auch nicht alles zu Tode analysieren und am Ende aus Angst vor dem Scheitern gar nicht erst starten.
  4. Seid selbstsicher und glaubt an den Erfolg. Nur so hat man die innere Stärke und Ausdauer, Dinge langfristig zu verfolgen. Dadurch kann man hinter der eigenen Idee stehen und besser mit Investor:innen und Partner:innen verhandeln.
  5. Setzt den Fokus richtig. Gesteht euch ehrlich ein, was ihr könnt und was ihr nicht könnt. Mit zunehmender Erfahrung weiß man intuitiv, welche Aufgaben abgegeben werden können und auf welche Dinge man besser seine gesamte Aufmerksamkeit richten sollte.
  6. Übertreibt nicht. Geht Investor:innen-Pitches realistisch an und bauscht nichts auf. Spürt live, welche Aspekte eurer Problemlösung die Investor:innen bewegen und richtet den Fokus eures Pitches dynamisch daran aus.

Investor:innen erfolgreich überzeugen

Natürlich gilt es auch bei der Ansprache von Investor:innen eigene Erfahrungen zu sammeln und daraus zu lernen. Doch zumindest ein paar Ehrenrunden lassen sich vermeiden, wenn Gründer:innen gewisse Grundregeln kennen. Dass ein Pitch logisch und in sich konsistent aufgebaut sein sollte, versteht sich von selbst. Den Pitch in Echtzeit je nach Publikum anzupassen, ist die Königsdisziplin. Deshalb: Know your audience! Je besser ihr wisst, wen ihr vor euch habt, desto erfolgreicher wird die Präsentation.

Eine weitere Faustregel: Je größer die Vision, desto schwieriger ist es, Investor:innen davon zu überzeugen – vor allem in Europa. Gründer:innen mit ehrlich vorgetragenem Enthusiasmus und Authentizität kommen erfahrungsgemäß am weitesten.

Wie bei fast allen Dingen im Leben ist auch Fundraising eine Übungssache. Das ist vielleicht der wichtigste Rat, den ich aus mehr als 20 Jahren Finanzierungserfahrung geben kann. Man kann gar nicht genug pitchen. Ich habe in meinem Leben sicher schon bei mehr als 1000 Investor:innen und Partner:innen gepitched. Und dennoch weiß ich, dass man immer noch einen Call oder ein Meeting mehr machen könnte.

Am besten fängt man mit dem Pitch vor dem eigenen Team an und arbeitet sich dann zu Investor:innen mit geringer Erfolgswahrscheinlichkeit vor. Man trainiert somit bei Investor:innen, die nicht der “Perfect Fit” sind, um dann bei den Investor:innen zu überzeugen, die man unbedingt an Bord haben möchte.

Think big: vom amerikanischen Mindset lernen

Auch die Rahmenbedingungen, die ein Land Gründer:innen bietet, sind erfolgsentscheidend. Da die Startup-Szene in Österreich klein ist, gehen viele zum Gründen nach Deutschland. Hierzulande gibt es schlichtweg mehr potenzielle Kapitalgeber:innen und erfahrene Mitgründer:innen und Mitarbeiter:innen. Laut Statista flossen im Jahr 2021 rund 1,2 Milliarden Euro Kapital in österreichische Startups, während es in Deutschland 17,4 Milliarden – also ca. 15 x so viel – waren. Ein Eldorado für Gründer:innen sind allerdings weder Österreich noch Deutschland.

Wer verstehen will, warum die innovativsten Unternehmen oft aus den USA kommen, muss sich nur das Mindset der Investor:innen hier wie dort anschauen. Natürlich spielt auch die enge amerikanische Verzahnung von Spitzenforschung, Bildung und Privatwirtschaft eine wichtige Rolle. Während man in Deutschland fragt: Wie “wenig” Geld brauchst du maximal, damit das Unternehmen profitabel wird?“, lautet die Herangehensweise in den USA: “Wie viel Geld sollten wir noch in das Unternehmen investieren, damit es den Markt verändern und im besten Fall dominieren kann?”. Und genau diese Denkweise macht einen großen Unterschied.

Europäische Investor:innen stecken lange nicht so viel Geld in innovative und potenziell marktverändernde Unternehmen wie amerikanische. Vor allem im Bereich der digitalen Industrie verlieren wir kontinuierlich an Boden. Denn man scheint leider noch immer nicht zu verstehen, dass man in der Industrie zukunftsträchtige Ideen zunächst finanziell hochgradig fördern muss, bevor erste Umsätze generiert werden. Nicht ohne Grund gibt es hierzulande kein Tesla, SpaceX oder ähnlich erfolgreiches Industrie-Tech- Unternehmen wie in den USA.

Natürlich lässt sich nicht mit jeder Unternehmensidee Wert generieren, manchmal irren sich Investor:innen auch in ihrer Einschätzung. Aber ganz nach dem Motto “Wer nicht wagt, der nicht gewinnt”, gelingt amerikanischen Geldgeber:innen mit einer viel größeren Wahrscheinlichkeit ein Glücksgriff als europäischen, die aufgrund ihrer Risikoaversion oft Chancen verpassen. Denn Fakt ist: Ohne Risikobereitschaft bleibt auch hier der Erfolg aus.

Über den Autor
Markus Fuhrmann ist Entrepreneur und aktuell Gründer und CEO von Gropyus.

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Foto (oben): Shutterstock