VC-Interview

“Es gibt auch Nächte, in denen man schlechter schläft”

"Was uns von vielen anderen VCs unterscheidet ist, dass wir keine Cowboys sind und auch keine sein wollen! Uns geht es nicht darum, schnell den einen Glückstreffer zu landen, wir wissen, dass Ausdauer und Geduld uns weiter bringen", sagt Erkan Kilicaslan von Iris Capital.
“Es gibt auch Nächte, in denen man schlechter schläft”
Mittwoch, 14. März 2018VonAlexander Hüsing

Seit mehr als 30 Jahren investiert Iris Capital in junge Unternehmen. “Wir investieren in erfahrene Teams, in Spitzentechnologien und Wachstumsmärkte sowie in tragfähige, nachhaltige Geschäftsmodelle. Wir stehen Unternehmen in verschiedenen Entwicklungsphasen zur Seite: von der Gründung bis hin zu Wachstumsfinanzierungen”, sagt Erkan Kilicaslan, seit 2005 bei Iris Capital. Im Portfolio des Geldgebers sind Firmen wie adjust, CrossEngage, Getsafe, Happycar, reBuy und searchmetrics. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Kilicaslan über Chipkarten, Gefühle und Skills.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Wir alle bei Iris Capital sind tech-affin und lieben Gadgets, neue Produkte, Prototypen und innovative Geschäftsmodelle! Bei neuen Sachen sind wir die ersten, die diese Geräte haben und testen möchten. Uns treibt die Arbeit an neuen Themen und Produkten an, nicht so sehr das Geld. Das ist sekundär, eher ein Werkzeug, um das alles zu ermöglichen. Uns geht es eher um das Umfeld, das es uns ermöglicht, neue Themen voranzutreiben.

Wie wird man eigentlich Venture-Capital-Geber – wie bist Du Venture-Capital-Geber geworden?
Ich selbst habe ein Diplom in Elektrotechnik, mit Schwerpunkt Informatik, und habe mich lange mit Chipkarten und deren Anwendungsmöglichkeiten beschäftigt. Als ich im Rahmen meiner Jahre in der Business-School gesehen habe, wie meine Kommilitonen sich damals schon mit Businessplänen beschäftigten und überlegten, wo sie das Geld für Ideen herbekommen, war das für mich eine erste spannende Erfahrung in dem Bereich. Während meines MBA, den ich in den USA gemacht habe, war ich zwischen dem ersten und zweiten Jahr bei einer Unternehmensberatung tätig. Sehr spannend, aber ich wollte etwas bewegen. Im zweiten Jahr des MBA habe ich dann Kurse in Entrepreneurship, VC und Finance belegt und gemerkt, dass das Themen sind, die mir sehr liegen. Zum Ende des Studiums kam McKinsey auf mich zu mit der Frage, ob ich mithelfen wolle, eine Einheit aufzubauen, die Beratung für Startups anbietet. Da hatte ich dann „the best of both worlds“. Das war Ende der 90er Jahre, zur Zeit der Businessplan-Wettbewerbe, in der auch der Neue Markt seine beste Phase hatte. Das war eine wilde und tolle Zeit! Das habe ich einige Jahre gemacht, habe aber dann die Seiten gewechselt und war bei der Technologieholding beschäftigt, damals einem der führenden VCs in Europa.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Die Verantwortung ist auf jeden Fall da und es gibt sicher auch Nächte, in denen man schlechter schläft. Vor allem dann, wenn es bei Firmen, in die man investiert hat, nicht so gut läuft. Aber es gehört ja auch dazu: Venture Capital ist Risikokapital, das muss man sich immer bewusst machen. Das heißt, es sollte jedem im VC-Bereich klar sein, dass nicht alle Unternehmen erfolgreich werden, und dass man Geld verliert, das man eingesetzt hat. Aber deswegen gibt es bei den VCs auch den Portfolio-Ansatz: Einige Unternehmen, in die man investiert hat, schaffen es nicht, andere schon. Die Rechnung ist im Grunde einfach: Am Ende des Tages muss man mit seinen Investments mehr Geld verdienen als verlieren. Wenn man akzeptiert, dass es Teil des Jobs ist, Geld zu riskieren und zu verlieren, kann man mit dem mulmigen Gefühl besser umgehen.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Was uns von vielen anderen VCs unterscheidet ist, dass wir keine Cowboys sind und auch keine sein wollen! Uns geht es nicht darum, schnell den einen Glückstreffer zu landen, wir wissen, dass Ausdauer und Geduld uns weiter bringen. Uns gibt es schon seit über 30 Jahren und alle Kollegen haben weitreichende Investment-Erfahrungen. Wir haben bereits fast jede Situation gesehen, die es gibt und können somit unseren Unternehmen mit extrem hoher Expertise zur Seite stehen. Aber nicht nur wir können hier Input geben, auch unsere Investoren, die Corporates die uns das Geld geben, und die in uns investiert haben. Hier haben wir Zugriff auf ein großes Netzwerk an Themen, Erfahrungen und auch Leuten, die helfen können, Partnerschaften zu schließen und Türen zu öffnen. Mit Büros und eigenen Leuten beispielsweise in Asien und Nordamerika haben wir einen extrem internationalen Footprint, der für viele Startups sehr reizvoll ist.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert?
In der Frühphase ist es eher das Bauchgefühl und auch das Vertrauen ins Team. Wenn es dann in Richtung Late Stage oder Growth geht, stehen neben dem Team auch das Wachstum und die Zahlen im Vordergrund. Ein ehemaliger Kollege sagte immer: „Numbers talk louder than words!“ Ganz unrecht hat er nicht. Zum Thema Bauchgefühl fällt mir spontan eine Anekdote ein: Anfang 2000 habe ich mich mit zwei Gründern getroffen, die zwei Laptops dabei hatten und ihre Software in zwei Konferenzräumen vorführen wollten. Sie wollten zeigen, dass man über zwei Laptops telefonieren könne – die Vorführung hat nicht geklappt. Auch auf die Frage hin, wie das Geschäftsmodell aussehen soll, wussten sie nicht viel zu sagen. Und wirklich beeindruckend waren die beiden auch nicht. Ich lasse die Leser raten, welches Unternehmen es war.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Als Investoren sind wir in Beiräten und Aufsichtsräten unserer Portfolio-Firmen vertreten. Aber die eigentliche Arbeit findet außerhalb dieser Gremien statt, durch wöchentliche Treffen und Telefonate, in denen wir uns zu aktuellen Themen eng austauschen. Wir fragen hier: What keeps you up at night? Denn durch unsere weitreichende Erfahrung können wir zu nahezu allen Gebieten Hilfestellung geben, nicht nur in Form von finanziellen Mitteln, sondern vor allem durch Rat, Erfahrungsaustausch und Mentoring.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
Auf jeden Fall das Team! Der Grund: Ideen und Märkte ändern sich, das Team muss auch darauf reagieren können. Ein gutes Team kann schnell reagieren und sich anpassen. Daher gilt: Lieber ein gutes Team mit einer mittelguten Idee, als ein mittelgutes Team mit einer tollen Idee. Bei uns ist das Team der Schlüssel zum Erfolg. Es muss schon im Pitch zeigen, dass es hinter einer Idee steht, sein Unternehmen stemmen und auch weiter entwickeln kann.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus bzw. gibt es überhaupt das ideale Gründerteam?
Das ideale Team ist letztlich eine Kombination aus passenden Eigenschaften und Erfahrungen. Wenn wir uns neue Teams ansehen, sind diese oft noch nicht komplett. Anfangs fehlt zum Beispiel ein Finanzler oder Vertriebler. Unsere Aufgabe als VC ist es dann, das Team zu verstärken und zu komplettieren. Die Skill Sets sind je nach Größe des Unternehmens unterschiedlich. Wenn das Startup größer wird, verschieben sich auch die erforderlichen Skills. Das Team, das am Anfang am Steuer ist, ist selten dasselbe, wenn das Unternehmen mal tausend Leute beschäftigt. Mit unserer Erfahrung wissen wir schon, dass es oftmals gut ist, nach einigen Jahren externe und erfahrene Manager ins Team zu holen, die mit den Gründern die Unternehmen führen und auf die nächste Stufe heben.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Die erste Frage, die man sich hier stellen sollte ist: Warum ist das Unternehmen in dieser Situation? Liegt es am Produkt, am Service oder am Team? Hier gilt der VC-Grundsatz: Es dauert immer länger und kostet immer mehr! Wir als VC wissen das, weil wir das sehr oft gesehen haben, aber die Gründer müssen oft überzeugt werden. Viele Gründer überschätzen sich und das Produkt. Wir als Iris Capital helfen in solchen,Fällen ein Unternehmen zu drehen und auch in andere Märkte zu bringen, wenn es notwendig sein sollte. Unterm Strich geht es auch um Fokussierung, also darum, nicht alles auf einmal machen zu wollen, sondern auch zurückzutreten und zu planen, wie die nächsten Steps aussehen. Manchmal muss man aber auch unangenehme Schritte wie eine Restrukturierung ergreifen, um Erfolg zu haben.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Der gesamte Fintech-Bereich ist sehr spannend. Auch wenn das Urteil noch aussteht, bei N26 wäre ich gerne mit dabei gewesen. Dann hätte ich auch gerne im Bereich Blockchain investiert. Nicht unbedingt in Richtung Bitcoin, sondern wegen der spannenden Infrastruktur, die dahinterliegt und die vieles massiv verändern wird. Das Wort „disruptive“ ist hier tatsächlich angebracht. Wir haben uns einiges im Markt angesehen, sind dabei aber leider noch nicht aktiv geworden. Aber das wird kommen.

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Foto (oben): Iris Capital

Alexander Hüsing

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.