Gastbeitrag von Erdem Karademir
5 Einsteiger-Tipps: Private Label-Beschaffung für Händler!
Eigenmarken sind ein geschätztes Mittel von Händlern, um dem wachsenden Wettbewerbsdruck entgegenzusteuern. Aufgrund der häufig günstigeren Anschaffungspreise können sich Händler mit einem eigenen Sortiment neue Handlungsspielräume erschließen, ihre Profitabilität optimieren oder Ihre Wettbewerbsposition verbessern.
Der Trend zur Individualisierung hat einige interessante Private Label-Nischenanbieter hervorgebracht, will man als Händler jedoch ein umfangreiches Sortiment platzieren, ist man häufig auf die Zusammenarbeit mit alteingesessenen Lieferanten und die Etablierung entsprechender Projektmanagement-Strukturen angewiesen. Doch gerade die Zusammenarbeit zwischen dynamischen Onlinehändlern und etablierten Unternehmen, birgt viele Herausforderungen.
Ich habe oft erlebt, wie junge Unternehmen sich in der Planung und Beschaffung von Eigenmarken-Produkten verzettelt haben, oder ihre Potentiale nicht voll ausschöpften. Viele unterschätzten die Komplexität oder die Fähigkeiten ihrer Lieferanten.
Da Kosmetikprodukte und Nahrungsmittel besonders beliebte Produktgruppen sind, fasse ich hier 5 erfolgskritische Punkte in der Beauftragung von Lohnherstellern zusammen:
1 – Kundenbetreuung: Nicht alle Aufträge laufen reibungslos ab – in so einem Fall ist nichts ärgerlicher, als seinem Auftrag hinterher telefonieren zu müssen. Insbesondere dann, wenn Sie vor einer kritischen Markteinführung stehen. Stellen Sie also sicher, dass Sie frühzeitig einen entsprechenden Account Manager zugeteilt bekommen, der Sie auch nach einer Entwicklungsphase oder Produktkalkulation betreut. Eine Eskalationsinstanz ist bei Lohnherstellern sehr wichtig, da Sie sonst Gefahr laufen zwischen den einzelnen Fachabteilungen verloren zu gehen. Beachten Sie, dass der Customer Service und Account Manager nicht die gleichen Personen sind.
2 – Standardisierung: Eigentlich ist es fast selbstverständlich, aber viele Unternehmer unterschätzen die (finanziellen) Konsequenzen des Standardisierungseffekts. Es bedeutet nichts anderes, als das Sie bei der Rohstoff- und Packmittelauswahl auf Komponenten setzen sollten, die im Sortiment des Herstellers bereits vorhanden sind. Fragen Sie also bewusst nach Standardkomponenten und verlangen Sie eine Aufschlüsselung der Kosten. Ändern Sie bei Bedarf und Möglichkeit Ihr Produktkonzept – das kann nicht nur einen enormen Einfluss auf die Kosten, sondern auch die Verfügbarkeit haben. Darüber hinaus glauben Händler durch eine eigene Beistellung den Einkaufspreis im Griff zu haben, wenn Sie kein Großabnehmer sind, werden Sie vermutlich nie an die Verhandlungsmacht eines Lohnherstellers ran kommen und machen sich das Leben mit einem eigenen Beistellungsmanagement nur schwerer.
3 – Mindestbestellmengen: Es müssen nicht immer gleich 10.000 Packeinheiten sein, die Sie zu Beginn abnehmen müssen. Orientieren Sie sich daher an den Gebindegrössen und trauen Sie nicht jedem, der Ihnen weiß machen möchte, dass es sich nicht lohnt die Maschinen anzuwerfen. Jeder gute Produktionsplaner kann einen Mini Auftrag unterbringen – gerade ein Lieferant der auf eine langfristige Beziehung abzielt, sollte dazu bereit sein am Anfang Kompromisse einzugehen. Mindestbestellmengen sind allenfalls bei validierten Chargengrössen kritisch, im Nahrungsmittelbereich unterliegen Sie in der Regel nicht solchen Restriktionen
4 – Resteverwertung: Häufig werden die <<Reste>> in die Angebote nicht eingepreist, hierbei kann es sich um Restpackmittel oder Rohstoffe handeln, die auftragsbezogen eingekauft werden. Fragen Sie nach, ob Reste übrigbleiben und was damit geschieht. Stellen Sie sicher, dass die Reste in Ihr Eigentum übergehen und ggf. bei Folgeaufträgen genutzt werden. Falls keine Verwendung möglich ist, fragen Sie, ob eine Verwendung bei anderen Kunden/Werken machbar ist, ohne dass ein Eigentumsübergang an Sie erfolgt. Lassen Sie sich die Kosten für Lagerung oder Vernichtung nicht aufbrummen – solche Klauseln können in AGBs versteckt sein und in Verträgen nicht explizit erwähnt. Gerade bei kleineren Stückzahlen können solche Zusatzkosten daher schnell den Rahmen sprengen. Klären Sie solche Themen vor dem Auftrag ab, nicht erst nach der Lieferung.
5 – Liefertermintreue: Fragen Sie nach den aktuellen Lieferzeiten und vereinbaren Sie einen realistischen Liefertermin, setzen Sie aber Ihren offiziellen Produktlaunch nicht zu nah an diesen Termin an und informieren Sie ihren Hersteller auch nicht darüber. Die Marktlieferzeiten liegen bei Kosmetikprodukten inkl. Beschaffung bei 3-4 Monaten, was aber je nach verwendetem Rohstoff ein wenig variieren kann. Die Auftragssituation Ihres Lieferanten können Sie dementsprechend einschätzen und für sich Verhandlungsoptionen ableiten. Planen Sie etwa 3 Wochen Puffer zwischen Anlieferung(!) und Markteinführung. In einem regulierten Umfeld, wo Freigaben erforderlich sind, sollten Sie mindestens einen Monat Puffer einplanen. Telefonieren Sie regelmäßig mit Ihrem Kundenbetreuer und fassen Sie den Status Ihres Auftrages nach. Fragen Sie nach, ob die Rohstoffe planmäßig angeliefert wurden und der Produktionsstart wie geplant angelaufen ist. Kommen die Sendungen pünktlich bei Ihnen an, können Sie bei zukünftigen Aufträgen auch die Einführungstermine stetig anpassen.
Es ist wichtig, dass Sie gegenüber Ihrem Lohnhersteller partnerschaftlich freundlich, aber dennoch bestimmend auftreten. Am Ende des Tages dreht es sich um Ihr Produkt, Ersparnisse oder Ihr mühsam erkämpftes Budget vom Investor. Es geht für Sie um mehr, als für den Sachbearbeiter, der Ihren Auftrag nur verwaltet. Viel Erfolg!
Zur Person
Erdem Karademir ist Projektmanager bei Karavital Services. Wir unterstützen Unternehmen in der Planung und Realisierung von Private Label Produktwünschen. Das Angebot reicht von der unabhängigen Ausschreibung komplexer Portfolios an externe Lohnhersteller über Prozessmanagement, bis hin zur Abfüllung von Kleinserien in unserer Bio zertifizierten Handmanufaktur.
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