#Gastbeitrag

Wachstumskapital ohne Verwässerung: Revenue-Based Financing

Revenue-Based Financing funktioniert so: Im Gegenzug für ein Investment erhält der Investor eine prozentuale Beteiligung an den Umsätzen des finanzierten Unternehmens. Diese Umsatzbeteiligung läuft solange bis eine maximale Rückzahlung erreicht ist. Ein Gastbeitrag von Christian Stein.
Wachstumskapital ohne Verwässerung: Revenue-Based Financing
Donnerstag, 5. August 2021VonTeam

Lange galt eine Eigenkapitalfinanzierung, also das Verkaufen von Unternehmensanteilen an Investoren, als einziger Weg für Startups und Wachstumsunternehmen um Kapital einzuwerben.

Eigenkapitalfinanzierungen, insbesondere Venture Capital, verhelfen vielen Unternehmen zu großen Erfolgen, insbesondere bei großem Kapitalbedarf. Sie haben aber auch drei große Nachteile:

* Im Falle eines Unternehmensverkaufs muss ein entsprechend großer Teil der Verkaufserlöse an die Investoren abgegeben werden. Das kann sehr teuer werden.

* Unternehmer verlieren einen Teil der Kontrolle über ihr Unternehmen an die neuen Gesellschafter. Bei mehreren aufeinanderfolgenden Eigenkapitalfinanzierungen können die Anteile in Gründerhand stark zusammenschmelzen.

* Die Finanzierung ist häufig aufwendig. Die Phase bis zur Entscheidung kann sehr lange dauern und Due Diligence und Vertragsverhandlung sind arbeitsintensiv.

Bis vor kurzer Zeit standen nicht-verwässernde Finanzierungen, also solche bei denen man keine Unternehmensanteile abgibt, nur für große und etablierte Unternehmen zur Verfügung. Diese konnten sich Geld bei der Bank leihen.

Dank einer Innovationswelle über die letzten Jahre haben sich die Finanzierungsoptionen für Startups erweitert. Ausgehend von Nordamerika breitet sich insbesondere Revenue-Based Financing (RBF) auch in Europa aus. Für Startup-Unternehmer gibt es nun eine reale Alternative oder Ergänzung zur Eigenkapitalfinanzierung. Es müssen also nicht immer Anteile verkauft werden um Wachstumskapital einzusammeln.

So funktioniert‘s

Revenue-Based Financing funktioniert in seiner einfachsten Form so: Im Gegenzug für ein Investment erhält der RBF-Investor eine kleine prozentuale Beteiligung an den Umsätzen des finanzierten Unternehmens. Diese Umsatzbeteiligung läuft solange bis eine im Vorhinein vereinbarte maximale Rückzahlung erreicht ist. Das Unternehmen erhält also ein Investment und gibt dafür anstelle von Anteilen für einen gewissen Zeitraum einen kleinen Teil der monatlichen Umsätze ab. Die Höhe der laufenden Rückzahlungen ist also flexibel und hängt von der Umsatz-Performance des Unternehmens ab. Wichtig ist dabei, dass das zu finanzierende Unternehmen zum Zeitpunkt der Finanzierung bereits belastbare, wachsende Umsätze vorweisen kann.

Es gibt deutliche Unterschiede in der Ausgestaltung

Der Zeitraum, auf den die Finanzierung angelegt ist, und die Verwendung der Finanzierung sind wichtige Kriterien, denn hier unterscheiden sich die einzelnen RBF-Anbieter und -Investoren. Im sehr dynamischen RBF-Markt kristallieren sich zwei grobe Kategorien heraus, die unterschiedliche Use Cases bedienen:

* Kurzfristige, kleine RBF-Investments von automatisierten FinTechs. Diese Investments eignen sich insbesondere zur Finanzierung von Working Capital, saisonalen Verkaufsspitzen oder als Factoring einzelner Kundenverträge. Diese Investments, welche von den entsprechenden Anbietern manchmal als „Advances“ bezeichnet werden, müssen meist in wenigen Wochen bis einem Jahr zurückgezahlt werden. Die Beträge, die dabei bereitgestellt werden, sind häufig eher klein (1-3 Monatsumsätze, fast immer 5- oder 6-stellig).

* Langfristige, größere RBF-Wachstumsinvestments durch Venture-Investoren. Diese Investments sind größer (6 oder mehr Monatsumsätze, meistens 7-stellig), decken üblicherweise die gesamten Kosten der Unternehmung für ein Jahr oder mehr und eignen sich so um langfristig in Wachstum zu investieren. Die Rückzahlung läuft über bis zu 5 Jahre und kann so den Cash-Abfluss für das Unternehmen in der entscheidenden Anfangsphase gering halten. Das RBF-Wachstumsinvestment funktioniert, da es auf eine Partnerschaft über einen Zeitraum von mehreren Jahren setzt. Auch wenn sie nicht Gesellschafter am Unternehmen werden, können RBF-Wachstumsinvestoren, ähnlich wie klassische VCs, ihr Netzwerk, Coaches und signifikante Follow-on-Finanzierungen anbieten.

Oft wird RBF fälschlicherweise mit Venture Debt in einen Topf geschmissen. Im Gegensatz zu RBF wird Venture Debt hauptsächlich in Kombination mit einer Eigenkapitalfinanzierung eingesetzt und beinhaltet außerdem meistens selbst eine Option auf Anteile, den sogenannten Warrant. Venture Debt ist also keine Alternative, sondern eine Erweiterung der Eigenkapitalfinanzierung.

Die Use Cases sind vielfältig

Da RBF ausschließlich auf eine Umsatzbeteiligung setzt, ist die Finanzierungsform auch für solche Unternehmen interessant, die sich nicht auf dem „klassischen Venture Capital-Pfad“ befinden oder keinen Exit anstreben.

Für VC-finanzierte Unternehmen kann RBF auch eine sinnvolle Ergänzung sein: Beispielsweise zwischen zwei Finanzierungsrunden als nicht-verwässernde Alternative, um den Runway zu verlängern und die Konditionen der nächsten Runde zu optimieren. Oder in Kombination mit Eigenkapitalfinanzierung um das verfügbare Wachstumskapital zu maximieren ohne maximal zu verwässern.

Ein Gewinn für das gesamte Ökosystem

Der RBF-Markt ist spannend und bewegt sich schnell. Sowohl große US-Fonds als auch gut finanzierte FinTechs bringen das Thema voran und sorgen für ein sich ausdifferenzierendes Angebot. Das sind gute Nachrichten für die Gründerlandschaft in Deutschland und Europa, die von einem reiferen Ökosystem und wachsenden Möglichkeiten der Finanzierung profitiert. RBF gibt Spielraum, denn es ermöglicht Unternehmen das richtige Kapital zum richtigen Zeitpunkt zu wählen.

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Über den Autor
Christian Stein ist Partner bei Riverside Acceleration Capital und investiert sowohl mittels Revenue-Based Financing als auch Growth Equity in europäische Startups und Wachstumsunternehmen. Zuvor war er 13 Jahre „klassischer“ Venture Capital Investor, unter anderem als Geschäftsführer und Mitgründer von coparion.

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Foto (oben): Shutterstock