#Interview

“Wir sehen uns als erwachsenes, mittelständisches Startup”

Lillydoo läuft und läuft und läuft! 2018 erwirtschaftete das junge Unternehmen bereits beachtliche 40 Millionen Euro Umsatz. Und die Frankfurter wollen mehr, viel mehr! Jetzt steigt Lillydoo auch in den Markt für Damenhygieneprodukte ein.
“Wir sehen uns als erwachsenes, mittelständisches Startup”
Donnerstag, 18. Juni 2020VonAlexander

Das Frankfurter Startup Lillydoo verkauft seit 2015 vor allem Windeln und Feuchttücher. 2018 erwirtschaftete das Unternehmen, das 220 Mitarbeiter beschäftigt, bereits 40 Millionen Euro Umsatz. “Mit unserer Plattform beliefern wir europaweit über 110.000 aktive Abonnenten. In Deutschland kennen drei von vier Eltern in unserer Zielgruppe heute Lillydoo als Marke”, sagt Gerald Kullack, der das Startup gemeinsam mit Sven Bauer gegründet hat.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Lillydoo erklären?
Ich wäre zuerst einmal überrascht, wenn meine Großmutter, die im Übrigen 91 Jahre alt ist, wüsste, was genau ein Startup ist. Aber Spaß beiseite: Lillydoo produziert und verkauft besonders hochwertige Hygieneprodukte im Baby- und Damenpflege-Bereich, zum Beispiel Windeln, Feuchttücher, Tampons und Binden. Wir sind ein Premiumanbieter, der großen Wert auf Qualität, Haut- und Umweltverträglichkeit sowie Design legt. Darüber hinaus bieten wir einen besonderen Service, indem wir unsere Produkte versandkostenfrei und verlässlich direkt zu unseren Kunden nach Hause liefern. Über unseren Online-Shop können diese sich Lillydoo-Produkte bequem nach Hause bestellen, entweder per Einzelkauf oder regelmäßig per Abo.

Hat sich das Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Ja, wir haben uns seit unserer Gründung 2015 stetig weiterentwickelt. Das betrifft zum einen unser Produktportfolio: Zu Beginn haben wir lediglich Windeln hergestellt. Heute bieten wir auch Hautpflegeprodukte, Feuchttücher und seit neuestem Damenhygieneprodukte an. Zum anderen haben wir auch unser Vertriebsmodell von rein Online auf Omni-Channel ausgeweitet. Neben unserer hauseigenen Online-Plattform vertreiben wir unsere Produkte seit 2018 auch bei ausgewählten Vertriebspartnern im stationären Einzelhandel.

Mit mia steigt ihr nun auch in den Markt für Damenpflegeprodukte ein. Was versprecht ihr euch von dieser Erweiterung?
Hinter mia steckt unsere Vision, Lillydoo zu einer internationalen Mehrmarkenplattform auszubauen. Wir nutzen unsere etablierte Infrastruktur, um Schritt für Schritt weitere Premiummarken und Produkterweiterungen einzuführen. So wollen wir neue Kunden gewinnen und Wachstumsmärkte erschließen. Damenpflegeprodukte sind für uns der nächste logische Schritt, um diese Strategie umzusetzen. Insbesondere Regelprodukte sind als Fast Moving Consumer Goods (FMCG) sehr nah an unserem bisherigen Produktfokus. Sie eignen sich hervorragend für ein bequemes Abo-Modell über etablierte Online-Kanäle.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Unser Geschäftsmodell hat sich in der aktuellen Situation als äußerst robust herausgestellt. Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten sogar zum Teil einen Anstieg der Nachfrage nach unseren Produkten erlebt. Gerade im Lockdown und Homeoffice nutzen unsere Kunden die Möglichkeit, sich unsere Babypflegeprodukte bequem nach Hause liefern zu lassen. Andererseits wurden wir in der Zeit auch vor neue Herausforderungen gestellt: Wir mussten auf der einen Seite die Gesundheit unserer Mitarbeiter schützen und auf der anderen Seite die Lieferketten und Logistik am Laufen halten. Das war sicherlich eine herausfordernde Zeit für alle Beteiligten in unserer Branche – an die wir uns in den vergangenen Wochen und Monaten jedoch erfolgreich angepasst haben.

Wie ist überhaupt die Idee zu Lillydoo entstanden?
Aus unserer Sicht hat sich die die FMCG Branche in den letzten Jahren rapide gewandelt. Früher hat es ausgereicht, ein im Einzelhandel gelistetes Produkt durch einen klassisch geprägten Medienmix zu bewerben. Starke Marken mit einer hohen Bekanntheit und einer breiten Handelspräsenz konnten sich über Jahrzehnte mit dieser Strategie erfolgreich am Markt behaupten. US-Marken wie Dollar-Shave-Club oder Harry‘s haben gezeigt, wie erfolgreich man neue FMCG-Marken einführen und als kleines Speedboat an den großen etablierten Flaggschiffen vorbeiziehen kann. Auf so einem Speedboat wollten auch wir arbeiten. Und da sich in der Windelkategorie seit Jahren wenig Disruptives getan hatte und immer mehr Kunden online Windeln kaufen, sind wir in dieser Kategorie durchgestartet. Zudem ist sie eine der tollsten und emotionalsten Kategorien. Das kann mein Mitgründer Sven, der selber gerade Vater geworden ist, bestätigen!

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Lillydoo verfolgt ein Omni-Channel-Modell. Wir vertreiben unsere Produkte primär digital und Direct-to-Customer (DTC) und mithilfe eines komfortablen Service-Modells. Unsere Online-Plattform ist ein Shop-in-Shop für Premiummarken wie Lillydoo und mia und wir beliefern derzeit mehr als 110.000 aktive Abonnenten in Europa. Zusätzlich arbeiten wir mit ausgewählten Vertriebspartnern im Einzelhandel zusammen. Durch dieses Modell sind wir näher am Kunden als die klassische FMCG-Industrie und verfügen über ein tiefes, datenbasiertes Verständnis für die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kunden. Wir können Trends früher erkennen und Innovationen schneller umsetzen.

Wie hat sich Lillydoo seit der Gründung entwickelt?
Wir haben Lillydoo 2015 zu zweit, quasi in Svens Wohnzimmer gegründet. Heute sehen wir uns als erwachsenes, mittelständisches Startup. Wir vertreiben unsere Produkte in sieben Ländern und sind der europaweit führende Direct-to-Customer-Anbieter für Windeln und Babyhygieneprodukte. Zudem verfügen wir über wichtige strategische Investoren, die uns dabei unterstützen, der führende Direct-to-Customer-Anbieter für Hygieneprodukte in Europa zu werden.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Lillydoo inzwischen?
Lillydoo beschäftigt heute 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir verfügen über zwei Tochterfirmen und Standorte in Frankfurt und Berlin, wo wir seit 2018 auch ein eigenes Logistikzentrum betreiben. Im Geschäftsjahr 2018 haben wir einen Umsatz von 40 Millionen Euro erzielt. Mit unserer Plattform beliefern wir europaweit über 110.000 aktive Abonnenten. In Deutschland kennen drei von vier Eltern in unserer Zielgruppe heute Lillydoo als Marke.

2020 plant ihr laut eurem letzten Jahresabschluss ein “positives Jahresergebnis”. Sicher, dass das klappt?
Diese Prognose gestaltet sich vor dem Hintergrund der aktuellen Covid-19-Situation leider schwierig. Wir haben weiterführende Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz unserer Mitarbeiter in unserer Lieferkette ergriffen, die eine unvorhergesehene Kostenposition darstellen. Wir halten aber daran fest, in den kommenden Jahren ein positives Ergebnis erzielen zu wollen. Dies ist für uns ein enorm bedeutender Schritt um weiter in Wachstum investieren zu können.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
So richtig schief gegangen ist die Einführung unseres ERP-Systems, das wir im Januar 2018 einführen wollten. Tatsächlich reibungslos funktioniert hat das System nach unendlich vielen manuellen Korrekturen und einem Relaunch erst letztes Jahr. Das hat unser Team gehörig beschäftigt, war in keiner Weise ein Highlight und alles andere als eine Punktlandung. Umso schöner ist es zu wissen, dass wir heute nicht nur ein funktionierendes ERP-System haben, sondern intern auch immer mehr Prozesse und Datenflüsse automatisieren. Dagegen ist unser heute vollfunktionsfähiges ERP-System, ein echter Segen. Heute sind wir in der Lage alle Datenströme zu vereinen und verfügen über ein Warehousemanagement-System, ein umfängliches P&L-Reporting und Planungstools. Zudem launchen wir gerade ein eigens konzipiertes und voll integriertes Datawarehouse. Dieses bildet die Basis für ein immer ausgeprägteres Konsumentverständnis und voll personalisiertes Marketing.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Wir hatten von Tag Eins die große Chance, auf einem enorm breiten Business-Angel-Netzwerk aufbauen zu können. Das hat es uns ermöglicht, schnell zu starten und durch die vielen wertvollen Erfahrungen unserer Angel den einen oder anderen Stolperstein in den ersten Jahren auszulassen. Das erstreckt sich auf eigentlich alle Themen von der Gesellschaftsgründung und Markenbildung, über die Personalstrategie bis hin zur Logistik.

Gefühlt hat bei Lillydoo die gesamte Berliner Angel-Szene investiert. Inwiefern hat sich das gelohnt?
Ja, unser Geschäftsmodell findet großen Anklang bei Investoren und wir sind wie erwähnt stolz auf unser breites Business-Angel-Netzwerk. Gleichzeitig wählen wir uns unsere Investoren aber bewusst aus. Wir suchen strategische Partner, die nicht nur Kapital beisteuern, sondern uns auch bei unserer Entwicklung zum führenden DTC-Unternehmen für Hygieneprodukte in Europa unterstützen können und wollen. Mit Blick auf unsere bisherige Entwicklung kann ich behaupten, dass wir mit dieser Strategie und unseren Business Angels sehr gut gefahren sind.

Wo steht Lillydoo in einem Jahr?
Wir werden im Laufe des Jahres weiter an unserem Ausbau zur internationalen Mehrmarken-Plattform arbeiten. Für das laufende Geschäftsjahr sind bereits weitere neue Produktreihen geplant. Insgesamt planen wir 2020 mit einem Wachstum im mittleren zweistelligen Prozentbereich. Neben unserem Lillydoo-Produktsortiment soll auch unsere neue Marke mia zu diesem Wachstum beitragen. Neben Wachstum fokussieren wir uns in der aktuellen Situation natürlich auch stark darauf, als Unternehmensgruppe profitabel zu werden. In einzelnen Märkten gelingt und das bereits, was es uns ermöglicht, weiter in Wachstum zu investieren.

Startup-Jobs: Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung? In der unserer Jobbörse findet Ihr Stellenanzeigen von Startups und Unternehmen.

Foto (oben): Lillydoo

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.