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“Als Gründer ohne fremdes Geld haben wir anfangs alles selbst gemacht”

Hinter dem gebootstrappten Unternehmen fobizz verbirgt sich ein Fortbildungszentrum für Lehrkräfte. "Gestartet sind wir 2018. Heute ist das Team auf 26 Personen gewachsen und im vergangenen Jahr war unser Umsatz siebenstellig", sagt Gründerin Theresa Grotendorst.
“Als Gründer ohne fremdes Geld haben wir anfangs alles selbst gemacht”
Dienstag, 28. Juni 2022VonAlexander

Das Hamburger Startup fobizz, das 2018 von Theresa Grotendorst, Philipp Knodel und Diana Knodel gegründet wurde, setzt auf Online-Fortbildungen für Lehrkräfte. “Bisher waren Fortbildungen immer in Präsenz. Dafür ist Unterricht ausgefallen, Du musstest teilweise weite Strecken fahren. Außerdem gibt es zum Einsatz digitaler Medien in Schulen oft keine passenden Fortbildungen. Diese Lücke schließen wir mit unserem Angebot. Lernen kannst Du online, wann Du willst, wo Du willst und was Du willst”, erklärt Gründerin Grotendorst das Konzept.

Ihr Unternehmen, 26 Mitarbeiter:innen beschäftigt und einen siebenstelligen Umsatz erwirtschaftet, haben die Hanseat:innen bisher ohne fremde Geldgeber aufgebaut. “Wir hatten schnell einen MVP entwickelt mit dem wir direkt Kund:innen gewinnen und erste Umsätze verbuchen konnten. Wir haben gemerkt: Unser Geschäftsmodell funktioniert und ist skalierbar. Eigentlich waren wir ab Jahr zwei profitabel und es war klar, dass wir für das aktuelle Angebot keine externe Finanzierung benötigen”, sagt Grotendorst.

Im Interview mit deutsche-startups.de sprechen die fobizz-Gründerinnen Grotendorst und Diana Knodel außerdem über Vertriebsprozesse, Gründungsförderung und Recruiting.

Wie würdest Du Deiner Großmutter fobizz erklären?
Grotendorst: Stell Dir vor, Du bist Lehrerin. Weil sich in der Schule vor allem im Bereich Digitalisierung viel verändert, musst Du Dich immer wieder in neue Themen einarbeiten. Bisher waren Fortbildungen immer in Präsenz. Dafür ist Unterricht ausgefallen, Du musstest teilweise weite Strecken fahren. Außerdem gibt es zum Einsatz digitaler Medien in Schulen oft keine passenden Fortbildungen. Diese Lücke schließen wir mit unserem Angebot. Lernen kannst Du online, wann Du willst, wo Du willst und was Du willst.

War dies von Anfang an Euer Konzept?
Knodel: Klar war von Anfang an, dass es eine Online-Plattform sein sollte, auf der Lehrkräfte für andere Lehrkräfte Fortbildungen geben. Auch der Product-Market-fit war schnell gefunden. Die Plattform selbst passen wir immer wieder an. Zum Beispiel haben wir inzwischen Schullizenzen eingeführt, also einen Admin-Bereich entwickelt, über die die Verantwortlichen der Schulen ihren fobizz-Zugang verwalten können. Auch die Vertriebsprozesse haben wir Schritt für Schritt automatisiert und die Betreuung unserer Autor:innen standardisiert.

Wie genau funktioniert denn Euer Geschäftsmodell?
Knodel: Es gibt einen Marktplatz mit zwei Seiten – eine für Kund:innen, eine andere für Autor:innen – mit einer Software-as-a-Service-Plattform in der Mitte. Unser Go-to-Market lief B2C über einzelne Lehrkräfte. Mittlerweile generieren wir aber im B2B-Bereich unseren größten Umsatz: Schulen, Schulträger und teilweise sogar ganze Bundesländer gehören zu unseren Kunden.
Die Autor*innen sind in der Regel selbst Lehrkräfte, also vom Fach, wie man so schön sagt. Das ist uns wichtig. Sie erstellen die Online-Fortbildungen und werden dabei von uns begleitet. So gewährleisten wir die gewünschte Struktur und auch die Qualitätssicherung. Bezahlt werden sie über ein Revenue-Share-Modell, quartalsweise je nach Anzahl der Fortbildungen und Einschreibungen.

Wie ist überhaupt die Idee zu fobizz entstanden?
Grotendorst: Wir haben bereits vor der Gründung immer wieder Fortbildungen für Lehrkräfte gegeben, beispielsweise zur App-Entwicklung oder den Einstieg in die Programmierung. Teilweise sind wir dafür acht Stunden mit dem Zug angereist, um für zehn Personen einen 90-minütigen Workshop zu geben. Irgendwann dachten wir uns, das muss anders gehen. Und da wir aus der digitalen Produktentwicklung kommen, Diana war bei Xing, ich bei Gruner & Jahr, haben wir beschlossen, eine Plattform zu bauen und dort Online-Kurse für Lehrkräfte anzubieten.
Das kam von Anfang an super an – vor allem bei den Lehrkräften, die schon sehr digital unterwegs waren. Schnell wurde uns klar, dass wir nicht nur unsere eigenen Themen anbieten, sondern eine Plattform für alle Lehrkräfte bereitstellen wollen, auf der sie ihr Wissen und ihre Kenntnisse mit anderen teilen können.

Wie hat sich fobizz seit der Gründung entwickelt?
Knodel: Gestartet sind wir 2018 zu dritt als Gründerteam. Bereits ein Jahr später haben wir erste kleinere Umsätze generiert und bekamen eine mittlere fünfstellige Gründungsförderung durch die Wirtschaftsförderung Hamburg. Heute ist das Team auf 26 Personen gewachsen, wir haben aktuell 200.000 Nutzer:innen und im vergangenen Jahr war unser Umsatz siebenstellig.

Ihr habt fobizz bisher ohne Fremd-Finanzierungen und Kapitalgeber aufgebaut. War dies von Anfang an eine bewusste Entscheidung?
Grotendorst: Ehrliche Antwort: Es war keine bewusste Entscheidung. Das hat sich in den ersten Monaten so ergeben. Wir hatten ja schnell einen MVP entwickelt, also ein minimal funktionales Produkt, mit dem wir direkt Kund:innen gewinnen und erste Umsätze verbuchen konnten. Wir haben gemerkt: Unser Geschäftsmodell funktioniert und ist skalierbar. Eigentlich waren wir ab Jahr zwei profitabel und es war klar, dass wir für das aktuelle Angebot keine externe Finanzierung benötigen.

Wie war der Start ohne fremdes Geld – was geht recht einfach, was ist als Bootstrapping-Startup recht schwierig?
Knodel: Als Gründer ohne fremdes Geld haben wir anfangs alles selbst gemacht. Das ist natürlich anstrengend, weil es an alle Ecken und Enden etwas zu tun gibt. Gleichzeitig mussten wir uns absolut fokussieren und schnell ausprobieren. Sobald wir Umsätze hatten, konnten wir das Team aufbauen, aber eben nur Schritt für Schritt, finanziert aus dem Cashflow. Fremdfinanziert kann man das sicher etwas beschleunigen. Dennoch würden wir nicht sagen, der eine oder der andere Weg ist der bessere. Für uns war es so einfach der passende Weg. Heute sind wir an einem Punkt, an dem wir ganz selbstbewusst sagen können, wir können schnell aus dem Cashflow wachsen, ohne dass wir eine externe Finanzierung brauchen. Das kann in einem Jahr anders aussehen, aktuell aber steht unser Unternehmen sehr solide da.

Gab es denn viele Dinge, die Ihr einfach nicht umsetzen konntet, weil das Geld fehlte?
Grotendorst: Sicher. Am Anfang konnten wir beispielsweise kein Geld für die Unterstützung durch Externe ausgeben, zum Beispiel für Agenturen oder Freelancer im Bereich Marketing, PR und Recruiting. Wir haben uns daher sehr stark auf das Produkt fokussiert. Vielleicht sind wir deshalb etwas weniger sichtbar in der Öffentlichkeit, haben aber ein Produkt, das unsere Kund*innen lieben.

Was rätst Du anderen Gründer:innen, die sich für Bootstrapping entscheiden?
Grotendorst: Bootstrapping ist sicherlich nicht in allen Bereichen möglich. Aber wenn man im Gründungsteam alle wichtigen Kompetenzen vereint und keine teure Hardware oder Ähnliches benötigt, ist das eine super Möglichkeit, ein Business aufzubauen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Knodel: An einem Punkt dachten wir, der (schulische) Bildungsmarkt sei zu kompliziert und wir bräuchten noch ein “zweites Standbein”. Wir haben dann tatsächlich parallel eine weitere Plattform entwickelt und auch eine neue GmbH mit gleichem Gesellschafterkreis gegründet. Die Idee der neuen Plattform war, dass jede:r sein bzw. ihr Wissen in Form von Online-Kursen und digitalen Produkten teilen kann. Wir hatten einen MVP und auch schon erste Kund:innen. Doch dann ging es bei fobizz auf einmal richtig rund. Mit beiden Produkten waren wir schnell ganz schön am Limit. Letztendlich haben wir uns daher entschieden, uns auf fobizz zu fokussieren und das andere Produkt wieder zu beenden. Das war kein einfacher Prozess.

Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Knodel: Hier fallen mir spontan drei Dinge ein: Hiring – wir haben ein großartiges Team -, unser hoher Qualitätsanspruch bei den Fortbildungen und bei allem rund um fobizz und schließlich unsere eigene Plattform, die wir genau auf die Bedürfnisse der Kund:innen und Schulen zuschneiden können.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Knodel: Ganz wichtig: Sucht Euch ein Thema, für das Ihr leidenschaftlich brennt. Denn fürs Gründen benötigt Ihr Durchhaltevermögen. Brennt Ihr für das Thema, fühlt sich das an wie das Schönste, das Ihr machen könnt, und nicht wie Stress. Super ist es, sich eine zweite Person zum Gründen zu suchen. Dann könnt ihr die Erfolge, aber auch die Ärgernisse teilen. Außerdem ist es von unschätzbarem Wert, frei in der Gestaltung Eures Startups zu sein und die Selbstwirksamkeit im Unternehmertum jeden Tag ausschöpfen zu können.
Theresa: Für mich eine der wichtigsten Erkenntnisse ist: Alle kochen nur mit Wasser! Trau’ dir selbst etwas zu und sag’ ja zu Unbekanntem. Lerne mit Unsicherheiten umzugehen, denn das bringt besonders in schwierigen Phasen – ob während des Gründens oder überhaupt im Leben – Leichtigkeit und stärkt die Zuversicht.

Wo steht fobizz in einem Jahr?
Knodel: Wir planen unser Produkt-Portfolio auszuweiten und werden neben Fortbildungen noch andere Produkte im Angebot haben, unter anderen Digitale Tools für Schulen.

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Foto (oben): fobizz, Tom Wiedemann

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.