#Interview
“Wenn man von seiner Idee überzeugt ist, ergeben sich viele Dinge von alleine”
Mitten im Ruhrgebiet, in Bochum, werkeln Timo Becker und Martin Prinzenberg an Liquormacher, einem Startup, das unter anderem leckeren Gin produziert und verkauft. In diesem Jahr peilt das Duo, das sich seit der Jugend kennt, einen siebenstelligen Umsatz an. Geplant war beim Start nicht! “Erst mal war hinter Liquormacher gar kein Business Case. Für uns war es wichtig geile Produkte zu machen, die uns schmeckten”, sagt Gründer Becker.
Liquormacher-Gründer Becker tummelt sich bereits seit vielen Jahren in der Startup-Szene. Mit Djtunes gründete er bereits einen Download-Shop für Dance und Club-Music. Erfahrungen aus dieser Zeit flossen auch in Liquormacher: “Wir könnten sofort starten und alle Channels bespielen. Hatten sofort das Shopsystem mit der passenden Warenwirtschaft. Ich konnte sofort alle Performance Strategien einsetzen, die auch schon in anderen Projekten Umsatz generiert haben”, sagt Becker.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Liquormacher-Gründer über Unabhängigkeit, Vertriebsarbeit und seine Komfortzone.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Liquormacher erklären?
Hey Oma, wir machen richtig gutes Zeug für deine Hausbar. Wir sind zwei Gründer, die eine Mission haben: Traditionelle Spirituosen noch besser machen. Das Ergebnis sind weltweit prämierte Produkte, produziert in Handarbeit, in kleinen Batches, auf Basis natürlicher Rohstoffe und mit viel Liebe zum Detail. Wir wollen jeden abholen und mit unserer Spirituosen-Range überzeugen und das auch noch zu einem sehr fairen Preis. Übrigens auf unserer Kräuter-Pulle steht “Schmeckt nach: Omis Kräutergarten gepaart mit Disco”. Damit ist doch alles gesagt.
Zuvor hast Du mit Djtunes einen Download-Shop für Dance und Club-Music gegründet und jahrelang betrieben. Wie bist Du zum Digital-Gründer zum Gin-Brenner geworden?
Eigentlich wie der Bock zum Gärtner. Als ich meine Anteile bei Djtunes verkauft hatte, habe ich mit Mybodywear auch erst mal was ganz anderes gemacht und Lounge und Underwear online vermarktet. In dieser Zeit haben wir unsere Leidenschaft voran getrieben und in circa eineinhalb Jahren unsere Brand und unsere Spirituosen entwickelt. Es war einfach die Überzeugung, die uns angetrieben hat. Erst mal war hinter Liquormacher gar kein Business Case. Für uns war es wichtig geile Produkte zu machen, die uns schmeckten. Als auch dann noch andere dieser Überzeugung waren, dass wir richtig guten Gin, Rum und Kräuterlikör machen, hat man so langsam über den Rollout nachgedacht.
Was aus Deiner vorherigen Digital-Gründung konntest Du beim Start von Liquormacher mitnehmen?
Wir könnten sofort Online starten und alle Channels bespielen. Hatten sofort das Shopsystem mit der passenden Warenwirtschaft. Ich konnte sofort alle Performance Strategien einsetzen, die auch schon in anderen Projekten Umsatz generiert haben. Bei einem eigenen neuen Produkt geht es aber nicht nur um Performance Marketing, vielmehr um Storytelling und Trust bei den Usern bzw. Kunden.
Gin hört sich erst einmal nach einem klassischen Einzelhandelsprodukt an, wie digital ist euer Vertriebsweg denn aufgestellt?
Wir sind schon ziemlich digital getrieben und werden den Weg auch weiterhin verfolgen, da wir so eine gewisse Unabhängigkeit haben wollen. Sonst befinden wir uns immer im Riesenbecken mit dem LEH. Wir haben auch ganz klar die Grenze zwischen LEH und Online gezogen. Unsere Tasting Box für Zuhause gibt es zum Beispiel nur in unserem Online-Shop.
Wie kommt man mit seinem Produkt überhaupt in den klassischen Getränkehandel?
Der Prozess wird oft sehr unterschätzt, ist aber mit viel Geduld und Überzeugung zu beschreiten. Gerade bei Food und Beverage müssen deine Produkte nach positiver Entscheidung zur Listung erst ins Labor und dann nach positiven Ausgang geht’s erst los. Der Prozess hat bei uns bei Foodstarter/Edeka über drei Monate gedauert. Also als Startup muss man schon irgendetwas anders machen, als die Anderen. Wenn wir nur einfach einen Gin gehabt hätten, wären wir auch nicht im LEH gelandet. Hier spielt schon unsere Produkt-Range – drei Gins, ein Rum und ein Kräuterlikör . eine große Rolle.
Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Da wir erst im September 2019 gestartet sind, hatten wir gar nicht soviel Zeit, ohne Corona überhaupt Business zu machen. Wir haben quasi eine Spirituose ohne Gastro-Support auf den Markt gebracht. Hier werden ja bekanntlich die Meinungsmacher gemacht. Also die Aufgabe war Brandaufbau ohne Gastro. So hat unser Online-Kanal schnell die Berechtigung bekommen und die Leute haben sich mit der Zeit ihre eigene Hausbar zugelegt. Auch hier haben wir uns produkttechnisch dem Markt angepasst und ein Tastingpaket mit allen unseren Spirituosen plus Filter plus Anleitung für Zuhause an den Start gebracht. Leider hat uns die Vertriebsarbeit manchmal an unsere Grenzen gebracht, da teilweise Besuchsverbote ausgesprochen wurden. Dies stellt ein Startup, das erst einmal seine Produkte erklären muss, vor eine große Herausforderung. Alles in allem kann man sagen, dass wir eigentlich alle Eventualitäten in Corona-Zeiten gut gemeistert haben.
Wie hat sich Liquormacher seit der Gründung entwickelt?
Positiv. Nach ersten Gehversuchen im LEH haben wir schnell gemerkt, dass sich unsere Produkte auch weiter abverkaufen und wir eine Grunddrehung bekommen haben. Nur so kannst Du auch bestehen, ansonsten wird es schwer und Du wirst schnell wieder aus den Regalen geräumt. Ende 2020 konnten wir dann auch unsere Finanzierung auf den Weg bringen, die uns ermöglicht hat Marketing, Brandaufbau und Warenverfügbarkeit voranzutreiben.
Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Liquormacher inzwischen?
Also insgesamt sind wir hier in Bochum fünf Mitarbeiter – mit uns Gründern. Unsere Vertriebsagenturen West/Nord sind dann noch mal mit über 20 Leuten unterwegs. Wir haben im zurückliegenden Jahr einen mittleren sechsstelligen Umsatz generiert. In diesem Jahr peilen wir einen siebenstelligen Umsatz an.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Eine Sache ist wirklich mal richtig schief gegangen und hat uns damals auch einen Betrag im sechsstelligen Bereich gekostet. Wir hatten versucht einen Bio-Shop für Lebensmittel/Getränke online zu launchen. Es wurde erst spät gemerkt, dass man noch mehr Kapital gebraucht hätte, um da richtig Fahrt aufzunehmen. In dieser Zeit war ich auch in zu vielen Projekten involviert, so dass der Fokus auf den Shop zu wenig war. Wir haben Helloveggie dann irgendwann eingestellt.
Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wie misst man das? Umsatz, Gewinn oder Exit? Mir ist immer wichtig, dass man von seiner Idee überzeugt ist, dann ergeben sich viele Dinge von alleine. Manchmal muss man einfach aus seiner Komfortzone treten und auch mal ganz neue Wege gehen oder den Meter mehr. Weiterentwicklung ist hier das spannende Thema. Man muss merken, wenn man aus dem Hamsterrad nicht mehr abbiegen kann. Man muss glücklich mit seinem Business sein. Man muss jeden Morgen aufstehen können und Lust haben, diesen Case voran zutreiben. Dann hat man meiner Meinung nach alles richtig gemacht. Ich habe immer dann einen Cut gemacht, wenn ich mich nicht mehr genau da gesehen habe.
Wo steht Liquormacher in einem Jahr?
Ich hoffe in jeder Hausbar. Wir wollen natürlich den nationalen Markt weiter ausbauen, aber auch international wollen wir – nach Japan – jetzt auch unsere China-Expansion vorantreiben.
Asien hat mich schon immer fasziniert und ist natürlich auch ein Riesenmarkt. Wir haben das Business so aufgebaut, dass wir die Company von überall leiten und managen können. Alle B2C- und B2B-Channels können beliebig skalieren. Weiterhin wollen wir unsere Produktpalette erweitern und ein paar spannende Produkte auf den Markt bringen. Hier werden die Themen Alkoholfrei und Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen.
Themenschwerpunkt Ruhrgebiet
#Ruhrgebiet: Gemeinsam mit dem ruhrHUB berichtet deutsche-startups.de regelmäßig über die Startup-Szene im Ruhrgebiet. Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Digital-Gründer – mehr im Startup Guide Ruhrgebiet. Das Buch “Wann endlich grasen Einhörner an der Emscher” wiederum erzählt die spannendsten Startup- und Grown-Geschichten aus dem Ruhrgebiet.
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