#Interview

“Macht erst Vertrieb für eure Vision und entwickelt dann euer Produkt”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Der ganz normale Arbeitsalltag ist schwierig zu beschreiben. Eigentlich beginnt der nächste Tag schon am Abend zuvor: Ich checke die geplanten Termine für den nächsten Tag", sagt Bastian Maiworm, Gründer von ambeRoad.
“Macht erst Vertrieb für eure Vision und entwickelt dann euer Produkt”
Freitag, 27. August 2021VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Bastian Maiworm, Gründer von ambeRoad. Das Startup betreibt mit ambeRise eine Unternehmenssuchmaschine, die Mitarbeitern helfen soll, “relevante Daten und Informationen schnell und vollständig zu finden”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Der ganz normale Arbeitsalltag ist schwierig zu beschreiben. Eigentlich beginnt der nächste Tag schon am Abend zuvor: Ich checke die geplanten Termine für den nächsten Tag. Danach entscheide ich, ob ich im Home-Office arbeite oder in die Digital Church gehe. Das ist unser Co-Working Space in Aachen, eine umgebaute Kirche. Wo ich dann arbeite, ist eigentlich ziemlich irrelevant, da wir mit unserem Team sowieso über mehrere Standorte verteilt sind, d. h. ich muss auch nicht zwangsläufig vor Ort sein. Aber nach mehreren Monaten Home-Office durch die Lockdowns tendiere ich eher zum Co-Working Space. Morgens starte ich dann meistens um 9 Uhr und checke zunächst meine E-Mails. Meistens gehe ich anschließend auf unser CRM Tool und schaue dann, welche Themen für den jeweiligen Tag anfallen. Andernfalls sind es oft Marketingthemen oder Strategiethemen, mit denen ich mich mit meinen Co-Foundern jeden Tag befasse. Wie sich der Tag anschließend entwickelt, hängt dann auch immer etwas davon, was über den Tag passiert.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Nach der Arbeit gehe ich am liebsten Rennradfahren, mal allein, mal mit Freunden. Da schalte ich dann mal richtig ab. Vor der Gründung von ambeRoad habe ich auch viel Rugby gespielt, doch durch Corona und den zeitlichen Aufwand hat das leider nicht mehr gepasst. Mir ist es wichtig, dass ich nach der Arbeit vom Bildschirm wegkomme und durch Freunde oder Sport auch mal über andere Themen spreche kann als nur unser Startup.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Das man ganz schön viele Bälle zeitgleich jonglieren muss, da alle Bereiche irgendwie abgedeckt werden wollen – sei es Sales, Produktentwicklung, Strategie, Marketing oder HR. Wie anspruchsvoll das ist, merkt man dann doch erst, wenn man es mal selbst machen muss. Zum Glück habe ich mit Philipp, Julian und Igli ein starkes Co-Founder-Team um mich rum, mit dem wir uns perfekt ergänzen. Auch dadurch habe ich ein hervorragendes Team nochmal richtig wertschätzen gelernt. Und gemeinsam wachsen wir so jeden Tag an unseren Aufgaben!

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Die größte Hürde war sicherlich, dass ich für einen Bereich allein komplett verantwortlich bin. Ich bin bei uns in den Vertrieb “reingerutscht” obwohl ich zu dem Zeitpunkt keinen Vertriebshintergrund hatte. Trotzdem muss ich mich als Hauptverantwortlicher für den Vertrieb darum kümmern, dass genug Aufträge vorhanden sind. Das war anfangs extrem anspruchsvoll, da wir im B2B-Bereich unterwegs sind und der Vertriebsprozess natürlich nochmal etwas anders ist, als er es manchmal im B2C-Bereich ist. Aber mit der Unterstützung des Teams und verschiedener Mentoren klappt es mittlerweile ziemlich gut.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Für mich sind Fehler eher Learnings und da gab es sicherlich viele. Anfangs habe ich im Vertrieb probiert mich auf zu viele Use Cases zu fokussieren. In den ersten Monaten wollten wir die Suchmaschine für jedes Unternehmen sein. Dabei war es dann schwierig für mich, wenn ich morgens mit einer Kanzlei, mittags mit einer Versicherung und abends mit einem Bauunternehmen unterhalten habe. Da hat der Pitch dann nicht mehr gut gepasst und war viel zu allgemein. Stattdessen fokussieren wir uns jetzt auf einen Use Case in zwei verschiedenen Branchen: Versicherungen und Unternehmen, die selbst technische Produkte entwickeln bzw. in der Baubranche unterwegs sind. Dadurch können wir bspw. Referenzen deutlich besser einsetzen und einen viel spezifischeren Pitch halten.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Indem man durchgehend Präsenz, vor allen Dingen in verschiedenen Medien, zeigt. Es ist hilft, wenn die einzigen Ressourcen, die ein potenzieller Mitarbeiter nicht nur die eigene Webseite, der eigene Blog und eine leere LinkedIn-Page von einem sehen, sondern wenn es auch einige externe Beiträge über das eigene Start Up gibt, da dies natürlich auch Trust aufbaut.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Macht erst Vertrieb für eure Vision und entwickelt euer Produkt oder euern Prototypen dann im Rahmen eines Proof of Concepts gemeinsam mit einem Kunden. Nutzt das Kundenfeedback, um ihn direkt zu verstehen und um nicht am Markt vorbeizuentwickeln. Es bringt nichts, im Hinterzimmer zu sitzen und ein halbes Jahr ein Produkt zu entwickeln, welches keiner benötigt.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Wahrscheinlich gather.town. Das ist ein Tool, mit dem das gesamte Team sich in einem virtuellen Office trifft. Wenn ich dann in die nähe einer Person gehe, dann öffnet sich direkt ein Videochat. So hat man auch im Home-Office ein bisschen das klassische Office-Feeling.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Einerseits natürlich Erfolge, andrerseits indem wir schauen, dass wir uns regelmäßig treffen. So haben wir beispielsweise jeden Tag ein Meeting, bei denen das gesamte Team anwesend ist und über Veränderungen, Probleme und Erfolge spricht. Zudem haben wir am Freitag unseren sogenannten Friday-for-our-future eingeführt. Hier muss jeder eine Idee vorstellen, die entweder unserer Software amberSearch oder dem Start Up als solches hilft.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Das eine Erlebnis rauszupicken fällt mir schwer. Vermutlich sind es eher die enggetakteten Ups und Downs, die man als Gründer so erlebt. Es kam bei mir beispielsweise mal vor, dass dir ein Kunde morgens erzählt, welch einen großen Mehrwert er in deinem Produkt sieht. Dann denkst du fast, dass die Welt dir gehört, weil du dich so darüber freust, dass jemand anderes auch den Mehrwert deines Produktes sieht. Und am Nachmittag ist es bei mir mal vorgekommen, dass ein anderer, schon fast sichergeglaubter Kunde noch kurz vor der Unterschrift abgesprungen bist – obwohl ich schon seit Monaten mit ihm in Gesprächen war und die Planungen bereits sehr detailliert waren. Da kommt nach einem kurzen Up natürlich direkt ein down… Aber im Großen und Ganzen muss man einfach schauen, dass man mehr Ups als Downs hat und diese im Notfall im Team aussitzt.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

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Foto (oben): ambeRoad