#Gastbeitrag
Equity Storytelling: Was Startups von Simon Sinek, Andy Raskin und Ben Horowitz lernen können
Wir leben in einer Aufmerksamkeitsökonomie. Ein Bonmot, das so geläufig wie wahr ist. Und ein Umstand, der Startups immer wieder vor Herausforderungen stellt – vor allem dann, wenn sie um die Gunst potentieller Investor:innen buhlen und es um das große Ganze geht: die nächste Finanzierung. Zwei Geheimzutaten, mit denen Startups die Aufmerksamkeit der Investor:innen gewiss ist.
3 Minuten und 44 Sekunden verbringen Investor:innen im Schnitt mit einem Early-Stage-Pitchdeck, das circa 20 Slides enthält – also in etwa 11 Sekunden pro Slide. Das macht deutlich, dass die Informationen, die Startups ihren potentiellen Investor:innen zu Verfügung stellen, gut gewählt und durchdacht sein wollen. Doch wie können Startups es schaffen, mit ihrer Geschichte aus der Masse hervorzustechen und Investor:innen zu überzeugen? Die Antwort ist so simpel wie herausfordernd: Mit Storytelling. Natürlich gehören in jede Pitch-Präsentation Slides zum Geschäftsmodell, zum Produkt, zum Marktausblick, zum Wettbewerb sowie zu den Gründer:innen. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Pflicht. Auf der anderen Seite der Medaille steht die Kür: Die Geschichte hinter diesen Zahlen, Daten und Fakten. Wege, um zu dieser Geschichte – der Equity Story – zu kommen, gibt es viele. Zwei Geheimzutaten für eine erfolgreiche Equity Story liefern Simon Sinek, Andy Raskin und nicht zuletzt: Ben Horowitz.
Start with Why
Die erste Geheimzutat geht auf den Unternehmensberater Simon Sinek zurück: Start with Why. Will sagen: Wenn Gründer:innen es schaffen, ihre Gründung und damit den Sinn und Zweck ihrer Unternehmung mit persönlichen Grundüberzeugen, ihren Grundwerten und ihrer Erfahrung zu verknüpfen, bauen Sie nicht nur eine persönliche Beziehung zu potentiellen Investor:innen auf, sondern differenzieren sich zugleich auch vom Wettbewerb. Die Gründe dafür liegen tief verwurzelt in unserem Gehirn. Als soziale Wesen interessieren wir uns für Menschen und deren Geschichten und deutlich weniger für – so unpraktisch das im Bereich der Equity Story auch sein mag – für Zahlen. Das berühmte Bauchgefühl ist eben genau das: ein Gefühl. Und es beeinflusst wider Erwarten unsere Entscheidung – und damit die der Investor:innen. Natürlich müssen die Zahlen sauber, die Strategie messerscharf und die Marktaussichten vielversprechend sein. Und natürlich schauen Investor:innen bei all diesen Hard Facts genau hin. Doch die rationalen Argumente sind häufig nur die notwendige Bedingung für ein Investment. Die hinreichende Bedingung stellt oftmals das Vertrauen dar, das Investor:innen einem Startup entgegenbringen oder eben nicht. Die Chance, dieses Vertrauen aufzubauen und so bei einer Vielzahl an Pitchdecks aus der Masse hervorzustechen steigt, wenn Gründer:innen ihr persönliches Why glaubhaft mit der Gründung verknüpfen.
Name the New Game
Die zweite geheime Zutat einer überzeugenden Equity Story ist die strategische Einbettung der eigenen Unternehmung in ein übergeordnetes Narrativ. Dieser Teil der Geschichte konzentriert sich nicht mehr auf die Gründer:innen, sondern deutlich stärker auf die Kund:innen und den USP. Andy Raskin nennt diese Methode »Name The New Game«. Die Idee dahinter: innovative Startups befinden sich häufig in einem Spannungsfeld zwischen alten und neuen Welten. Erfolgreiche Startups schaffen es, das bisher Unbekannte explizit und damit greifbar und wünschenswert zu machen, indem sie das »New Game« bennen können.
Simple is harder than complex
Um das Ganze – um im Wortfluss zu bleiben – etwas greifbarer zu machen: Tomorrow war nicht die erste Neobank. Aber sie ist aktuell eine der erfolgreichsten. Unter anderem auch deshalb, weil sie es geschafft hat, das »New Game« als eine der ersten Banken klar zu benennen: Good Banks vs. Bad Banks. Neue Banken – die von morgen – gegen alte Banken von gestern und heute. Bei der Positionierung durch strategisch eingesetztes Storytelling geht es in Wirklichkeit also auch um die Ausrichtung des Unternehmens. Von außen betrachtet sieht diese strategische Verortung über ein konsistentes, in sich kohärentes Narrativ einfach aus. Dahinter steht jedoch meist ein längerer Prozesses, in dem das Narrativ entwickelt und aus der persönlichen „Gründer:innenstory“,dem USP der eigenen Unternehmung und übergeordneten gesellschaftlichen Diskursen Stück für Stück herausgeschält wird.
Storytelling: der Lackmustest für jede Strategie
Und hier wird auch deutlich, dass es beim Storytelling um viel mehr als nur die Geschichte geht – nämlich um die Strategie. Oder wie Ben Horowitz sagte: »Your Story is your Strategy«. Um beim Beispiel von Tomorrow zu bleiben: Die Positionierung von Tomorrow ist Narrativ und Strategie zugleich – weil Storytelling nur dann funktioniert, wenn die Geschichte formal-logisch Sinn ergibt und einem Realitätscheck standhält. Tomorrow kann nur deshalb das Narrativ der »Bank von Morgen«, die sich für den Klimaschutz und gegen die Rüstungsindustrie ausspricht, spielen, weil es sich im Geschäftsmodell und in der gesamten Unternehmensstrategie (und übrigens sogar im Namen) widerspiegelt. Es geht bei der Equity Story also nicht nur darum, mit vielversprechenden Zahlen und Geschäftsmodellen um sich zu werfen. Die Kunst liegt vielmehr darin, aus der Fülle an Informationen eine stimmige Gesamterzählung zu konzipieren, die emotional ansprechend und strategisch überzeugend ist. Und die das Unternehmen im Zeitalter der Purpose-Economy in einem größeren Ganzen verortet. Der Lackmusstest, den dabei jede Strategie durchlaufen sollte: Schaffe ich es als Gründer:in, eine überzeugende Geschichte zu erzählen? Die Verbindung der beiden oberen Ansätze (»Start with Why« und »Name the New Game«) – je nach Kontext und persönlicher Biografie mit unterschiedlicher Gewichtung – zeigt einen Weg auf, wie dies erfolgreich gelingen kann.
Über den Autor
Maximilian Van Poele ist Consultant bei der Strategieberatung KAUFMANN / LANGHANS und wurde 2019 zum Young Professional des Jahres der PR-Branche gewählt. KAUFMANN / LANGHANS berät Startups wie Tier oder die Solarisbank und mittelständische Unternehmen und Konzerne.
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