#Interview
“Wir sind quasi der Thermomix für eingesetzte Software in Unternehmen”
Das Kölner Startup anny, das 2020 von Lucian Holtwiesche, Simeon Holtwiesche, Anna-Carina Jodlauk, Adriaan Wind und Oliver Wycisk in Aachen gegründet wurde, setzt auf ein Buchungssystem für Arbeitsplätze, Räume, Equipment oder Dienstleistungen. “Unsere Haupteinnahmen laufen über monatliche Lizenzgebühren und eine prozentuale Gebühr bei Online-Zahlungen. Bei großen Partnern und Kunden haben wir zusätzlich sogenannte White-Label und On-Premises Installationen”, sagt Gründer Wycisk zum Konzept.
Im Interview mit deutsche-startups.de sprechen Wycisk und Mitstreiter Lucian Holtwiesche außerdem über Wachstumsschmerzen, Insellösungen und den Kölner Karneval.
Wie würdest Du Deiner Großmutter anny erklären?
Holtwiesche: Wir beschäftigen uns mit Ressourcen, die zeitlich beschränkt und von vielen gemeinsam genutzt werden. Das können Veranstaltungsräume sein oder aber auch Geräte, wie ein Thermomix. Dieser ist beliebt und kann aber nur in einer Küche gleichzeitig genutzt werden. Wenn du ihn an alle deine Nachbarn verleihen willst, ist das wahrscheinlich ganz schön viel Koordinationsarbeit und du kannst schnell den Überblick verlieren. Wir haben das Problem an der Wurzel gefasst und erlauben es, jegliche Ressourcen oder auch Dienstleistungen dank unserer digitalen Plattform effizient zu teilen.
Wycisk: Wir sind quasi der Thermomix für eingesetzte Software in Unternehmen. Wir vereinen viele Funktionen in einer intuitiven Plattform und ersetzen dabei Insellösungen. Denn die verschiedenen Anwendungen machen alle das gleiche: Online Verwalten und Buchen von Terminen und Reservierungen.
Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Wycisk: Aus Gründersicht war es natürlich eine Herausforderung, zu Beginn einen langen Atem zu haben. anny ist ein von Beginn an ein gebootstrapptes Startup. Wir mussten mit sehr wenig Geld auskommen und haben jeden Cent reinvestiert, um weiter zu wachsen. Dieses schnelle Wachstum in so kurzer Zeit – wir sind ja erst gut zwei Jahre alt – erfolgreich zu managen und nicht dem Wachstumsschmerz zu erliegen, gehört auf jeden Fall auch zu den Herausforderungen eines jeden Gründers.
Holtwiesche: Aus technischer Sicht war es eine Herausforderung, eine Software zu schaffen, die in wenigen Wochen von vielleicht 100 Nutzern auf 100.000 Nutzer skaliert ist. Das hatten wir zum Teil alle noch nie vorher gemacht. Ein Tech-Startup bedeutete auch mal schlaflose Nächte.
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Wycisk: Wir haben verschiedene Einnahmequellen. Unsere Haupteinnahmen laufen über monatliche Lizenzgebühren mit über 2000 Kunden und eine prozentuale Gebühr bei Online Zahlungen. Wir wickeln über 15.000 Zahlungen im Monat ab. Bei großen Partnern und Kunden haben wir zusätzlich sogenannte White-Label und On-Premises Installationen. Die können dann unsere Technologie als Booking Engine und auf eigenen Servern nutzen.
Holtwiesche: Langfristig werden wir den größten Teil des Umsatzes durch Provisionen generieren, welche bei Buchungen auf unserem Marktplatz für Ressourcen und Services anfallen.
Wie ist überhaupt die Idee zu anny entstanden?
Holtwiesche: Aller Anfang war eine Event Ticketing Software, die wir für eigene Veranstaltungen geschrieben haben. Wir dachten damals schon: Wäre das nicht toll, alles für unsere Party an einem Ort zu verwalten und buchen zu können? Angefangen beim Equipment über das Catering bis zum Sicherheitspersonal. Man musste viel telefonieren, viele verschiedene Listen führen und alles selbst managen. Das hat uns fast den Spaß an der Party genommen. Als wir dann angefangen haben, im Coworking Space zu arbeiten, haben wir modernes Arbeiten durch Teilen von Büroräumen kennengelernt, aber auch erfahren, dass die Raumreservierungen ebenfalls sehr umständlich verwaltet werden mussten. An dem Punkt haben wir dann gemerkt: Das Online Verwalten und Buchen von Ressourcen ist eigentlich ein universelles Problem. Warum gibt es so viele Insellösungen? Wir haben dann das Problem an der Wurzel gepackt.
Wie hat sich anny seit der Gründung entwickelt?
Holtwiesche: Mehr als 2000 zahlende Kunden vertrauen uns mittlerweile. Zusätzlich kommen durch unser Freemium Modell noch sehr viele kostenlose Nutzer hinzu. Insgesamt haben wir mehr als 15 Millionen Buchungen abgewickelt und ganz besonders stolz sind wir über unseren letzten Meilenstein. Im vergangenen Halbjahr 2022 haben wir einen Umsatz von 3 Millionen erwirtschaftet.
Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Wycisk: Löse ein echtes Problem und stelle einen ersten Kunden vollständig zufrieden. Du merkst, dass deine Lösung richtig gut ist, wenn sie sich von alleine rumspricht. Vor allem aber: Anfangen und Machen, machen, machen und sich nicht darin verlieren, nur über eine coole Idee nachzudenken und sie in der Schublade verstauben zu lassen.
Holtwiesche: Du musst einen echten Mehrwert für deine Kunden schaffen – z.B. durch Effizienzsteigerung, Handlungsempfehlungen und natürlich Zeitersparnis. Positioniere dich in der Wertschöpfungskette deines Kunden und nicht nur als nice-to-have Produkt. So kannst du dich krisensicher aufstellen als unersetzlicher Partner für deine Kunden. Viel Konkurrenz ist übrigens auch ein gutes Zeichen. Es bestätigt, dass der Markt wirtschaftlich attraktiv ist. Du musst dich allerdings mit einem 10x besserem Produkt durchsetzen.
Wo steht anny in einem Jahr?
Wycisk: Wir planen horizontal zu skalieren und zu internationalisieren. Dazu planen wir eine Series-A Finanzierung aufzunehmen. Womöglich knackt unsere Teamgröße dann auch die 100 Personen Grenze. anny selber wird die Go-To-Plattform für das Teilen von Ressourcen sein.
Reden wir zudem noch über den Standort Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für Köln als Startup-Standort?
Wycisk: Kölner Karneval natürlich!
Holtwiesche: Wir kommen alle aus NRW und finden, dass Köln eine sehr schöne Stadt ist und viel mehr Möglichkeiten bietet als alle anderen Städte in NRW. Köln ist für uns Bodenständigkeit und Nachhaltigkeit in einem und nicht nur Hype. Außerdem treffen wir hier auf coole junge Talente – die wir übrigens weiterhin suchen.
Was ist in Köln einfacher als im Rest der Republik?
Wycisk und Holtwiesche: Kölsch trinken.
Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Holtwiesche: Ich wünsche mir mehr Digitalisierungsprojekte im öffentlichen Raum. Hier schlummert noch so viel Potential, gemeinsame Fläche oder auch Gegenstände effizienter zu nutzen und zu teilen. Außerdem spreche ich mich für steuerliche Vorteile für junge Unternehmen aus, die hohe Investitionen und Risiken eingehen möchten. Damit würde sich nicht nur Köln, sondern auch Deutschland wieder attraktiver als Startup Standort machen.
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