#Interview

“Unsere Mitarbeiter haben insgesamt bereits über 25 Startups gegründet”

Das 2014 gegründete FinTech ryd bietet unter anderem eine bargeldlose Bezahlfunktion direkt an der Zapfsäule an. Derzeit arbeitet das Startup am "europäischen Rollout" der Idee. Mastercard und Co. investierten zuletzt Millionen dafür in die Jungfirma aus München.
“Unsere Mitarbeiter haben insgesamt bereits über 25 Startups gegründet”
Mittwoch, 11. März 2020VonAlexander Hüsing

Das Münchner Startup ryd, ehemals TankTaler, bietet mit ryd pay eine bargeldlose Bezahlfunktion direkt an der Zapfsäule an. ryd box, ein OBD2-Stecker, wiederum verwandelt jedes Auto in ein Smartcar. Mastercard und ein süddeutscher Automobilhersteller investierten kürzlich einen zweistelligen Millionenbetrag in das 2014 gegründete FinTech. “Wir beschäftigen derzeit knapp 50 Mitarbeiter. Weitere 20 Stellenanzeigen sind im Moment noch offen. Mit unseren API-Anbindungen erreicht ryd derzeit mehr als 1,2 Millionen Nutzer”, sagt Gründer Oliver Götz. Im Interview mit deutsche-startups.de sprechen Götz und ryd-Chef Johannes Martens außerdem über verpasste Flüge, Weltmarken und Bordcomputer.

Wie würdest Du Deiner Großmutter ryd erklären?
ryd macht Autofahren komfortabler. Mit ryd pay zahlst Du einfach per Handy direkt an der Zapfsäule. Du sparst Dir den Weg in den Tankstellen-Shop und es schimpft keiner mehr in der Schlange hinter Dir, wenn Du das Kleingeld suchst. Außerdem bist Du viel schneller bei Deinem Bridge-Abend mit Erna. Fun Fact: der 82-jährige Großvater eines Kollegen schickt jedes Mal stolz ein Foto von der Tankstelle, wenn er mit ryd pay bezahlt hat.

Hat sich euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert?
Der Schwerpunkt hat sich immer wieder etwas verschoben. Zum Beginn lag der Fokus eher auf einem Bonuspunkte-Modell. Die ryd box wurde damals noch kostenlos verteilt. Mittlerweile liegt der Fokus von ryd darauf, dass wir Autofahren ganzheitlich einfacher, komfortabler und smarter machen. Zum einen über das schnelle Bezahlen mit ryd pay, zum anderen durch die Features unseres OBD2-Steckers, der ryd box. Stichwort: Telematik. Letzteres ist vor allem für unsere Partner aus der Versicherungsbranche ein ganz wichtiges Thema für die Zukunft.

Zum Beginn hieß euer Startup Tanktaler. Hat sich die 2018 vollzogene Umbenennung gelohnt?
Absolut! Zum einen, weil der Name Tanktaler nicht mehr dem nun viel breiterem Geschäftsmodell entsprach. Und zum anderen, weil er für eine Internationalisierung nicht geeignet war. Internationale Investoren haben in Tanktaler meist einen “gepanzerten Schneider” gesehen.

Mastercard und ein Automobilhersteller investierten kürzlich einen zweistelligen Millionenbetrag in ryd. Wofür braucht ihr all das Geld?
ryd will bis 2024 ganz Europa erobern. Mit Mastercard und dem süddeutschen Premium Automobilhersteller haben wir zwei wichtige Partner, die ryd für den EU-Rollout finanziell und strategisch unterstützen.

Wie ist überhaupt die Idee zu ryd entstanden?
Wegen eines verpassten Flugs. Auch wenn da auf den ersten Blick kein Zusammenhang besteht. ryd-Gründer und Executive Chairman Oliver Götz hat vor einigen Jahren einen wichtigen Flug verpasst, weil er an der Tankstelle zu lange warten musste. Der Gedanke damals war: im Zeitalter von IoT muss das doch schneller und einfacher gehen? Heute wissen wir: ja, geht es. Dank ryd pay.

Wie genau funktioniert eigentlich euer Geschäftsmodell?
Über den Stecker wissen wir ob das Auto Treibstoff braucht. Wir laden also unsere Nutzer ein an ryd Akzeptanzstellen zu tanken, kaufen Sprit bei den Tankstellen ein und verkaufen diesen dann über ryd pay an unsere Kunden weiter. Zusätzlich helfen wir Tankstellen Ihre Kunden besser zu verstehen und Ihnen den richtigen Service zur richtigen Zeit anzubieten. Im Bereich ryd box und ryd fleet sprechen wir von einem klassischen B2C bzw. einem B2B2C Modell in Zusammenarbeit mit unseren – unter anderem – Versicherungspartnern.

Wie hat sich ryd seit der Gründung entwickelt?
In Anbetracht dessen, dass wir vor wenigen Wochen eine erfolgreiche Finanzierungsrunde mit zwei Weltmarken und damit einhergehend den europäischen Rollout von ryd verkünden konnten, würde ich bei aller Zurückhaltung sagen: sehr, sehr gut. Die Resonanz auf das Investment war sehr positiv. Große Konzerne, die uns vor wenigen Jahren noch hingehalten haben und teils belächelt haben, rufen jetzt an und wollen dringend mit uns über die Zukunft sprechen. Wir sind auf dem richtigen Weg und sind top motiviert für die Zukunft.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist ryd inzwischen?
Wir beschäftigen derzeit knapp 50 Mitarbeiter. Weitere 20 Stellenanzeigen sind im Moment noch offen. Mit unseren API-Anbindungen erreicht ryd derzeit mehr als 1,2 Millionen Nutzer. Zum Umsatz können wir leider keine Angaben machen.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Unsere Mitarbeiter haben insgesamt bereits über 25 Startups gegründet und viele davon erfolgreich verkauft. Viele “typische Startup-Fehler” haben wir bereits vor ryd gemacht. Und zum Glück viel daraus gelernt. Die Umstellung von kostenlosem Tanktaler-Stecker auf ein kostenpflichtiges Modell hätte man dennoch besser abwickeln können.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Konsequent und unnachgiebig das Kernthema ryd pay voranzutreiben war essentiell. Eine Lösung, die den Endkunden in den Mittelpunkt setzt und sein Leben einfacher macht, wird sich immer gegen alle Widerstände durchsetzen.

Wo steht ryd in einem Jahr?
In einem Jahr wird man mit ryd pay an einem dichten Tankstellennetz in ganz Deutschland bezahlen können und dies sogar in Neufahrzeugen direkt aus dem Bordcomputer des Autos heraus. Zum anderen wird der europäische Rollout vorangetrieben und ryd neben Deutschland und der Schweiz, auch in Österreich, BeNeLux, Spanien und Portugal vertreten sein.

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.