Von Team
Donnerstag, 9. Juni 2022

Stellenabbau: Was Gründer:innen unbedingt wissen müssen

Zahlreiche Unternehmen haben kürzlich im großen Umfang Mitarbeitende entlassen. Gründer:innen sollten einen Stellenabbau gut vorbereiten – andernfalls droht ein meist juristisches Nachspiel, das teuer werden kann. Ein Gastbeitrag von Alicia von Rosenberg.

Gorillas, Klarna und Kontist: Zahlreiche Unternehmen haben kürzlich im großen Umfang Mitarbeitende entlassen. Gründer:innen sollten einen Stellenabbau gut vorbereiten – andernfalls droht ein meist juristisches Nachspiel, das teuer werden kann. Alicia von Rosenberg ist Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei für Arbeitsrecht in Berlin. Sie erklärt, worauf Arbeitgebende Acht geben müssen, wenn sie planen, ihre Mitarbeiterzahl zu reduzieren.

Auf die Begründung kommt es an

Arbeitnehmende in Deutschland genießen hohen Kündigungsschutz. „Hire and fire“ ist hierzulande allenfalls während der Probezeit und in Kleinunternehmen möglich – ein Hindernis, das insbesondere VCs aus Übersee häufig übersehen. Dennoch: Wer Stellen abbauen möchte oder muss, sollte ein besonderes Augenmerk auf die Begründung legen.

Wichtig ist, dass man sich auf sog. innerbetriebliche Umstände stützt. Scheitert zum Beispiel eine Finanzierungsrunde und muss der Betrieb deshalb dauerhaft verkleinert werden, dürfen Stellen abgebaut werden. Dasselbe gilt, wenn ein Unternehmen sich aus einem Geschäftsbereich dauerhaft zurückzieht und deshalb weniger Mitarbeitende benötigt.

Mit Vorsicht zu genießen sind sog. außerbetriebliche Umstände. Damit ist etwa ein Umsatzrückgang o.ä. gemeint. Floskeln wie „wir sehen uns aufgrund der Auftragslage zu diesem Schritt gezwungen“ haben schon manch eine Kündigung zu Fall gebracht.

Ganz wichtig: Ein gutes Kündigungsschreiben enthält keine Begründung. Erst vor Gericht muss man sich näher zur Entlassung äußern. Das Kündigungsschreiben sollte deshalb kurzgehalten sein, damit hält man sich die Argumentation offen. Nur gegenüber Auszubildenden und in anderen Sonderfällen ist eine Begründung zwingend.

Welchem Mitarbeiter kann ich kündigen?

Man kann nicht beliebig jedem Mitarbeitenden kündigen, maßgeblich ist die sog. Sozialauswahl. Man hat also vorrangig Mitarbeitende zu entlassen, die sozial am wenigsten schutzwürdig sind. Die ausschlaggebenden Kriterien sind das Alter, Unterhaltspflichten, Behinderungen und die Dauer der Beschäftigung im Betrieb.

Die Sozialauswahl zwängt Unternehmen häufig in ein enges Korsett. Allerdings bleibt bei guter Gestaltung etwas Spielraum. Man entscheidet (in gewissen Grenzen) über die Einzelheiten der Auswahl und darf besondere Talente im Betrieb halten. Außerdem gilt: Entlassungen von schutzwürdigen Arbeitnehmenden sind nicht unmöglich, sondern bloß teurer.

Vorsicht während der Kündigungsfrist

Gerade in Startups geht es dynamisch zu. Während der eine Geschäftszweig eingestellt wird, entsteht womöglich schon ein neuer. Nach einem Stellenabbau ist hier Vorsicht geboten. Schaffen man neue, vergleichbare Stellen, kann der entlassene Mitarbeitende seine Wiedereinstellung verlangen. Man darf die Stelle dann nicht mit neuen Bewerbenden besetzen. Zumindest gilt dies während der Kündigungsfrist. Nach deren Ablauf hat man wieder freies Spiel.

Arbeitsagentur informieren

Entlässt man innerhalb von 30 Tagen viele Arbeitnehmende, muss man der Arbeitsagentur Anzeige erstatten. Geschieht dies nicht mit ausreichendem Vorlauf vor der Kündigung, sind sämtliche Entlassungen angreifbar. Ob old oder new economy: An den Feinheiten der sog. Massenentlassungsanzeige ist schon so mancher Stellenabbau gescheitert. Die Folge sind hohe Kosten. Auch hier zeigt sich also, dass eine gute Vorbereitung viel wert ist.

Gibt es einen Betriebsrat?

Falls ja, ist der Aufwand deutlich höher. Die Mitarbeitervertretung muss umfassend und frühzeitig in den Stellenabbau einbezogen werden. Unumgänglich ist ein Sozialplan, der oftmals Abfindungen vorsieht und vom Betriebsrat notfalls erzwungen werden kann. Auch über das Wie und Wann des Stellenabbaus muss mit dem Betriebsrat verhandeln werden. Anders als beim Sozialplan kann das Gremium hier eine Einigung aber nicht erzwingen. Hinzu kommen frühzeitige Beratungen sowie Anhörungen zu jeder einzelnen Kündigung.

Gibt es attraktivere Alternativen?

Ja. In vielen Fällen ist es sinnvoller, den Mitarbeitenden von einem Aufhebungsvertrag zu überzeugen. Stimmt der Arbeitnehmende zu, ist das Arbeitsverhältnis nahezu unangreifbar beendet. Aber auch Gespräche über einen Aufhebungsvertrag sollten gut vorbereitet. Die Zustimmung des Mitarbeitenden zum Aufhebungsvertrag gibt es selten kostenfrei, um eine Abfindung oder vergleichbare Leistungen kommt man häufig nicht herum. Aber dazu kommt es in der Regel aber auch im Rahmen einer Kündigung.

Kündigt man, muss man dann mit einem langwierigen und teuren Gerichtsprozess rechnen. Monate und teils sogar Jahre der Ungewissheit sind die Folge – für Gründer ein Graus. In aller Regel enden Kündigungsprozesse mit einem sog. Vergleich, also einer Einigung vor Gericht. Darin lässt der Entlassene seine Klage fallen, akzeptiert damit die Kündigung und erhält im Gegenzug eine Abfindung. Wenn ein Aufhebungsvertrag gelingt, muss man sich hingegen über die Sozialauswahl oder neue Projekte während der Kündigungsfrist keine Sorgen mehr machen.

Über die Autorin
Alicia von Rosenberg ist Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei für Arbeitsrecht in Berlin.

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