#Gastbeitrag

Krise: Gebeutelt rein, resilient wieder raus

Die Zeiten werden rauer. Das Geld liegt nicht mehr einfach so auf der Straße. VCs müssen höhere Zinsen bedienen und überlegen sich genau, wo sie investieren. Jetzt helfen Erfahrung und solides Handwerk - Corporate Startups können ein Vorbild sein, resilient aus der Krise zu kommen. Ein Gastbeitrag von Oliver Kemmann. 
Krise: Gebeutelt rein, resilient wieder raus
Freitag, 16. September 2022VonTeam

Auf die Erfahrung kommt es eben doch manchmal an. Vor allem dann, wenn die See rau wird. Und das ist gerade der Fall. Businessinsider hat es vor einiger Zeit geschrieben: Das Investitionsklima ist längst nicht mehr so gut, wie es in den vergangenen Jahren war. Viele Startups trennen sich von Mitarbeiter:innen, um schneller profitabel zu werden. Interessant ist das vor allem, weil das vergangene Jahr noch völlig anders aussah und jetzt schon rückblickend als das „goldene Jahr der Einhörner“ bezeichnet wird. Diese Entwicklung trifft viele junge Unternehmen empfindlich – aber nicht alle gleich. Ich beobachte, dass Startups, die aus Traditionsunternehmen ausgegründet worden sind, oft resistenter dastehen. 

Gründe dafür gibt es viele und sie sind relativ schnell erklärt: Die Gründer:innen bringen in der Regel mehr Erfahrung mit, kennen ihre Branchen besser und haben oft schon im Mutterkonzern gelernt, wie Transformation und Krisenmanagement funktionieren können. Viele dieser Corporate-Startups haben schlicht oft auch ein dickeres finanzielles Polster, kriegen weniger Druck von Investor:innen und haben sich von Anfang an realistischere Ziele gesetzt. Man kennt den Markt, der Markt kennt einen – wenn es hart auf hart kommt, ist das unschlagbar. 

Ich begleite seit 25 Jahren vor allem Corporate-Startups, also Start-Ups, die aus reifen Unternehmen heraus gegründet werden, und mittelständische Unternehmen dabei, Krisen zu durchschiffen. In dieser Zeit sind mir einige Dinge aufgefallen, wo sich meiner Meinung nach die Spreu vom Weizen trennt und die jungen Startups lernen sollten: 

Hausaufgaben gemacht:  Coprorate Start-Ups sind nicht selten das Produkt systematischer Innovationsarbeit in bestehenden Unternehmen. Mit Tools wie dem Business Modell Canvas und einer sauberen Kundenzentrik (Value Proposition Canvas (VPC), Flywheel) machen Corporate StartUps zuerst mal ihr Hausaufgeben, bevor sie an den Markt gehen. Mit MVPs (Minimal Viable Products) sind die Marktchancen schon ausgetestet, bevor ein gestandenes Unternehmen wirklich anfängt, ein Spin Off mit Kapital auszustatten und in den Markt zu entlassen. Hier kann man sich also schon das erste Mal etwas abschauen. Zumal Tools und Methoden, wie das MVP, BMC und das VPC bei innovativen und umsetzungs-starken Kommunikationsdienstleistern ebenfalls zum Repertoire gehören und es diesen damit leicht fällt, sich bereits sehr früh im Reifungsprozess eine Start-Ups einzuphasen und an den entscheidenden Punkten mitzuhelfen.

Externe Dienstleister führen: Wer weiß, wo er hin will, und wer weiß, wie er dieses Ziel erreichen kann, sucht sich die Partner, mit denen er zusammenarbeitet, genau aus. Es geht darum, Partneragenturen zu finden, die zum Unternehmen passen und ab einer gewissen Reife geht es auch nicht mehr darum, etwa eine Agentur zu finden, die einem auf Zuruf alles erledigt, sondern darum, eine Agentur zu finden, die von außen auf das Unternehmen blickt und die Chefetage in ihren Ideen challenged und aktiv weiterbringt. Sich selbst zu hinterfragen, erfordert aber immer auch zum einen eine gewisse Gelassenheit, zum anderen aber auch Selbstsicherheit. Müssen Dienstleister sich vor cholerischen Chef:innen rechtfertigen, ist das ein Anzeichen dafür, dass etwas gewaltig nicht stimmt. 

Einer für alles: Aus Erfahrung handeln heißt nicht nur, einem Plan zu folgen, sondern diesen auch wieder umwerfen zu können. Vielen jüngeren Führungskräften fällt das schwer. Denn in vielen Fällen ist es doch so, dass in einem Plan, hinter einer Strategie jahrelange Arbeit steckt. Wie soll man den Mitarbeiter:innen verkaufen, dass jetzt auf einmal alles anders ist? Wie kann man diese mitnehmen und auch dann noch begeistern, wenn’s holprig wird? Die Antwort ist: Das ist harte Arbeit, aber auch kein Hexenwerk. Klare, offene und zielgerichtete Kommunikation hilft. Externe Dienstleister auch, denn sie sind in der Lage, die Vogelperspektive einzunehmen und können so oft besser bewerten, was gerade gebraucht wird. Und: Eine passende Agentur, die den eigenen Laden kennt, ist besser als drei, die gegeneinander arbeiten. Corporate-Startups tendieren meiner Erfahrung eher dazu, einen Partner an Broad zu holen und nicht für jede Disziplin einen Spezialisten. Einen vertrauenswürdigen Generalisten mit entsprechenden breitem Portfolio und den wichtigsten Ressourcen, der schnell regieren und Dinge ausprobieren kann, MVPs und Fassaden bauen, Produkte, Kommunikationsmedien und Kundenansprachen schnell adaptieren kann. 

Kollaborativ arbeiten: In Unternehmen mit erfahreneren Führungsteams sind Aufgaben klarer geregelt. Product Owner haben die Prozesse in der Hand und kennen sich aus. In den Zeiten, die da womöglich gerade auf uns zukommen, ist das ein weiterer Schlüssel zu Erfolg. Denn nur klare Zuordnungen und Strukturen erlauben am Ende kollaboratives und agiles Arbeiten. Und genau das braucht es jetzt. 

Ob die fetten Jahre wirklich erstmal vorbei sind, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Sich darauf vorzubereiten, lohnt sich aber dennoch und ist immer besser, als nachher kalt erwischt zu werden. Corporate-Startups sind oft Konstrukte, die gegründet werden, damit Produkte getestet werden können, ohne dass das Mutterschiff im Zweifelsfall Schaden nimmt. Junge Unternehmer:innen können sich dieses Gedankengut in der Krise zum Vorbild nehmen – schließlich sind auch sie Pionier:innen in einem meist unerschlossenen Markt. Rückgriffe auf Bekanntes und Erprobtes könnte in den kommenden Monaten Arbeitsplätze sichern und über Wohl und Wehe entscheiden. Und: Es gibt keinen Grund, warum auch junge Startups nicht resilienter aus der Krise kommen können als sie reingegangen sind. Die Tools dafür sind da. 

Über den Autor
Oliver Kemmann ist ein deutscher Unternehmer und Pionier der digitalen Kommunikation aus Mainz, Deutschland. Nach seinem Master an der RWTH Aachen und seiner Promotion als Ingenieur gründete Oliver Kemmann 1998 die innovative Digital- und Filmberatung KEMWEB mit. Mit den ersten Live-Streaming-Projekten im Jahr 2000 und der Entwicklung mobiler Anwendungen seit 2003 trägt er den Titel Pionier zu Recht. Angetrieben von Neugier und einer agilen Denkweise hilft er KMUs und (Corporate-) Start-ups mit innovativen Kommunikationsstrategien, in einer digitalen Welt erfolgreich zu sein. Nach seinen frühen Erfahrungen mit Web 1 und auch Web 2 wendet er sich derzeit dem Web 3 zu, um die Auswirkungen des Metaverse auf unsere Umwelt, unsere Arbeit und unsere Gesellschaft zu diskutieren. Er kuratierte und moderierte die diesjährige Konferenz “Business to Metaverse” in den KEMWEB Digital Studios in Mainz. Seit 2018 moderiert er seine eigene Podcast-Show “the Digital Sofa” und ist regelmäßig als Autor und Speaker unterwegs.

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Foto (oben):  Shutterstock