Start-ups und Krisen: “Es gibt immer Täler”
Nicht jedes Start-up wird ein Erfolg – dies ist nicht weiter tragisch. Denn nur wer etwas wagt, kann auch gewinnen. Zudem gibt es zahlreiche Beispiele von jungen Unternehmen, die anfangs nicht funktioniert haben, dann aber groß rausgekommen sind. Start-ups, die von Investoren finanziert wurden, können im besten Fall das Know How der Geldgeber nutzen, um eine Krise zu überwinden. Wir haben deswegen erneut mehrere Investoren gefragt: Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät? Und weil manchmal einfach nichts hilft noch die Frage: Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst? Hier die äußerst spannenden Antworten.
Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Um ganz ehrlich zu sein, läuft kein Start-up ganz rund oder so wie geplant oder es kommt unerwartet zu Problemen. Wichtig ist es dabei, konsequent die richtigen Entscheidungen zu treffen, um mit den neuen Begebenheiten zu Recht zu kommen. Hierbei bauen wir gemeinsam mit den Gründern Lösungen, die das Start-up wieder in die richtige Bahn bringt.
Jan Alberti, bmp
Da wir aufgrund unseres operativen Ansatzes sehr nah an den Unternehmen dran sind, können wir Schieflagen früh erspüren und haben dann die entsprechenden Mittel, um gegenzusteuern. Rein operativ gelingt uns das natürlich nicht immer. Manchmal können wir zum Beispiel nicht vermeiden, dass ein Unternehmen, das zu schnell gewachsen ist, sich von Mitarbeitern trennen muss. Das ist natürlich immer eine unschöne Situation. Dann versuchen wir – meist auf Partnerebene – den Gründern eng zur Seite zu stehen und das Unternehmen gemeinsam durch die Krise zu navigieren.
Anton Waitz, Project A Ventures
Ein guter Freund hatte das mal als “Triage” bezeichnet. Man muss als Investor mit Disziplin und kühlem Kopf prüfen, ob die betroffene Firma nüchtern betrachtet unheilbar verloren ist – dann sollte man weder Geld noch Zeit investieren – oder ob eine Rettung mit sinnvollem Aufwand möglich und unter Renditegesichtspunkten erstrebenswert ist. Letztendlich wird es in solchen Situationen sehr oft darauf hinauslaufen, dass die Bestandsgesellschafter nochmal nachschießen müssen, weil die angeschlagene Firma nicht in der Lage ist, auf dem Markt neue Investoren anzuwerben. Hier gilt die alte VC-Binse: „Kein gutes Geld schlechtem hinterherwerfen” – jedes neue Investment, auch ein Folgeinvestment muss also genauso kritisch abgewogen werden. Hier muss man sich als Team auch gegenseitig unterstützen, um ganz normale psychologische Effekte auszugleichen.
Nikolas Samios, German Startups Group
Grundsätzlich: Wenn wir etwas von unseren Start-ups fordern, dann ist es 100%ige Transparenz, was Probleme angeht. In Boardmeetings will ich von Gründern auch am liebsten immer ein Slide mit Punkten sehen, die gerade nicht gut laufen oder zu einer Gefahr werden könnten. Viel zu oft werden Boardmeetings nur genutzt, um ausschließlich gute Stimmung bei den Investoren zu verbreiten. Kommen Gründer bezüglich einer Schieflage dann hoffentlich offen auf uns zu, ist unsere Philosophie klar: Wir sitzen auf der gleichen Seite des Tisches und müssen gemeinsam schauen, wie wir die Lage verbessern können. Das ist kein Blabla, sondern sehr ernst gemeint. Wenn das Business in eine Schieflage gerät, ist das letzte, was man gebrauchen kann, dass sich jeder um seine eigene Agenda kümmert. Es darf nur eine Agenda geben: Gemeinsam das Problem zu lösen.
Iskender Dirik, Bauer Venture Partners
Helfen wo wir nur können – es gibt immer Täler, durch die man muss. Und alles dauert immer länger, als man denkt. Deshalb arbeiten wir gemeinsam, diese Phasen zu meistern. Sollte jedoch im Kern etwas nicht stimmen, haben wir auch keine Angst, die schwachen Stellen neu zu besetzten und/oder das Schiff komplett neu auszurichten. Insgesamt muss man jedoch sagen, dadurch dass wir erst in einer späteren Phase investieren, gab es bei uns kaum Write-Offs.
Christoph Neuhaus, Endeit Capital
Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Wenn ein Geschäftsmodell nicht aufgeht und auch ein Pivot nicht greift, die Technologie und das Produkt einfach nicht performant und wettbewerbsfähig aufgestellt werden kann oder der Markt sich in eine ganz andere Richtung gedreht hat, so muss geprüft werden, ob die weitere Finanzierung des Unternehmens noch Sinn macht oder ob die ersten Umsätze und die weitere Finanzierung ausreichen das Unternehmen profitabel weiterzuführen. Sollte man sich gegen die Weiterführung entscheiden, kann ein Firesale an einen Konkurrenten, Kunden oder die Gründer Sinn machen, um wenigstens das Produkt in einem anderen Kontext aufgehen zu lassen. Im schlimmsten Fall muss die Liquidation oder Insolvenz durchgeführt werden.
Jan Alberti, bmp
Grundsätzlich dann, wenn wir die Ausgangshypothesen nicht mehr glauben können und es uns auch nicht gelingt, neue Hypothesen für eine erfolgreiche Zukunft des Unternehmens zu entwickeln. Eine Abschreibung ist natürlich immer die Ultima Ratio, die wir unter allen Umständen zu vermeiden versuchen. Aber sie gehört zum VC-Geschäft dazu, auch wenn es hart ist.
Anton Waitz, Project A Ventures
Das gute an Startup-Pleiten ist, dass sie in der Regel in den ersten Jahren im Lebenszyklus auftreten, da hier die Firma und das Team beweisen muss, dass es einen, sagen wir mal neudeutsch, “Produkt/Market-Fit” gibt und das Team das Ganze auch umsetzen kann, ohne sich gegenseitig zu zerfleischen, was auch immer wieder mal vorkommt, da unter dem extremen Druck, den es da oft gibt, auch Nerven blank gelegt werden können. Zu unterscheiden, ob also nur ein temporäres Problemchen vorliegt und man das mit einem Pivot – übrigens ein grässliches Wort – lösen kann oder der tote Gaul noch auf letzter Reserve geritten wird, ist durchaus eine Kunst und weniger eine Wissenschaft. Aber hart gesagt: Ein guter Investor sagt bei sowas öfters mal „nein” und lässt sich auch nicht so leicht erpressen mit einem “wenn nicht alle Euro x investieren, gehen wir zum Insolvenzgericht”, denn erfahrungsgemäß verliert man als VC mit Folgeinvestments in nicht gut laufende Firmen vielfach mehr Geld als mit den Erstinvestments, wenn man nicht diszipliniert aufpasst. Das mag vielleicht gründerunfreundlich klingen, ist es aber gar nicht. Wir setzen auch Personen nicht auf eine schwarze Liste, die mal eine Pleite gebaut haben. Das gehört zum Unternehmerleben durchaus dazu und ich bin sicher, dass mir die meisten guten Serial-Entrepreneurs Recht geben, dass man bei Themen, bei denen einfach der Wurm drin ist, auch durchaus mal aufrichtig den Stecker ziehen sollte, als Geld von Investoren und Lebenszeit der Gründer in unrettbaren Modellen zu verbrennen. Der „Retter-Reflex“ ist also durchaus zu hinterfragen. Bei einem Growth-Stage-Startup wird man das Problem hingegen deutlich weniger sehen, da kann man sich dann vortrefflich streiten, ob bei einem Investment noch ein Faktor x oder nur y auf das eingesetzte Geld drin ist, aber ein Totalausfall ist da dann sehr selten.
Nikolas Samios, German Startups Group
Das lässt sich kaum verallgemeinern. Die Anzeichen können so unterschiedlich sein. Die Alarmglocken gehen bei uns aber auf jeden Fall an, wenn man den Gründern Ratlosigkeit und/oder Motivationsschwierigkeiten ansieht. Und wenn wir eben merken, dass die Gründer nicht transparent sind, uns Informationen vorenthalten und uns insbesondere klare Schwierigkeiten verschweigen.
Iskender Dirik, Bauer Venture Partners
Haben wir einmal gehabt: Wir waren in einem stark wachsenden Markt, in dem sich mehrere Wettbewerber befanden, investiert. Die Gründer des Unternehmens wollten so wenig wie möglich Anteile durch Finanzierungsrunden verlieren. In unseren Augen waren wir dadurch nicht mit genug Kapital ausgestattet, um in diesem Markt mitspielen zu können. Da haben wir die Anteile verkauft.
Christoph Neuhaus, Endeit Capital
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