Gastbeitrag von Ruth Groth
Live-Marketing als Bestandteil im Marketing-Mix
Amazon, eBay und Casper: Die Online-Riesen machen es vor. Alle drei E-Commerce-Unternehmen setzten bislang auf online-only. Die Produkte wurden auf der jeweiligen Website vom Kunden eingesehen, bestellt und dann bequem nach Hause geliefert. Dieser eindimensionale Bestellvorgang scheint nun von den Unternehmen um die Offline Ebene erweitert worden zu sein. Mithilfe von Live Marketing und temporären Offline Auftritten, wie sie die genannten Unternehmen derzeit vermehrt nutzen, werden wertvolle Customer Touchpoints direkt am Point of Sale geschaffen, was die Kaufentscheidung signifikant beeinflussen kann.
Außerdem bietet Live Marketing die Möglichkeit, mit Events Erlebnisse zu kreieren. So hebt sich ein Markenauftritt von konventioneller Werbung ab und Kunden, die ein Live-Marketing-Event besucht haben, verbinden die Experience und Emotionalität positiv mit dem Unternehmen. Auf diese Weise entstehen nachhaltige Kundenbeziehungen und –bindungen. Im Folgenden wird gezeigt, welche Vorteile temporäre Offline-Auftritte haben, weshalb sie dauerhaft im Marketing Mix verankert werden sollten und wie auch kleinere Unternehmen oder Startups mit einem geringeren Marketingbudget von Live Marketing profitieren können.
Trendsetter Amazon
Obwohl das von Investoren üppig finanzierte US-amerikanische Matratzen-Startup Casper erst seit Kurzem am deutschen Markt vertreten ist, kann es sich bereits über einen hohen Bekanntheitsgrad freuen. Verantwortlich dafür sind wohl die zahlreichen Medienberichterstattungen schon vor dem deutschen Markteintritt. Besondere Schlagzeilen hat Casper mit neuartigen Werbeideen gemacht, mit denen der Konsument noch effektiver als mit konventionellem Marketing erreicht werden soll. So hat das Unternehmen sogenannte Casper Houses in internationalen Metropolen wie London, Los Angeles und Venedig eröffnet. Das Konzept ist einfach, wurde aber für den Konsumenten einprägsam gestaltet: Die online verfügbaren Matratzen können vor Ort getestet werden.
Damit würde sich Casper kaum von einem herkömmlichen Matratzenladen unterscheiden, also wurde auf konzeptioneller Ebene noch einiges hinzugefügt. In Casper Houses kann nämlich neben einem Mittagsschlaf auch Rooftop Yoga, Wine Tasting oder das Vorlesen einer Gute-Nacht-Geschichte gebucht werden. Die Casper Pop-Up-Stores sind nur wenige Wochen an einem Standort vertreten und ziehen dann weiter. Das Konzept geht voll auf: Die Stores an belebten Plätzen mitten in der Innenstadt sind immer gut besucht und Events meist weit im Voraus ausgebucht. Das Vermitteln von Exklusivität und begrenzter Verfügbarkeit hat erfolgreich Kundeninteresse für die Marketing-Kampagne geweckt. Damit nicht genug, hat Casper auch von Roadshow Marketing Gebrauch gemacht und eine Nap Tour durch die USA und Teile Kanadas organisiert, um Kunden zum Probeliegen einzuladen. Dafür fuhr ein bunt bedruckter Bus durch die Städte und erweckte mit auffälligem Branding Aufsehen. Die Versuche von Casper, offline eine gesteigerte Brand Awareness zu erzielen, haben sich mehr als gelohnt. Zurzeit hat Casper eine Unternehmensbewertung von über einer halben Milliarde Dollar.
Ähnlich agieren derzeit auch etablierte Unternehmen, allen voran die Big Player Amazon und eBay. Die beiden E-Commerce-Giganten setzen seit geraumer Zeit vermehrt auf temporäre Offline Auftritte, um ihre Markenbekanntheit noch weiter zu steigern und Kunden sowohl zum Kauf auf der Website als auch vor Ort anzuregen. eBay beispielsweise eröffnete sein erstes temporäres Ladengeschäft für wenige Tage in Berlin Mitte zur Vorweihnachtszeit 2012. Amazon wird ebenso stetig präsenter im Offlinehandel. Zuletzt kursierten Gerüchte, der Marktführer im E-Commerce wolle über 100 stationäre Ladengeschäfte eröffnen – die Konzepte reichen von der langfristigen Anmietung von Bookstores über temporäre Store-Eröffnungen.
Neben den drei genannten Beispielen greifen immer mehr Unternehmen auf den Offline-Marketing-Kanal als Instrument zur Kundengewinnung zurück. Das Konzept, Plakat- oder TV-Werbung zu schalten, ist dabei keineswegs neu, aber die Tendenz der Kundenakquise mithilfe von stationärer Präsenz ist ein neuer Trend, der sich zu lohnen scheint. Nicht nur US-Unternehmen setzen auf Customer Touchpoints, die offline geschaffen werden. Beispiele aus Deutschland hierfür sind Mister Spex oder MyMuesli, die beide als Online-Plattform starteten und unterdessen stationäre Geschäfte betreiben.
Eine Offline Präsenz vereint die Vorteile von Above- und Below-the-Line-Marketing
Eine temporäre Offline Präsenz mag für viele Unternehmen ein Wagnis darstellen, vor allem im Hinblick auf den organisatorischen Aufwand und die aufzubringenden finanziellen Mittel. Trotzdem ist es eine Überlegung wert, den unternehmenseigenen Marketing Mix dahingehend zu optimieren und so anzupassen, dass Offline Marketing eine klare Customer Experience mit sich bringt, die zu einer langfristigen Kundenbindung führt. Für Marken gilt es heutzutage, aus dem vorhandenen Überangebot von Werbung herauszustechen. Ein Großteil der Konsumenten nimmt Werbung als störend wahr und entscheidet sich bewusst, sie zu ignorieren (bspw. durch das Installieren von AdBlocker oder das Wechseln des TV-Senders während eines Werbeblocks). Die Herausforderung auf Unternehmensseite liegt also darin, dem Kunden ein echtes Markenerlebnis zu bieten, das nicht nur Aufmerksamkeit erzielt, sondern gleichzeitig eine positive Markenassoziation generiert und somit langfristig gesehen ein wertvolles Tool darstellt. Amazons primäres Ziel liegt in eben dieser Kreation eines Kundenerlebnisses mit seinen aufwändig gestalteten Offline Geschäften, die aufgrund ihrer Einrichtung, Ausstattung und ihres omnipräsenten Brandings mehr einer Markenwelt gleichen. Kunden werden angeregt, Produktinformationen einzuholen und sich wohlzufühlen. Obwohl Produkte in den Läden erworben werden können, liegt der Fokus vielmehr auf der Customer Experience an sich. Das Ziel sind steigender Traffic für die Website und ein Anstieg der Online-Einkäufe.
Trendsetter Amazon nutzt den Offline Auftritt auch für eine Vorstellung seiner Produktinnovationen. So werden beispielsweise sowohl neueste Versionen des Kindle, der Amazon Dash Button als auch Amazons Sprachassistent Alexa präsentiert. Mit der temporären Offline Promotion steigt die Wahrscheinlichkeit vehement, dass ein Einmalkäufer zum Wiederkäufer oder sogar Stammkunden wird. Wird ein E-Book-Reader in einem Amazon Shop gekauft, ist es denkbar, dass auch E-Books in Zukunft auf der Amazon Website eingekauft werden. So werden offline erste Kaufintentionen und –stimuli geschaffen, der Kunde wird sowohl mit der Marke als auch mit den Produkten vertraut gemacht und kann anschließend online einkaufen – eine erfolgreiche Verknüpfung der Kanäle online und offline.
Live Marketing als Bestandteil des Marketing Mix für Startups
Für zahlreiche kleine Unternehmen und Startups sind das firmeneigene Budget und somit die verfügbaren Marketing-Spendings in ihren Ressourcen begrenzt. Trotzdem können Live-Marketing-Aktionen eine wichtige Rolle für Unternehmen jeder Größe spielen. Eine möglichst hohe Bekanntheit erzielen, Kunden gewinnen und Umsatz zu generieren – diese Dinge stehen für Startups meist im Vordergrund. Dabei muss sich das Marketing-Department stets für die Spendings rechtfertigen und messbare Erfolge aufzeigen. Doch wie kann dies für die unterschiedlichsten Marketingziele wie Awareness, Consideration oder Conversions geschehen? Live Marketing ist in der Umsetzung sehr facettenreich und kann für das Erreichen aller oben angesprochenen Ziele angewandt werden. Sales Generation kann ebenso verfolgt werden wie das Erzeugen von Brand oder Product Awareness sowie der Generierung qualitativer Leads.
Ist das Marketing-Budget eher gering, bietet sich ein einmaliger Auftritt an einem zielgruppenspezifischen Standort an – je nach angebotenem Produkt oder Leistung – zum Beispiel in einem Fitnessstudio oder Kino (auch Filme haben unter Umständen eine sehr spezifische Zielgruppe, somit eignen sich Kinos sehr gut für eine Aktion). Liegt das Kampagnenziel aber eher in dem Erzeugen einer breiten Aufmerksamkeit und überregionalen Brand Awareness und steht auch ein eher höheres Marketingbudget zur Verfügung, eignet sich zum Beispiel eine Roadshow mit diversen Stationen besonders gut, um eine Vielzahl an potentiellen Kunden zu erreichen.
Kostenvergleich von Online und Offline – eine Beispielrechnung
Im Folgenden soll ein beispielhafter Vergleich die Kosten von Live Marketing und Online Marketing, hier in der Form von YouTube In-Stream Ads offenlegen und so das Konzept und die Umsetzung transparenter machen. Laut einer Cisco-Studie werden bis 2020 82 % der im Internet verfügbaren Inhalte im Videoformat vorhanden sein, weshalb der Vergleich besonders realitätsnah und relevant ist. Als Case Study wurde für beide Kanäle das Kampagnenziel der Brand Awareness angenommen.
Nehmen wir einmal beispielhaft an, dass ein Kontakt mit einem Live-Marketing-Event am ehesten mit dem Schauen einer YouTube In-Stream Ad vergleichbar ist. Es handelt sich hierbei um Videoanzeigenformate, die vor, nach oder während eines YouTube Clips abgespielt werden und die der User nach fünf Sekunden überspringen kann. Das werbetreibende Unternehmen zahlt nur, wenn der Werbefilm länger als 30 Sekunden läuft oder der Nutzer mit dem Video interagiert, also z. B. auf einen angezeigten Link klickt (Quelle: YouTube).
Wir haben eine Beispielkampagne auf YouTube angelegt, um einen Anhaltspunkt für die CPV (Cost per View) , also die Kosten pro 30-Sekunden-Kontakt oder Interaktion.
Wie bei AdWords wird das maximale Budget für einen Tag im Voraus festgelegt, in unserem Fall wurden 1.000 € als Tagesbudget bestimmt. Dieses Tagesbudget entspricht auch den Kosten, die für eine Fläche in einem ein gut besuchten Einkaufszentrum in einer deutschen Großstadt anfallen. Außerdem wurde als Werbenetzwerk lediglich der Kanal YouTube-Video ausgewählt, weder die YouTube-Suche noch Partnernetzwerke. Die Ausrichtung der Testkampagne wurde auf Deutschland beschränkt. Die Kampagne wurde breit geschaltet, d. h. es wurde keine Spezifizierung hinsichtlich der demografischen Zielgruppe (Alter, Geschlecht, Einkommen) getroffen. Der durchschnittliche CPV unserer Kampagne wurde als bis zu 0,14 € angegeben.
Dem gegenüber steht eine hypothetische Live-Marketing-Kampagne. Diese soll in einem stark frequentierten Shopping Center in einer deutschen Großstadt stattfinden. Auch hier gestaltet es sich schwierig, die Zielgruppe bis ins Detail zu bestimmen, da sie stark nach Ort, Uhrzeit und vorhandenen Läden variiert – so ist der Zielgruppenfokus ähnlich breit wie bei der YouTube-Kampagne. Aus der Erfahrung vergangener Aktionen wissen wir, dass in diesem Fall eine Kontaktzahl von 8.000 Personen / Tag erzielt werden kann, bei einem Tagesbudget von ebenfalls 1.000 €. Heruntergerechnet ergibt sich so etwa 0,125 € pro Kontakt.
Ergo liegt der Vergleichswert von Live Marketing als Werbekanal mit dem angenommenen Kampagnenziel von Brand Awareness preislich sogar unter dem Maximalwert einer YouTube-Kampagne (0,14 €). Es muss außerdem beachtet werden, dass die zusätzliche Variable Interaktion im Live Marketing um einiges wertvoller ist als beim Online Pendant. Eine Interaktion bedeutet im Offline Kontext ein persönliches Fachgespräch zum Produkt, zur Marke oder Dienstleistung und stellt einen persönlichen Kontakt zwischen Kunden und Unternehmen her, was den Kaufimpuls stimuliert und zusätzlich wertvolles Kundenfeedback für das Unternehmen generiert. Bei YouTube handelt es sich bei einer Interaktion lediglich um einen Klick oder das Ansehen eines eines 30-sekündigen Spots – wie der User danach agiert, ist für die “Erfolgsmessung” nicht relevant.
Fazit
Live Marketing bietet Unternehmen jeder Branche und Größe eine Plattform zur Vorstellung ihrer Marke, Produkte oder Dienstleistungen. Das Schaffen eines Erlebnisses im Offline Marketing führt zu einer einzigartigen Emotionalität, die der Kunde mit der Marke verbindet. Live Marketing hilft, eine Marke und ein Produkt greifbarer zu machen als es konventionelle Marketingaktionen vermögen. So wird ein langfristiger Kundenkontakt geschaffen und die Customer Satisfaction nachhaltig und signifikant erhöht.
Die Beispielrechnung zeigt darüber hinaus dass es sich bei dem Gedanken, Offline Marketing sei teurer als Online Werbung, um ein Klischee handelt. Im direkten Vergleich mit YouTube In-Stream Ads war unsere Beispielkampagne in einem gut besuchten, urbanen Shopping Center preislich gleich dem Kontaktpreis eines YouTube Spots.
Aufgrund der zahlreichen Vorteile und individuellen Anpassungsmöglichkeiten von Live Marketing ist es essentiell, dass der Kanal aus der aktuellen Nische gehoben und aktiv in den Marketing Mix großer und kleiner Unternehmen mit aufgenommen wird.
Zur Autorin
Ruth Groth verantwortet bei store2be die Bereiche Marketing und Presse. Das Startup bietet erstmals messbares Live Marketing und vermittelt über 1.000 temporäre Aktions- und Eventflächen an Unternehmen.