#Gastbeitrag

Management-Herausforderungen in Zeiten von Corona

Eine der großen Herausforderungen ist es, die Einstellungen der Unternehmen nachhaltig zu verändern, welche sich den flexiblen Arbeitsmodellen jahrelang verwehrt haben. Denn es gilt, Mitarbeitern zu vertrauen, sie zu unterstützen und sie vor allem nicht ständig zu kontrollieren.
Management-Herausforderungen in Zeiten von Corona
Mittwoch, 18. November 2020VonTeam

Der zweite Lockdown in Deutschland hat begonnen und wieder gibt es neue Einschränkungen, damit wir die Krise gemeinsam meistern können. Mit den Regeln kommt auch der erneute Appell der Bundesregierung: „Die Arbeitgeber haben eine besondere Verantwortung für ihre Mitarbeiter, um sie vor Infektionen zu schützen. Bund und Länder fordern die Unternehmen eindringlich auf, jetzt wieder angesichts der hohen Infektionszahlen, wo immer dies umsetzbar ist, Heimarbeit oder mobiles Arbeiten zuhause zu ermöglichen.“

Da viele Arbeitnehmer – sofern sie mit Computer und Telefon arbeiten – eh seit März im Homeoffice sind, ändert sich für diese wenig. Die Vorteile, mehr Flexibilität und bessere Vereinbarung von Beruf und Freizeit, gelten leider selten für diejenigen, die nach wie vor jeden Tag an ihren Arbeitsplatz fahren müssen. Beide Seiten bedeuten eine hohe Herausforderung für Unternehmen. Einerseits gilt es natürlich, eine passende und sichere Umgebung zu schaffen. Andererseits – und oftmals vergessen – sind Arbeitgeber damit konfrontiert, das Team nicht aus den Augen zu verlieren. Wie schafft man es, nicht austauschbar zu werden, wie hält man den persönlichen Austausch aufrecht und wie kann der Teamzusammenhalt auch digital gefördert werden?

Bei uns arbeiten wir schon lange mit Kollegen auf der ganzen Welt: Neben unseren Standorten in Berlin (HQ), München, London, New York und Sydney haben wir noch Kollegen und Freelancer über den ganzen Globus verteilt. Das Konzept des flexiblen Arbeitens inklusive Videokonferenzen, digitalem Recruiting und Tools wie Slack und co. sind für uns also ganz normal. So wird es möglich, die besten Mitarbeiter zu finden – ganz egal wo sie wohnen. Bei den großen Tech-Konzernen wie Apple, Google oder Paypal ist das bereits Standard. Flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Regelungen sind selbstverständlich. Und das ist auch wichtig, denn wer global arbeitet, muss auch mit Kollegen in anderen Zeitzonen sprechen. Wer von seinen Mitarbeitern Meetings um 23 Uhr oder morgens um 6 erwartet, muss entsprechende Flexibilität bei der Tagesgestaltung einräumen.

Vertrauen und Teamgefühl stärken

Eine der großen Herausforderungen ist es, die Einstellungen der Unternehmen nachhaltig zu verändern, welche sich den flexiblen Arbeitsmodellen jahrelang verwehrt haben. Denn es gilt, Mitarbeitern zu vertrauen, sie zu unterstützen und sie vor allem nicht ständig zu kontrollieren – obgleich sie zu Hause sitzen und dort das tägliche Arbeitspensum nicht direkt nachvollziehbar ist. Eine solche Umstellung braucht normalerweise Zeit – die wir aktuell nun mal nicht haben. Wir arbeiten zum Beispiel ergebnisorientiert und vertrauen unseren Mitarbeitern und ihren Fähigkeiten. Für das Endprodukt spielt es keine Rolle, ob es am Küchentisch, am Strand oder im Zug entstanden ist. Wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen und sich in ihrer Arbeit wertgeschätzt fühlen.

Viel wichtiger ist es, die Mitarbeiter auch digital bei Laune zu halten, die Unternehmenskultur sowie das Teamgefühl weiterhin zu fördern und nicht den persönlichen Kontakt zu verlieren – ganz ohne Kaffeemaschinen-Smalltalk und gemeinsames Lunchen. Ansonsten ist ein Arbeitgeber sehr schnell austauschbar. Hier sind Vorgesetzte gefragt. Für uns war das schon eine Herausforderung, da ein großer Teil von unserer Unternehmenskultur durch persönliche Veranstaltungen geschaffen und aufrechterhalten wurde. In der Vergangenheit haben wir unser gesamtes globales Team zweimal im Jahr zusammengebracht. Das fällt nun weg. Jetzt organisieren wir kleinere virtuelle Events – zum Beispiel Roundtables, Quizze oder eine Murder Mystery-Veranstaltung – damit die Teams in persönlichem Austausch bleiben.

Kommunikation ist unser wichtigstes Werkzeug – innerhalb des Managements und vor der ganzen Mannschaft. Das war vor Corona auch schon so, doch ist die Wichtigkeit von Transparenz und Zusammenhalt noch gestiegen. Eine Unternehmensführung muss zusammenarbeiten und sich in ihre Mitarbeiter hineinversetzen, um deren Herausforderungen besser zu verstehen. Eltern zum Beispiel sahen sich vor allem in der ersten Lockdown-Phase mit geschlossenen Schulen und Kindergärten einer besonders harten Doppelbelastung konfrontiert. Wir baten alle um Verständnis für Kollegen mit Kindern und einzuspringen, wenn nötig. Das gilt aber ausnahmslos und immer auch für alle anderen, die mal die Unterstützung brauchen, weil die persönliche Situation gerade herausfordernd ist.

Was sich für das HR verändert hat

Oft vergessen werden die Personalabteilungen, die aktuell unter hohem Druck stehen. Zum Beginn der Krise haben wir bei uns das gesamte Recruiting gestoppt. Im Juli ging es dann vorsichtig und sehr konservativ wieder los, seit Oktober sind wir wieder in unserem Normalmodus. Eine ähnliche Unsicherheit war insgesamt auf dem Markt zu beobachten – und das vor allem auf Seiten der Arbeitnehmer: es gab nur eine geringe Bereitschaft, einen Neustart mit Probezeit zu wagen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt gibt es dieses Zögern nicht mehr – und wir sind hierzulande wieder auf dem gleichen Stand vom letzten Jahr angekommen. In den USA sieht es jedoch ganz anders aus. Durch die Krise und wirtschaftliche Instabilität ist die Arbeitslosigkeit gestiegen.

Auch die Prozesse an sich müssen in Corona-Zeiten angepasst werden. Vom Erstgespräch bis zur Vertragsunterzeichnung und dem Arbeitsbeginn ist alles überwiegend digital per Videokonferenz. Glücklicherweise haben wir ein gutes Team und nutzen die passenden technischen Tools. So hat es bisher gut funktioniert. Neue Kollegen stellen sich in einem monatlichen digitalen Meeting der ganzen Firma vor, es gibt Einarbeitungspläne und Video-Kennenlerntreffen.

Das Fazit

Während Homeoffice die sicherste Variante ist und auch einige Vorteile mit sich bringt, fehlt die persönliche Verbindung. Schnell dreht sich das Arbeiten oft nur noch um Aufgaben und Ziele, das Teamgefühl verschwindet schleichend. Doch sollten die Menschen dahinter nicht vergessen werden. Digitale Meetings lassen keine Zeit mehr für einen kurzen privaten Schnack, wie wäre es mit einer Lunch-Lotterie, Quiznachmittagen oder einem gemeinsamen Sportprogramm, um den Zusammenhalt wieder zu stärken? Wichtig: Diese sollten im Rahmen der regulären Arbeitszeiten stattfinden, ansonsten macht nur ein kleiner Teil mit. Sicher ist nicht jede Maßnahme für alle Unternehmen gleichermaßen passend. Doch zeigen Sie Ihren Mitarbeitern damit, dass Sie sich Gedanken machen, dass sie wertgeschätzt werden und deren Einsatz wichtig ist. Wer gemeinsam an einem Strang zieht, wird auch einigermaßen glimpflich aus der Corona-Zeit herauskommen

Über den Autor
Johannis Hatt ist Mitgründer und CEO von Productsup, wo er für die globale Unternehmensstrategie und -entwicklung verantwortlich ist. Hatt ist Serial Entrepreneur und hat eine Reihe von Unternehmen gegründet, darunter einen Digitaldruckdienst, der eine strategische Partnerschaft mit Hewlett-Packard eingegangen ist, dem führenden deutschen Netzwerk für vertikale Inhalte Faceadnet (von Ströer übernommen), und NativeAds (fusioniert mit Seeding Alliance, später von Ströer übernommen). Er ist darüber hinaus ein Angel-Investor und unterstützt Start-ups wie Lillydoo.

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Foto (oben): Shutterstock