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Finanzguru-Megadeal: Umsatz ist nicht immer alles #DHDL

Fälschlicherweise entsteht oft der Eindruck, Umsatz wäre so ziemlich die einzige Kennzahl, die Investoren interessiert und sie zu ihrer Bewertung kommen lässt. Der Fall Finanzguru zeigt, dass sie sich auch anders überzeugen lassen – wenn man weiß, wie man mit seinen Kennzahlen arbeiten kann.
Finanzguru-Megadeal: Umsatz ist nicht immer alles #DHDL
Mittwoch, 3. Oktober 2018VonTeam

Auch wenn die Finanzguru-Gründer ein paar mehr Prozente ihres Unternehmens abgeben mussten, als sie sich vorgestellt haben – die Post-Money-Bewertung von 6,67 Millionen Euro erscheint vor dem Hintergrund, dass ihre App bisher nicht einmal Umsätze generiert, doch ziemlich hoch. Hat Carsten Maschmeyer mit der höchsten Einzel-Deal-Zusage der DHDL-Geschichte etwa daneben gelegen? Das allein am fehlenden Umsatz festmachen zu wollen ist in so frühen Phasen nicht sinnvoll, da hier oft ganz andere Indikatoren Aufschluss über das Potenzial eines Unternehmens geben. Zumal bei Finanzguru auch noch die besonderen Umstände der Branche erschwerend hinzu kommen.

Zunächst einmal ist bereits eine siebenstellige Summe in das Startup geflossen, und prinzipiell können frühere Bewertungen als Startpunkt für Verhandlungen herangezogen werden. Dies liegt vor allem daran, dass bestehende Investoren einer sogenannten Downround – also einer Bewertung, die unter der vorhergehenden liegt – selten zustimmen. Tun sie dies doch, geht das meistens vor allem auf Kosten der Gründer: sie müssen den Bestandsinvestoren dann oft die Differenz in irgendeiner Form ausgleichen. Übrigens mit ein Grund, warum überhöhte Bewertungen meistens auch nicht im Sinne der Gründer sind. Vor allem bei erfahrenen und bekannten Investoren in den vorangegangenen Runden hat man also eine sehr gute Chance, dass der potenzielle Folgeinvestor die frühere Bewertung als Untergrenze akzeptiert. Und schließlich muss das bisher ins Unternehmen geflossene Kapital auch irgendwie berücksichtigt werden.

Doch es ist nicht so, als hätten die Gründer-Zwillinge von Finanzguru nicht mehr zu bieten gehabt: die Download-Zahlen hatten sich zuletzt mit einer Wachstumsrate von circa 80 % sehr gut entwickelt, und von 3.500 Nutzern, die die Finanzguru-App heruntergeladen haben, haben 2.500 auch ihr Bankkonto verknüpft. Die Conversion Rate in diesem wichtigen Schritt liegt also bei ca. 71 %, verhältnismäßig wenig Nutzer werden also zwischen Download und dieser kritischen Datenübergabe verloren. Dies alles wurde mit einem Marketing-Budget von nur circa 3.000 Euro erreicht, was schon eine gute Vorstellung von den späteren Customer Acquisition Costs liefert.

Die Gründer argumentieren weiter, dass es Ihnen wichtig war, zunächst eine Anwendung zu entwickeln, die die Nutzer überzeugt, bevor sie die Monetarisierung angehen. Dies ist in einem recht schwierigen und stark regulierten Umfeld, in dem Nutzer vorsichtig sind, wem sie ihre (Finanz-)Daten anvertrauen, durchaus nachvollziehbar. Denn schon einige Startups haben sich hier – mit und ohne Kooperation mit einer der großen Banken – sehr schwer getan. Doch die Finanzguru-Gründer konnten mit ihrer strikten qualitätsausgerichteten Strategie erreichen, dass nach 3 Monaten die Hälfte der Nutzer immer noch aktiv ist – also eine Retention von 50%, was sich sehen lassen kann.

Und so schließt die Argumentationskette: Es wurde schon einiges investiert und damit eine kontextbasierte künstliche Intelligenz entwickelt, die den Nutzern fortschrittliche Funktionen bietet und es konnte schließlich eine Anwendung herausgebracht werden, die die Nutzer mögen und kontinuierlich nutzen. In einem hochregulierten Markt, in dem auch einen neue EU-Richtlinie verfügt, dass Banken ihre Infrastruktur für Drittanbieter wie Finanzguru öffnen müssen, und in dem es den meisten neuen Unternehmen mehr als schwer fällt, Nutzer zu gewinnen und zu halten, ist dies wesentlich mehr wert als erste Umsätze. Denn diese könnten einmalig gewesen sein, wenn Nutzer sich allzu schnell wieder verabschieden. Aber eine Anwendung, die es schafft, die Konsumenten nachhaltig zu gewinnen, hat sicherlich auch Chancen, zu einem späteren Zeitpunkt ein funktionierendes Geschäftsmodell z.B. über maßgeschneiderte Vertragsangebote in Zusammenhang mit den individuellen Finanzsituationen zu finden. Mit der Deutschen Bank ist hier bereits ein Partner an Board, der für Reichweite sorgt, auch wenn dieser auf Grund seiner wahrscheinlich wenig flexiblen Strukturen und Entscheidungswege wie in diesem Fall Investoren sogar abschrecken kann.

Natürlich sieht ein erfahrener Investor, dass Finanzguru noch ganz am Anfang steht. Allerdings sieht er eben auch, dass die Kennzahlen für eine solch frühe Phase schon ziemlich gut sind, und grundlegende Voraussetzungen für den späteren ökonomischen Erfolg schaffen. Wenn dann wie in diesem Fall die Kenntnisse und Erfahrungen der Gründer passen und die Strategie von den entsprechenden Kennzahlen untermauert wird, können selbst für einen Löwen die Umsätze einmal in den Hintergrund treten.

Lesetipp: “Die Höhle der Löwen” – Deals (2018), “Die Höhle der Löwen – Deals (2017)“, Die Höhle der Löwen – Deals (2016)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2015)“, “Die Höhle der Löwen – Deals (2014)“. Für mehr Spaß vor der Glotze am besten unser “‘Die Höhle der Löwen’– Bullshit-Bingo” herunterladen.

Zur Autorin
Ruth Cremer ist Mathematikerin und Beraterin sowie Hochschuldozentin im Bereich Geschäftsmodelle, Kennzahlen und Finanzplanung. Als ehemaliger Investment Manager weiß Sie, worauf Investoren achten und hilft bei Pitch- und Dokumentenvorbereitung auch im Investment- oder Akquisitionsprozess. In der aktuellen fünften Staffel von “Die Höhle der Löwen” war sie als externe Beraterin in die Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten involviert.

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Foto (oben): VOX