#Interview

“Demut und Verantwortung werden bei jedem Investment großgeschrieben”

Iris Capital investierte hierzulande in Startups wie forto, zeotap und LeanIX. "Wir stehen unseren Gründer:innen nicht nur in der Early-Stage-Phase zur Seite, sondern unterstützen über den gesamten Lebenszyklus hinweg", sagt Thorben Rothe, Partner bei Iris Capital.
“Demut und Verantwortung werden bei jedem Investment großgeschrieben”
Mittwoch, 21. April 2021VonAlexander

Der französische Kapitalgeber Iris Capital investiert seit über 30 Jahren in aufstrebende Startups. Zum Portfolio des Geldgebers zählen in Deutschland unter anderem Compeon, Jedox, forto, zeotap, Unu und LeanIX. Seit 2018 wirkt Thorben Rothe bei Iris Capital. Anfang März stieg er zum Partner auf. Zuvor arbeitete Rothe bei Capnamic Ventures und DuMont Venture. In unserem VC-Interview spricht Rothe einmal ausführlich über millionenschwere Investments, Street Smartness und Glaskugeln.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Das wirklich Spannende an dem VC-Job ist Vielfalt der Themen sowie die Zusammenarbeit mit Gründer:innen. Teams zu unterstützen, die authentisch, motiviert und mit viel Leidenschaft dabei sind, den Status quo zu verändern, macht den eigentlichen Reiz aus. Geld ist dabei ein wichtiger Treibstoff, aber mit Sicherheit nicht der bestimmende Faktor.

Wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Das war wie so oft nicht geplant. Eine Affinität zur Start-up-Branche hatte ich früh. In meiner Schulzeit habe ich 1999 in Berlin in einem Startup gearbeitet und die heiße Zeit der New Economy aus der Startup-Perspektive miterlebt. Fasziniert von der Dynamik, bin ich der Branche treu geblieben. Während meines Studiums habe ich dann viel Zeit in verschiedenen Startups verbracht und 2007 ein Recruiting-Startup von der grünen Wiese mit aufgebaut. Die Wirtschaftskrise 2008 war nicht gerade zuträglich für ein junges Recruiting-Startups und hat uns die Bedeutung des richtigen Timings auf die harte Tour beigebracht. 2010 kam ich dann in die VC-Welt. Damals war die VC-Landschaft noch deutlich kleiner und vor allem von den Aktivitäten der Medienhäuser geprägt. Über einen gemeinsamen Kontakt habe ich damals das Team von DuMont Venture kennengelernt. Nach einem ersten Treffen im Café St. Oberholz in Berlin habe ich nicht lange gezögert und mich dem Team angeschlossen.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Demut und Verantwortung werden bei jedem Investment großgeschrieben, deshalb beteiligen wir uns bei Iris Capital auch mit dem eigenen Vermögen an unseren Fonds. Dazu kommt, dass keine Investitionsentscheidung aus dem Bauch heraus getroffen wird, stattdessen gibt es ein Teamsparring mit den Kollegen. Das hilft, um Investmenthypothesen zu validieren und Investitionsentscheidungen zu stützen.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen? Wie grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Iris Capital gehört zu den ältesten VCs in Kontinentaleuropa, wir bringen bereits über 35 Jahre Expertise mit. In dieser Zeit haben wir in über 300 Unternehmen investiert und konnten so ein sehr großes Netzwerk aufbauen. Dementsprechend profitieren Gründer:innen und Investoren:innen natürlich von einem enormen Erfahrungsschatz. Diese Erfahrung spiegelt sich auch im Investment-Team wider. Alle Kollegen:innen haben mindestens acht Jahre VC Erfahrung und bringen darüber hinaus zusätzlichen Expertise aus verschiedenen Branchen mit.
Wir haben bereits vielen Unternehmen geholfen, aus ihrem lokalen Markt heraus global zu skalieren, neue Märkte zu erschließen, beispielsweise in den USA Fuß zu fassen oder haben Börsengänge begleitet. Dabei sind wir getreu dem Motto „think global, act local“ mit Teams in den Startup-Hotspots von Paris über Berlin, München, Tel Aviv und Tokyo vertreten. Wir glauben, dass die lokale Nähe zu den Ökosystemen von Vorteil ist.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Geld ist in diesen Tagen kein sonderlich differenzierender Faktor, da ausreichend Kapital für gute Unternehmen im Markt ist. Wir wollen mit unserer Arbeitsweise, unserem Netzwerk und unserer Erfahrung punkten. Wir stehen unseren Gründer:innen nicht nur in der Early-Stage-Phase zur Seite, sondern unterstützen über den gesamten Lebenszyklus hinweg – natürlich auch mit Kapital. Die Themenfelder variieren dabei. Wir bringen uns aber regelmäßig bei den Themen Finanzierung, Strategie und Unternehmensentwicklung ein.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Investieren wir, gehen wir üblicherweise in den Beirat eines Unternehmens. Gerade bei jungen Unternehmen findet aber viel Austausch abseits der formalen Gremien statt. Die Zusammenarbeit im Daily Business läuft über individuelle Kommunikationstools – von E-Mail über Whatsapp bis Slack ist alles vertreten. Natürlich vermitteln wir auch zwischen unseren Portfoliounternehmen und fördern den Austausch – beispielsweise über den Iris Day, an dem alle Portfoliounternehmen und Netzwerkpartner zusammenkommen. Separat organisieren wir spezielle Formate – ausgerichtet auf die verschiedenen Bereiche unserer Unternehmen wie HR, Sales oder Tech.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
So hart es klingt, eine Idee ist erst einmal wenig wert. Für die Umsetzung spielt – gerade in der Frühphase – vor allem das Team eine große Rolle. Ein starkes Team lässt sich von Rückschlägen nicht beirren, ist lernfähig und dazu in der Lage, zu testen, iterativ vorzugehen und so lange zu tüfteln, bis der beste Product-Market-Fit gegeben ist. Klappt also die Umsetzung nicht, ist irgendwann kein Budget mehr da und dann bringt selbst die beste Idee nichts, wenn es nicht weitergeht.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus bzw. gibt es überhaupt das ideale Gründerteam?
Die Erfahrungswerte sagen nein. Ein komplementäres Gründerteam ist aber sicherlich von Vorteil. Mit zunehmender Größe steigt aber auch das Konfliktpotential innerhalb des Gründerteams. Ansonsten sind Soft Skills relevant, heißt, die Gründer:innen müssen den Markt sehr gut verstehen, einen starken Willen und viel Leidenschaft mitbringen – auch wenn es anstrengend wird – und Leadership Qualitäten mitbringen. Eine gewisse Street Smartness ist sicherlich auch von Vorteil.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Startup investiert: Bauchgefühl, Daten, beides oder was ganz anderes?
Es kommt tatsächlich drauf an, in welcher Phase das Startup steckt. Gerade in der Frühphase sind noch wenig Datenpunkte vorhanden. Dabei lässt man sich also häufig vom Team und seiner Idee begeistern und überzeugen. Da ist auch viel Bauchgefühl dabei. Bei Late-Stage-Unternehmen, die zehn Jahre auf dem Buckel haben, kommen andere Faktoren zum Tragen. In der Phase ist die Analyse logischerweise auch quantitativer, da einfach mehr Datenpunkte verfügbar sind.

Nicht jedes Startup läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Das Risiko, zu scheitern, ist in der Frühphase bekanntlich am größten. Hier gibt es auch die meisten Ausfälle. Wir unterstützen Unternehmen jedoch bestmöglich dabei, um Misserfolgen vorzubeugen. Aber trotz allem gehört Scheitern in der VC-Welt immer dazu. Es ist eher die Frage, wie man als Investor damit umgeht. Wir sind uns schließlich bewusst, dass wir ein Risiko eingehen und das dementsprechend einkalkulieren müssen. Sollte es mal nicht laufen, müssen wir gemeinsam mit dem Management eine Lösung finden und Schadensbegrenzung betreiben. Klar ist aber auch, dass die Gesamt-Performance eines VC-Fonds im Wesentlichen von den Gewinnern aus dem Portfolio getragen wird.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Startup die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Das Modell einen VC-Gebers beruht darauf, in das Wachstum und die damit verbundene Wertsteigerung von Unternehmen zu investieren. Wenn das Wachstum ausbleibt und Gründer und Gesellschafter zu den dann gegebenen Bedingungen keine Perspektive sehen, das Unternehmen neu zu positionieren oder eine Idee umzukrempeln, muss man die Reißleine ziehen. Oftmals liegt es auch einfach an externen Faktoren wie Marktveränderungen, Krisen oder auch aktuell der Ausbruch der Corona-Pandemie. Das gehört dazu und leider gibt es nicht immer ausreichend Zeit zu reagieren.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?
Es kommt wieder darauf an, in welcher Phase sich das Startup befindet. Gerade Early Stage kann man von Gründer:innen natürlich nicht verlangen, in die Glaskugel zu schauen. Aber es geht auch darum, Annahmen zu treffen, die dem zukünftigen Wachstum zugrunde liegen. Dazu gehören auch die spezifischen KPIs des Unternehmens, die es kontinuierlich zu überwachen gilt. In diesem Fall ist der Businessplan als Mess- und Reporting-Tool sehr wichtig. Je älter ein Unternehmen ist, desto bindender wird auch der Businessplan. Schließlich manifestiert dieser die gemeinsamen Ziele des dann oft größeren Gesellschafterkreises und hilft die Liquidität des Unternehmens im Auge zu behalten.

Wie spricht man als Gründer:in am besten einen Investor an?
In der Regel über das eigene Netzwerk und einen bestehenden Kontakt. Das klappt immer besser als die Kaltakquise. Wir bei Iris Capital schauen uns jeden Case an, egal, über welchen Kanal dieser den Weg zu uns findet. Aber auch bei uns gilt: eine Vorstellung über einen Kontakt erregt noch einmal zusätzliche Aufmerksamkeit.

Was sollten Gründer:innen vor Investoren niemals sagen oder tun?
Ein Pitch ist natürlich auch ein Sales-Prozess. Da ist es legitim, dass Gründer:innen ihr Unternehmen im besten Licht erscheinen lassen. Man sollte den Bogen aber nicht überspannen und zu stark übertreiben. Kein gutes Bild hinterlassen Teams, wenn sie vor Investoren streiten oder anfangen eine Rolle spielen. Ehrlichkeit, Authentizität und Transparenz währen stattdessen am längsten. Schließlich ist die Zusammenarbeit mittel- oder langfristig ausgelegt, da sollte man von Anfang an auf ein vertrauensvolles Verhältnis setzen.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
In über 35 Jahren VC-Aktivität hat sich sicherlich ein umfangreiches Anti-Portfolio aufgebaut. Das gehört leider auch dazu. Viel lernen kann man aus der Retrospektive aber leider nicht, da unser Geschäft von Outliern bestimmt wird. Oft haben Unternehmen in der Zwischenzeit einen Pivot hingelegt und sind am Ende mit einem anderen Modell erfolgreich geworden. Das beweist wieder die Wichtigkeit der Teamkomponente. Manchmal hat man das Potential eines Teams und einer Idee erkannt, den Deal aber verloren. Und ab und an wird man vom Erfolg eines Unternehmens überrascht und muss sich eingestehen, falsch gelegen zu haben. Das sind zum Glück die seltensten Fälle. Bei mir was das zum Beispiel bei den Kochboxen-Abos der Fall.

Tipp: Noch mehr Interviews mit Venture Capiztal-Gebern aus Deutschland gibt es in unserem Themenschwerpunkt VC-Interview.

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Foto (oben): Iris Capital

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.