#Interview

“All diese Erfahrungen lehrten mich ein Unternehmen von Null aufzubauen”

Motor-Talk-Gründer Tom Kedor startet mit Autovio erneut durch. "Bei Motor-Talk habe ich viel darüber gelernt, wie man ein Unternehmen und ein Team aufbaut und führt. Rückblickend bin ich enorm dankbar für die vielen Lehrstunden und natürlich die eigenen Fehler", sagt der Seriengründer.
“All diese Erfahrungen lehrten mich ein Unternehmen von Null aufzubauen”
Montag, 19. September 2022VonAlexander

Das Berliner Startup Autovio, das von Carsten Eckmiller, Philipp Goebel, Amir Hadi und Motor-Talk-Gründer Tom Kedor gegründet wurde, digitalisiert die Fahrschul-Branche. Autovio setzt dabei auf Apps für Fahrlehrer:innen bzw. Fahrschüler:innen.Zudem kümmert sich das Startup auch um Marketing, Vertrieb, Kundenbetreuung und Rechnungsabwicklung. “Mit Autovio sparen Fahrschul-Betreiber:innen Kosten und Arbeit. Dafür erhalten wir einen Teil des Umsatzes”, erklärt Seriengründer Kedor das Konzept hinter Autovio.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Autovio-Macher außerdem über Bargeld, Wachstum und Lehrstunden- 

Wie würdest Du Deiner Großmutter Autovio erklären?
Autovio unterstützt Fahrlehrer:innen bei der Organisation und Digitalisierung ihrer Fahrschule. Das heißt wir kümmern uns um die komplette Fahrschülergewinnung und -betreuung, aber übernehmen auch die Rechnungserstellung und weitere administrative Aufgaben. Auch die Bezahlung wird über Autovio abgewickelt. Das alles machen wir komplett digital, online und per App. Fahrschüler:innen müssen also nicht mehr in die Fahrschule kommen, um ihren Vertrag abzuschließen oder Bargeld mitbringen, um die Fahrstunde zu bezahlen. Stattdessen lassen sich alle Vorgänge bequem über das Handy erledigen. Das macht die Terminvereinbarung, Bezahlung, Hausaufgaben, Prüfungsvorbereitung und so weiter für beide Seiten einfacher und schneller. So können sich die Fahrlehrer:innen voll auf die Ausbildung ihrer Fahrschüler:innen und das Firmenwachstum konzentrieren.

Wie wollt Ihr Geld verdienen, also wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Mit Autovio sparen Fahrschul-Betreiber:innen Kosten und Arbeit. Dafür erhalten wir einen Teil des Umsatzes. Wie hoch dieser Anteil ist, orientiert sich daran, wie viele Kosten die Betreiber:innen durch die Verwendung von Autovio einsparen können. Dadurch entstehen für Fahrschulen also keine höheren Kosten, als wenn sie nicht mit uns zusammenarbeiten, bei einer wesentlich besseren Leistung.

Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Die erste Hürde, die wir zu überwinden hatten, war definitiv den Betrieb einer Fahrschule komplett zu verstehen und jeden Aspekt davon kennenzulernen. Dazu haben wir eine Fahrschule in Baden-Württemberg eröffnet, die wir komplett betreiben. Dadurch haben wir viel gelernt. Zum Beispiel wann und wie Fahrschüler:innen am besten zu erreichen sind und dass die Beantragung von Führerscheinen in Deutschland leider noch immer nicht digital stattfindet. Unsere Fahrschule ermöglicht es uns, gemeinsam mit unseren Fahrlehrer:innen und -schüler:innen ein komplett digitales und zukunftssicheres Fahrschul-Konzept zu entwickeln. In dem Zusammenhang trafen wir auf eine Herausforderung: die noch immer sehr analoge Verwaltung. Zwar sieht das Onlinezugangsgesetz vor, dass der Führerschein in ganz Deutschland  bis Ende 2022 digital beantragt werden kann. Mit Ausnahme vereinzelter Pilotprojekte ist es jedoch bisher in keiner der Regionen, in denen wir aktiv sind, möglich den Antrag digital zu stellen. Im Gegenteil: es gibt noch nicht einmal einheitliche Formulare geschweige denn Antragsprozesse. Eine weitere Herausforderung waren die vielen Hürden bei der Gründung eines Start-ups. Für das Leasing von Neufahrzeugen, wie sie für eine Fahrschule benötigt werden, müssen extrem hohe Sicherheiten hinterlegt werden. Kreditlinien oder Bürgschaften zu erhalten, ist als junges Unternehmen jedoch nahezu unmöglich. Zur Bewertung, ob ein Unternehmen ein verlässlicher Partner ist, werden oft Businesspläne und BWAs gewünscht. Gerade bei venture-finanzierten Unternehmen, die einen starken Fokus auf Wachstum legen, ist die Kostendeckung oft noch Monate oder Jahre entfernt und erschwert dann eine langfristige Zusammenarbeit “weil das Unternehmen noch nicht solide genug erscheint”.

Wie ist überhaupt die Idee zu Autovio entstanden?
Meine Mitgründer und ich sind schon lange Jahre in der Mobilitätsbranche unterwegs. Wir haben hier in verschiedensten Umgebungen und bei unterschiedlichen Marktplätzen gearbeitet und waren immer neugierig, welcher Bereich  neu gedacht und verbessert werden kann. Außerdem fasziniert uns alle das Thema Digitalisierung und wie wir uns diese im Alltag zu nutzen machen können. Wir haben mit jungen Autofahrer:innen gesprochen und schnell gemerkt, dass das Absolvieren des Führerscheins für sie die größte Hürde beim Einstieg in die Mobilität ist. Auf der anderen Seite ist es für Fahrschulen nahezu unmöglich alle Prozesse selbständig zu digitalisieren und den immer neuen Erwartungen der Kund:innen gerecht zu werden. Es hat sich für uns gezeigt: Um den Einstieg in die Mobilität zu erleichtern, braucht es eine modernere Fahrschul-Erfahrung für Fahrschüler:innen, die gleichzeitig den Fahrschul-Unternehmer entlastet und zukunftssicher aufstellt. Also das perfekte Thema für Digitalisierungs- und Mobilitätsexperten wie uns.

Wie oder wo hast Du Deine Mitgründer:innen kennengelernt?
Ich habe Autovio gemeinsam mit Philipp, Carsten und Amir gegründet. Philipp war einer der ersten Entwickler bei Motor-Talk und wir haben seit 2007 sehr eng und erfolgreich zusammengearbeitet. Während seiner Zeit bei eBay Kleinanzeigen und dann als CTO/CPO bei doctari sind wir immer in Kontakt geblieben. Als die Überlegungen zu Autovio Ende 2020 konkreter wurden, war er der Erste, den ich gefragt habe. Carsten habe ich 2015 im Rahmen unseres Exits an mobile.de kennengelernt. Gemeinsam haben wir bis 2019 den Bereich Consumer bei mobile.de auf- und ausgebaut. Während meines Sabbaticals und seiner Zeit als Head of Product bei HomeToGo waren wir immer im Kontakt. Amir habe ich 2021 über eine gemeinsame Bekannte kennengelernt. Er war sehr früh bei Tier mobility als Entwickler dabei und hat das Tech-Team mit aufgebaut und verantwortet. Was ich besonders an ihm schätze, ist die Kombination aus technischer Expertise und sozialer Kompetenz, die nötig ist, um ein top Tech-Team aufzubauen und zu führen.

Vor Autovio hast Du bereits Motor-Talk aufgebaut. Was reizt Dich, wieder ein Startup hochzuziehen?
Bei Motor-Talk habe ich viel darüber gelernt, wie man ein Unternehmen und ein Team aufbaut und führt. Rückblickend bin ich enorm dankbar für die vielen Lehrstunden durch Expert:innen, Mitarbeiter:innen, Gesellschafter:innen und natürlich die eigenen Fehler. Würde ich mit Motor-Talk heute starten, würde ich eine Menge anders machen. In meiner Zeit bei mobile.de habe ich gesehen, wie große Unternehmen funktionieren. Insbesondere der Umgang mit Budgets, Zielen, Risiken und Entscheidungen ist schon sehr bedacht. Als Angel Investor begleite und berate ich Gründer:innen-Teams auf ihrem Weg und kann diese Erfahrungen einbringen. Letztlich müssen die Gründer:innen die Probleme aber selbst lösen.  All diese Erfahrungen, aber Motor-Talk im Besonderen, lehrten mich ein Unternehmen von Null aufzubauen. Ein fundamentales Problem auf eine neue Art zu lösen und damit Geld zu verdienen. Ein Team aufzubauen, dass respektvoll und offen miteinander umgeht und Spaß hat, komplexe  Probleme kreativ zu lösen. Das alles gibt mir Kraft und macht mir Spaß – außerdem passt es gut zu meinen Stärken.

Wo steht Autovio in einem Jahr?
In einem Jahr wird Autovio zu einem Qualitätsmerkmal geworden sein. Fahrschüler:innen lieben die Fahrschul-Erfahrung in Autovio-Fahrschulen und wissen, dass diese exakt die Attribute erfüllen, die ihnen wichtig sind. Für Fahrerlehrer:innen steht Autovio als neuartiges Fahrschul-Konzept: für Zukunftssicherheit und Einfachheit. Außerdem wird sich gezeigt haben, dass Autovio-Partnerfahrschulen schneller wachsen als andere Fahrschulen – das macht Autovio in der Branche als Wachstumspartner für Fahrschulen bekannt.

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Foto (oben): Autovio 

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.