Evertree: Ein Herzensthema – und eines der Regularien
So groß die Bandbreite der in “Die Höhle der Löwen” diskutierten Themen meistens auch ist, selten waren die beiden Hauptthemen im Dialog zwischen Gründern und Investoren so gegensätzlich. Auf der einen Seite die Emotionalität des Themas – auf der anderen die große Frage nach den bestehenden Regularien, die maßgeblich den Markt bestimmen. Doch die Gründer schafften den Spagat.
Das Düsseldorfer Geschwisterpaar Helena und Andreas Hohnke zog von Anfang die Sympathien auf seine Seite: der authentische und sehr persönliche Pitch, der den Tod des Vaters als Ursprung des Wunsches thematisierte, Tod und Beerdigungen etwas weniger endgültiges zu geben, sorgte für eine teilnahmsvolle Stille. Die Idee der beiden: eine spezielle Urne, in die zu der Asche des Verstorbenen Baumsamen gegeben werden, so dass nach der Bestattung ein Baum daraus wachsen kann.
Alle Investoren waren sich einig, dass sie die Idee sehr schön fanden. Carsten Maschmeyer liest die Beschreibung auf der Verpackung, findet den Text “ergreifend” und merkt, dass hier ganz viel Herz drin steckt. Später wird er noch hinzufügen “einer der berührendsten Pitches, die ich je hier in der Höhle gesehen habe”. Doch er wird auch aussteigen, weil er sich als Venture Capitalist versteht, und als solcher nicht in eine “so liebenswert Innovation” investieren und daran mitverdienen möchte.
Und selbstverständlich kann es GründerInnen bei einem solchen Thema passieren, zwar viel Lob zu bekommen, aber letzten Endes kein Investment, da es sich nicht für jeden Investor richtig anfühlt, hiermit Geschäfte zu machen.
Doch der Rest des Löwenfeldes tastet sich immer mehr an das Thema heran, stellt die üblichen Fragen nach Verkaufspreis, Herstellungskosten und Verkaufserlösen. Der verhältnismäßig geringe Preis der Urne von 114 Euro unterstreicht dabei die Aufrichtigkeit der Gründer, auch wenn die Marge insgesamt immer noch in Ordnung ist. Gerade beim Pricing ist bei solchen Themen auch sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt: setzt man den Preis zu niedrig an, rechnet sich das Geschäft nicht, setzt man ihn zu hoch an und schöpft die Emotionalität des Themas so voll aus, riskiert man in einem so sensiblen Markt eine nachhaltige Rufschädigung.
Doch nachdem die Gründer die grundsätzlich bestehende Nachfrage und das Geschäftsmodell glaubhaft machen konnten, dominiert ein Thema die Gespräche, das von Gründern oft etwas stiefmütterlich behandelt wird: Regularien und behördliche Vorschriften.
Denn obwohl es viele Rahmenmodelle zur Analyse des Geschäftsumfeldes gibt, sind diese bei Startups weitaus weniger beliebt als bei größeren Unternehmen. Das warum hierzu ist schwer greifbar, eine valide Theorie ist aber zum Beispiel, dass Startups ohnehin unter Bedingungen extremster Unsicherheit agieren. Sobald also abgeklärt ist, ob das Vorhaben grundsätzlich rechtlich durchführbar ist, reicht das vielen bereits. Spätere Veränderungen erscheinen sowieso schwer greifbar. Andere bauen dagegen schon auf anstehende Veränderungen, die ihnen den großen Schub verpassen können, was ebenfalls hoch riskant ist, aber sehr lohnenswert sein kann.
Und auch im Falle von Evertree ist dies ein bisschen so: In den meisten Fällen ist eine solche Bestattung per Urne für Tiere erlaubt, für Menschen jedoch schwierig und in Deutschland auch nur an wenigen Orten mit Sondergenehmigung möglich. Andere Länder sind hier hingegen schon weiter, so dass die Gründer hoffen, dass hier auch in Deutschland bald mehr möglich ist.
Die beiden Düsseldorfer, die das Urnen-Startup noch nebenberuflich aufbauen, sind jedoch hervorragend informiert und können viele Details zu Regulierungen und Entwicklungen in diesem Bereich nennen. Sie glauben an die anstehenden Veränderungen und wollen dafür bereit sein, bis dahin aber im Tierbereich und ins Ausland vertreiben.
Eine durchaus valide Strategie für ein Startup. Denn in diesem Fall ist der Markt für Tierbestattungen sicherlich nicht klein, und es braucht ohnehin eine Zeit, einen B2B-Vertrieb für Tierkrematorien und ähnliche Multiplikatoren aufzubauen, wie es die Gründer planen. Im entsprechenden Verband sind sie bereits Mitglied.
Dagmar Wöhrl steigt schließlich zwar aus, verspricht aber, die ihr bekannten Tierkrematorien zu kontaktieren.
Nachdem alle anderen ausgestiegen sind, zählen die Gründer auf Nils Glagau. Und tatsächlich teilt er die andere Sichtweise auf den Tod, erzählt von einer Waldfriedhofbestattung und Festen auf Friedhöfen in Mexiko. Hier sind Gründer und Investor voll auf einer Wellenlänge, und tatsächlich macht der Löwe dann auch das Angebot, und wird so für 75.000 € zum dritten Miteigentümer des Unternehmens.
Ein Investment, das hoffentlich dazu beiträgt, die Diskussion anzuregen, das Umdenken auch in die Behörden zu tragen und so irgendwann viel mehr Menschen oder ihren Angehörigen eine Bestattung ermöglicht, die sie sich von Herzen wünschen.
Tipp: Alles über die Vox-Gründer-Show gibt es in unserer DHDL-Rubrik. Die jeweiligen Deals und Nicht-Deals gibt es hier: “Die Höhle der Löwen (9. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen (8. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (7. Staffel)“,”Die Höhle der Löwen” (6. Staffel)“,“Die Höhle der Löwen” (5. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (4. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (3. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (2. Staffel)“, “Die Höhle der Löwen (1. Staffel)“.
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