“Am wichtigsten ist es, darauf zu achten, dass man nicht in Endlostagen versinkt”
Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Christian Rebernik, Gründer von Tomorrow’s Education. Das junge Berliner EdTech bietet das berufsbegleitende Masterprogramm “Sustainability, Entrepreneurship and Technology (SET)” an, das auf der eigens dafür entwickelten Plattform verfügbar ist.
Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich bin Frühaufsteher. Der Morgen ist für mich gut planbar und ich bin zu dieser Zeit sehr produktiv. Meist stehe ich vor 5 Uhr auf und meditiere. Danach teile ich auf unserer virtuellen Plattform mit anderen, was ich geschafft habe, was ich vor habe und wo ich Hilfe benötige. So kann jeder sehen, mit was ich gerade beschäftigt bin. Danach nehme ich mir Zeit, um zu Lernen und zu Experimentieren. Gegen 7 Uhr mache ich Sport. Ich laufe gerne oder bei schlechtem Wetter rudere ich am Home-Trainer oder mach ein High Intensity Training. Bevor mein eigentlicher Arbeitstag losgeht, frühstücke ich mit der Familie und gehe dann in mein Home Office.
Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Indem ich Zeit mit meiner Familie verbringe. Ich habe drei noch junge Kinder. Ein wunderschönes Abendritual ist Vorlesen. Das genieße ich sehr. Durch Corona haben wir ja alle die Arbeit mit nach Hause gebracht. Es ist also noch wichtiger geworden, einen Endpunkt zu setzen und sich Zeit für andere Dinge zu nehmen.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Viele Dinge brauchen Struktur, Wiederholung, Regelmäßigkeit. Man kann wirklich sehr viel mehr erreichen, wenn man sich etwas zur Gewohnheit macht und nach einem immer wiederkehrenden Muster erledigt. Die meisten Menschen nehmen sich vor, fit werden zu wollen. Das ist ein Ziel, an dem viele scheitern, weil der Berg zu groß ist. Wenn ich aber sage, ich mache jeden Tag fünf Übungen, gleich nachdem ich aufstehe, dann ist das machbar. Nach ein paar Wochen ist es eine Gewohnheit. Stück für Stück kann ich das Training intensivieren oder ausarbeiten. Der Erfolg stellt sich ein, weil ich dran bleibe. Im Job ist es nicht anders. Man definiert anspruchsvolle, aber erreichbare Ziele, überlegt mit welchen Schritten die Umsetzung gelingt, und integriert sie in den Arbeitsalltag. Am Anfang braucht man noch Zeit, aber irgendwann hat man sie verinnerlicht. Dann geht man einen Schritt weiter, nimmt neue Aufgaben hinzu. Auch hier wird erfolgreich sein, wer beharrlich an seinen Zielen bleibt und diese immer wieder an neue Gegebenheiten anpasst.
Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Bevor man gründet, muss man von einer Sache überzeugt sein. Bei Tomorrow’s Education war mir rasch klar: der Bildungsbereich braucht dringend neue Impulse. Unser Bildungssystem ist in alten Strukturen festgefahren und die Art und Weise, wie wir an Schulen und Universitäten lernen, hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum geändert. Man muss aber dennoch genau prüfen, ob die Idee umsetzbar ist und es einen Markt dafür gibt. Unsere Ausgangsfrage war: Wie können wir Menschen in ihrer Wirksamkeit unterstützen? Wie können wir ihnen helfen, ihre Ziele zu erreichen? Die Lösung, die wir anbieten, basiert auf einer mobile-first Lernplattform, einer aktiven Lernmethode und zukunftsorientierten Inhalten, kurz: eine University in Your Pocket. Durch die Plattform hat man rund um die Uhr Zugang zu unserem Programm. Man kann selbst entscheiden, wann und auf welchem Endgerät man lernen will. Die Plattform ist aber vor allem Mittel zum Zweck. Im Kern geht es darum, das Lernen selbst effizienter und erfüllter zu machen – das betrifft ja auch Gründer:innen. Bei Tomorrow‘s Education lernt man in kurzen Sequenzen, interaktiv, projektorientiert. Inhaltlich ist unser Angebot auf die Fähigkeiten ausgerichtet, die in Zukunft entscheidend für den Erfolg des Einzelnen sein werden: eine Kombination aus unternehmerischen Fähigkeiten, der Kenntnis neuester Technologien und dem Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Deshalb ist unser erstes Angebot, der Professional Master in Sustainability, Entrepreneurship and Technology, genau auf diese Inhalte zugeschnitten.
Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Mit 6Voices habe ich ein Voice-First Startup gegründet, dass sich zum Ziel gesetzt hat, Meetings besser zu machen. Dafür haben wir den Sprachassistenten Mia entwickelt, der eine Agenda vorbereitete, Meeting Minutes erstellte, To-dos anlegte und Folgetermine erzeugte. Dabei habe ich unterschätzt, wie unreif die Sprachtechnologie zu diesem Zeitpunkt war. In der Theorie, wenn alle Teilnehmeneden glasklar gesprochen haben, hat das Produkt funktioniert. In der Praxis laufen Meetings anders ab, und Leute sprechen übereinander, halten sich nicht an die Agenda. Es war uns nicht möglich, dies zum damaligen Zeitpunkt in den Griff zu bekommen. Daher musste wir nach drei Monaten das Projekt wieder stoppen. Bevor man prüft, ob das Produkt zur Nachfrage im Markt passt, muss man sicherstellen, dass die Lösung funktioniert. Frühe Validierung ist wichtig, dass ist mir mehr bewusst als vorher und ich bin kreativer geworden bei der Validierung von Ideen.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Im Laufe seines Lebens lernt man viele Menschen kennen und baut sich so ein Netzwerk auf. Wenn man gründet, ist dieses Netzwerk besonders wichtig, da es helfen kann, gute Mitarbeiter:innen zu finden. Beispielsweise kann man die Top 10 Leute kontaktieren, die sich in diesem Bereich auskennen und sie fragen, ob sie weitere Kontakte aus ihrem Netzwerk empfehlen können. Und schon habe ich weitere Ansprechpartner:innen, denen ich die gleiche Frage stellen kann. Dadurch lernt man nicht nur tolle Menschen kennen, man bekommt durch ein solches Netzwerk wertvolles Feedback, Tipps und neue Ideen.
Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Am wichtigsten ist es, darauf zu achten, dass man nicht in Endlostagen versinkt. Irgendwann muss man den Arbeitstag beenden, essen, schlafen, Sport treiben, gemeinsam mit der Familie abendessen. Man muss sich Zeit nehmen, um die eigenen Batterien wieder aufzufüllen und die gesunden Gewohnheiten aufbauen, von denen ich anfangs gesprochen habe.
Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
In der momentanen Corona-Situation haben uns Videokonferenzen am Leben erhalten. Ich glaube, dass dies die Arbeitswelt nachhaltig verändern wird. Es ist nicht mehr wirklich wichtig, wo die Mitarbeiter sitzen. Unser Team ist auf der ganzen Welt verteilt, von Kalifornien bis Indonesien.
Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Wir nehmen uns immer freitags eine Stunde Zeit, auf der jeder im Team vorstellen kann, was ihn oder sie die Woche über beschäftigt hat und auf was er oder sie besonders stolz ist. Es ist toll, zu sehen, wie viel Enthusiasmus in die Weiterentwicklung von Tomorrow‘s Education einfließt. Das ist sehr inspirierend und erzeugt gute Stimmung.
Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Das war sicherlich der Launch der Gesundheitsapp Vivy. Als Gründer haben wir lange Zeit nicht gewusst, ob das Thema überhaupt jemanden interessiert. Und dann gab es einen riesigen Ansturm gleich am ersten Tag. Wir waren in allen Medien und hatten unmittelbar nach dem Launch der App über 70.000 verifizierte Nutzer. Das war wirklich verrückt.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.
Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.