#Interview
“Morgens gehe ich als Erstes im Schlafanzug in den Stall”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Natalie Rechberg-Egly, Gründerin von Daysy, einem Zyklustool.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Morgens gehe ich als Erstes im Schlafanzug in den Stall, um die Pferde zu füttern. Da bekomme ich immer direkt gute Laune. Dann mache ich die Kinder fertig und fahre ins Büro oder setze mich im Homeoffice an den Rechner. Ich habe zwei tägliche Reminder in meinem Kalender. Einer davon lautet “Imagine the Woman you want to be and start showing up as her”, der andere “Was wir heute denken und tun, bestimmt unsere Zukunft”. Außerdem nehme ich mir jeden Morgen die Zeit, um etwas Sinnstiftendes zu tun: Ich nehme mir ein konkretes Problem vor und löse es. So beginne ich den Tag produktiv.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Abends nehme ich mir Zeit und setze mich aktiv mit meinen Zielen und Träumen auseinander. Das hilft, den inneren Kompass auf Spur zu halten und in die richtige Richtung zu steuern. In stressigen Situationen sage ich mir immer “Atme durch und schlaf drüber.” Am nächsten Tag, wenn sich die Gedanken einmal gesetzt haben, sieht man häufig klarer. Komplett abschalten und Arbeit von Privatleben trennen kann ich als Gründerin sowieso nie. Aber mir macht die Arbeit Spaß, deswegen ist das für mich kein Problem – solange meine Familie und die Quality Time mit meinen Jungs nicht darunter leidet. Mein Mann und ich verbringen immer wieder Nächte mit Whiteboard & Co. in unserem “Home Think Tank” und schmieden Pläne. Wir haben hier keine strikte Trennung. Es kommt eben, wie es kommt.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Wenn man gründen und damit seine Passion und Vision verwirklichen möchte, dann sollte man es einfach tun und sich den Herausforderungen stellen, die natürlich auch oft ganz unerwartet auf einen zukommen. Es ist einfach so, dass man nie genau wissen kann, wie es kommt und das ist auch völlig ok. Mit der Zeit lernt man, sich wie ein Chamäleon an die Begebenheiten anzupassen. Und einmal gestartet kann man nicht aufhören – im positiven Sinne! Es ist eine tolle Herausforderung und ich würde jedem, der gründen will, dazu raten, es zu tun.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Eine der größten Herausforderungen war für mich, die richtigen Leute zu finden, die mich unterstützten und an meine Vision glaubten. Dazu gehörte auch, meinen Vater zu überzeugen, der wenig begeistert von meiner Idee war, ein eigenes Produkt auf den Markt zu bringen und Fertility-Tracking “smart” zu machen. Ich hielt es für sinnvoll, die Grundidee des Lady-Comp an eine App zu knüpfen und damit den Bedürfnissen moderner, selbstbestimmter und vor allem smarter Frauen nachzukommen. Mein Vater war allerdings nicht sonderlich begeistert von der Idee und der festen Überzeugung, dass “diese Apps” eh wieder verschwinden würden. Doch ich hielt an meiner Vision fest und schließlich sagte mein Vater: „Mach es, aber die Verantwortung dafür liegt komplett bei dir und deiner Firma! Du musst es allein schaffen, denn ich glaube nicht daran, dass es funktionieren kann“. Und das sind nur einige der Herausforderungen, denen ich mich täglich stellen muss. Als Frau in der Technologiebranche zu arbeiten, ist auch heutzutage nicht einfach. Da muss man sich schon durchbeißen.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Mein größter Fehler war, dass ich zu lange damit gewartet habe, meine Ideen in die Tat umzusetzen. Ich habe viel mit mir gehadert und an mir gezweifelt in der Gründungsphase. Fertility-Tracker waren zwar schon vorher da, aber sie waren weder digitalisiert noch ästhetisch designed: Die Produkte, die es 2013 gab, waren allesamt von Männern konzipiert und nicht wirklich auf die Bedürfnisse von Frauen abgestimmt – zu der Zeit gab es kaum Frauen in dieser Branche. Ich bin aber fest überzeugt, dass Produkte für Frauen auch von Frauen kommen sollten.
Heute habe ich gelernt, dass das Hadern und die Zweifel ganz normal sind. Das ist mein persönliches Verhalten und ich musste lernen, diese Gefühle in einigen Situationen beiseite zu schieben und einfach mal zu machen.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Auch das ist keine leichte Aufgabe. Ich habe mich immer viel mit meinen Freunden ausgetauscht und einige konnte ich mitreissen – wir arbeiten heute noch zusammen. Für mich war es immer wichtig, dass ich mich auf meine Mitarbeiter verlassen kann und dass sie meine Vision teilen und schätzen. Menschen, die das Produkt und die Idee dahinter wirklich leben und nicht nur da sind, um vorübergehend Karriere zu machen. Gerade als Start-up ist es wichtig, dass dein Team für eine Weile bleibt und nicht direkt wieder geht.
Außerdem haben wir einige Kolleg:innen im Team, die uns empfohlen wurden oder Userinnen, die so begeistert waren, dass sie bei uns arbeiten wollten.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Erstens: Überstürze nichts – Natürlich spielt der Zeitpunkt der Markteinführung eine große Rolle, aber Qualität sollte immer an erster Stelle stehen. Denke immer erst an den Kunden. Gut Ding will Weile haben. Schlaf’ drüber, wenn du unsicher bist. Zweitens: Kämpfe für das, an was du glaubst, aber sei flexibel auf deinem Weg. Wenn ich mich auf etwas konzentriere, ist es einfach, mich auf einen zielstrebigen Ansatz und einen engen Fokus zu konzentrieren, um mein Ziel zu erreichen. Im Laufe der Jahre habe ich jedoch gelernt, dass Flexibilität von entscheidender Bedeutung ist. Es gibt Zeiten, in denen ich auf dem falschen Weg war und dann musste ich den Kurs korrigieren. Es ist ganz wichtig, zuzuhören, die Augen offen zu halten, präsent zu sein und sich Fehler eingestehen zu können, um flexibel zu bleiben. Drittens: Unternehmerin zu sein ist ein 365-Tage-Job und das ist in Ordnung. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an meinen Job denke. Aber ich habe gelernt (und lerne noch), wie man mit diesen Gedanken umgeht und nicht zulässt, dass sie die Aufmerksamkeit von anderen wichtigen Dingen ablenken. Zwar ist es wichtig, arbeitsbezogene Gedanken bewusst anzuerkennen, aber ich schreibe sie dann einfach auf und dann kann sie vorerst gehen lassen und mich z.B. auf meine Kinder konzentrieren. Viertens: Lass dich nicht von deiner Leidenschaft abbringen und drücke sie so oft du kannst aus. Als Führungskraft in einem Unternehmen wirkt sich deine eigene Leidenschaft auf jede Facette des Unternehmens aus. Zeige so oft du kannst, Warum du hinter diesem Projekt stehst. Das gibt dem ganzen Team Sicherheit, Sinn und Motivation. Fünftens: Bleib dir treu. Viele Menschen (wie ich jetzt!) geben schlaue Ratschläge, wie du ein Unternehmen führen kannst. Viel wichtiger ist aber, dem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen – vor allem dann, wenn sich ein Rat so gar nicht stimmig anfühlt. Trau deiner eigenen Führungskraft, denn die macht dich ganz einzigartig.
Ohne welches externe Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Homeoffice Set-up, Zoom, Slack
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Wir haben bei uns eigentlich immer etwas zu lachen. Das ist auch total wichtig, denn so knüpft man sofort eine authentische Verbindung untereinander. Wir haben einen extra Channel auf Slack in dem wir nur Positives posten.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Meinen zweiten Sohn Louis auf die Welt zu bringen und am selben Tag Daysy 2.0 zu launchen. Beiden geht’s richtig gut.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.