#Interview

“Wenn das Produkt überzeugt, fällt eine Trennung entsprechend schwer”

Das Berliner Startup Volders, das 35 Mitarbeiter:innen beschäftigt, positioniert sich seit etlichen Jahren als Kündigungsservice. "Der Umsatz liegt inzwischen im mittleren siebenstelligen Bereich und wir wachsen 50 % pro Jahr", sagt Gründer Jan Hendrik Ansink.
“Wenn das Produkt überzeugt, fällt eine Trennung entsprechend schwer”
Mittwoch, 26. Mai 2021VonAlexander

Das Berliner Startup Volders, 2014 von Jan Hendrik Ansink gegründet, startete als Dienst rund um das Thema Vertragsmanagement. Inzwischen positioniert sich das Unternehmen, das 35 Mitarbeiter:innen beschäftigt und zuletzt einen mittleren siebenstelligen Umsatz einfahren konnte, als Kündigungsservice. “Unsere Nutzer:innen können auch heute noch Verträge und Abonnements anlegen, sich vor Verlängerungen erinnern lassen und Kosten überblicken. Wir bieten dieses Produkt weiter an, konzentrieren uns aber auf den Kündigungsservice”, sagt Gründer Ansink.

Wobei die Hauptstädter diesen Schritt im Nachhinein lieben früher gegangen wären: “Obwohl wir auf die Umsetzung des Vertragsmanagements besonders stolz waren, hätten wir dieses Produkt früher, schneller und kaltschnäuziger in seiner Priorität beschränken sollen. Gerade wenn das Produkt durch seine Funktionsweise besonders überzeugt, fällt eine Trennung selbstverständlich entsprechend schwer. Trotzdem ist die Konzentration auf die rentablen Produkte gerade in einer Wachstumsphase des Unternehmens wichtig”.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Ansik außerdem über Wunderlist, unseriöse Anbieter und ToDo-Listen.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Volders erklären?
Oma, du hast viele Verträge und Abonnements. Wahrscheinlich sind darunter viele, die du gar nicht mehr brauchst, oder von denen du vielleicht auch gar nichts mehr weißt. Dabei geht viel Geld verloren, dass du lieber sparen und anderweitig ausgeben könntest. Mit Volders kannst du die Verträge im Handumdrehen loswerden – einfach deine Anbieter heraussuchen, auswählen, deine Daten angeben und mit nur einem Klick online kündigen. Wir kümmern uns um alles Weitere.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Wir haben unseren Schwerpunkt auf den Kündigungsservice gesetzt. Dieser lief von Beginn an sehr gut, und wir haben uns entschieden, darin die Besten zu werden. Bis heute haben wir über vier Millionen Kündigungen abgewickelt und unseren Service mit vielfältigen neuen Leistungen, wie zum Beispiel der Begleitung der Kündigung durch einen Rechtsanwalt und einer intelligenten Datenbank zu den Anbietern, immer weiter ausgebaut.

Wie sah das Konzept denn am Anfang aus?
Ursprünglich hatten wir das Vertragsmanagement für Kund:innen in den Mittelpunkt gestellt. Unsere Nutzer:innen können auch heute noch Verträge und Abonnements anlegen, sich vor Verlängerungen erinnern lassen und Kosten überblicken. Wir bieten dieses Produkt weiter an, konzentrieren uns aber verstärkt auf den Kündigungsservice.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Volders positioniert sich als Kündigungsservice, der sich vollumfänglich um die Kündigung seiner Kund:innen kümmert. Von der Pflege der Anbieterdaten bis hin zum Nachfassen, sodass die Kündigung bestätigt wird. Dafür zahlen uns Kunden:innen eine Gebühr pro Vertragsbeendigung. Die Preise unterscheiden sich je nach Paket und den darin enthaltenen Leistungen. Für eine “einfache” Kündigung veranschlagen wir den geringsten Preis und für komplizierte Prozesse, beispielsweise mit Einschreiben und juristischem Beistand von Rechtsanwälten bei unseriösen Anbietern, den höchsten Preis.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Die Corona-Krise hat uns einen zusätzlichen Schub verschafft. Wir konnten bereits vor der Pandemie sehr gute Wachstumszahlen vorweisen. Der Bedarf an Vertragskündigungen ist in den Lockdown-Phasen zusätzlich gestiegen. Gerade bei Kündigungen von Verträgen und Abos, die einfach nicht mehr genutzt werden können, wie zum Beispiel Fitnessstudios oder Bahnkarten, verzeichneten wir einen exponentiellen Anstieg.

Wie ist überhaupt die Idee zu Volders entstanden?
Die Idee ist mit meiner eigenen Wunderliste entstanden. Einerseits liebte ich das Produkt von Christian Reber, weil es mir meinen Alltag wesentlich erleichtert hat, andererseits war es für Verträge und Abos nicht geeignet. Ich wollte mithilfe der Liste auch die finanziellen Aspekte direkt organisieren und regeln wie zum Beispiel Verträge kündigen, den Anbieter gegebenenfalls wechseln und einen entsprechenden Überblick über sämtliche Kosten erhalten. Die meisten Haushalte organisieren sich nicht mal mit einer ToDo-Liste. Das Problem betrifft also jeden Haushalt, jede:n Verbraucher:in mit einer Vielzahl an Verträgen und Abos – dementsprechend war ein riesiger Markt vorhanden, um dafür eine eigenständige Lösung anzubieten. Damit kam der Stein ins Rollen.

Wie hat sich Volders seit der Gründung entwickelt?
Ursprünglich sind wir in Deutschland gestartet und haben uns auf eine Handvoll Anbieter konzentriert. Unser Service war zunächst per Web und später als iOS- und Android App verfügbar. Inzwischen feiern wir über zwei Millionen Kund:innen. Unser Service hat sich fest in Deutschland und größtenteils schon in der Schweiz und in Österreich etabliert. Wir konzentrieren uns auf die situativen Bedürfnisse unserer Nutzer:innen rund um Verträge und Abos und bieten die entsprechende Lösung an.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Volders inzwischen?
Der Umsatz liegt inzwischen im mittleren siebenstelligen Bereich und wir wachsen 50 % pro Jahr. Insgesamt konnten wir über zwei Millionen Kund:innen mit unserem Service helfen und haben im Zuge dessen vier Millionen Kündigungen durchgesetzt. Laut Bewertungsportalen, wie Trustpilot, ekomi, Google Reviews oder auch im AppStore, haben wir über 25.000 Bewertungen mit einem Schnitt von 4,7 von fünf möglichen Sternen. Das Unternehmen beschäftigt inzwischen 35 Mitarbeiter:innen aus sechs Ländern. Wir sind effizient aufgestellt und haben durch Automatisierung viele Prozesse vereinfacht.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schiefgegangen?
Es hat uns viel Geld und Nerven gekostet, an einem neuen Produkt zu experimentieren, für das es nicht ausreichend Bedarf gab. Obwohl wir auf die Umsetzung des Vertragsmanagements besonders stolz waren, hätten wir dieses Produkt früher, schneller und kaltschnäuziger in seiner Priorität beschränken sollen. Gerade wenn das Produkt durch seine Funktionsweise besonders überzeugt, fällt eine Trennung selbstverständlich entsprechend schwer. Trotzdem ist die Konzentration auf die rentablen Produkte gerade in einer Wachstumsphase des Unternehmens wichtig.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir haben Millionen von Endkund:innen geholfen, ihre Verträge und Abos zu kündigen. Darin waren wir schon immer einer der besten Anbieter. Jetzt liegt der Fokus zu 100 Prozent darauf. Daher nutzen wir all unsere Kapazitäten und gebündelte Kreativität, um dieses Produkt weiterzuentwickeln und den Bedürfnissen der Nutzer:innen weiter entsprechend anzupassen. Viele Verbraucher:innen lassen ihre Verträge und Abos einfach laufen, weil es ihnen zu umständlich ist, sich damit zu beschäftigen und eine Entscheidung zu treffen. Das ist ein riesiges Potenzial für uns.

Wo steht Volders in einem Jahr?
Unsere Position als eines der marktführenden Unternehmen für Kündigungen wollen wir selbstverständlich weiter ausbauen. Außerdem werden wir unsere mobilen Apps dahingehend weiterentwickeln und planen gleichzeitig, in mehrere europäische Länder sowie langfristig auch in die USA zu expandieren. Unsere Marktbeobachtung hat ergeben, dass Endkund:innen in anderen Ländern genau den gleichen Bedarf für unseren Service wie in Deutschland haben. Des Weiteren wollen wir unsere Funktionen für gewerbliche Kund:innen erweitern. Wir sehen hier einen ähnlichen Bedarf wie bei Privatkund:innen.

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Foto (oben): Volders

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.