“Bei gutem Wetter bin ich in den Bergen unterwegs”
Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Stolz darauf zu sein, anderen Menschen, vor allem jungen Kollegen, ein attraktives Arbeitsumfeld, herausfordernde Aufgaben und Möglichkeiten zu bieten, sich zu entfalten und Verantwortung zu übernehmen. Gemeinsam zu wachsen. Für mich persönlich bedeutet es aber auch, heute für mehr verantwortlich zu sein, als ich mir vor ein paar Jahren noch hätte vorstellen können.
Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Aus eigener Erfahrung als Hotelgast: alle Infos zum Haus und zur Umgebung gab es nie gebündelt, sondern immer nur als Zettelwirtschaft aus Infoblättern, Flyern, Prospekten und der klassischen Hotelmappe. Ein digitales Medium, das dem Gastgeber eine zielgerichtete Kommunikation mit seinem Gast ermöglicht und andererseits dem Gast alle wichtigen Informationen bereitstellt, das war damals eine Marktlücke, die es zu schließen galt. Durch viele Gespräche mit Hoteliers, Tourismusorganisationen und gästenahen Dienstleistern formte sich dann unser Konzept zu einer Kombination aus einer digitalen Gästemappe mit integriertem Reiseführer für Smartphones und Tablets.
Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Unser erstes „Büro“ war in einem garagenartigen Keller und zu diesem Zeitpunkt haben wir uns mit Eigenkapital finanziert – Neudeutsch „gebootstrappt“. Bei einer in Kempten veranstalteten Gründerlounge haben wir den Unternehmer Roland Hötzl kennen gelernt. Er war sofort begeistert von der Idee und wurde unser Mitgründer und Business Angel. Bis heute gehört er zum Führungskreis und unterstützt uns bei allen wichtigen, unternehmerischen Entscheidungen.
Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Bei der Vielzahl an möglichen Aufgaben und Baustellen am Anfang eine klare Priorisierung und Aufgabenverteilung im Team hinzubekommen. Dazu noch das Finden von passender Software, die in diesem Stadium für Transparenz sorgt und die Produktivität erhöht. Reine Motivation und Arbeitswille sichern nicht ab, dass man tatsächlich auch zielgerichtet vorankommt.
Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Spontaner Entscheidungen treffen, mehr ausprobieren und weniger grübeln, ob oder ob nicht. Noch mehr Kontakt zu Pilotpartnern, noch mehr Testen – noch früher sichtbar werden mit der Idee, statt im stillen Kämmerchen zu tüfteln. Frei nach Steve Blank: „Get out of the building“.
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
Unser wichtigstes Marketing-Instrument ist mittlerweile das Online-Marketing und dabei definitiv Social Media. Wir sind beim Marketing aber breit aufgestellt: klassisches Direktmarketing in Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Tourismusverbänden sowie Empfehlungsmarketing gehören ebenfalls zu unserer Marketingstrategie.
Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Es wäre nicht fair, hier nur eine Person zu nennen. Gerade in der Gründungsphase haben uns Gründer so viele Menschen unterstützt: Familie, Freunde, die Hochschule Kempten, Geschäftspartner, erste Kunden, Kollegen – alle waren von Anfang an mit viel Herz dabei.
Hervorheben möchte ich unseren Business Angel Roland Hötzl und Hubert Lingg von Lingg Hotelstrategie. Durch Roland sind uns einige „schmerzliche“ Erfahrungen beim Starten und der ersten Marktbearbeitung erspart geblieben. Hubert Lingg hat uns mit der Insider-Sicht eines Hotelberaters den Tourismus nahe gebracht.
Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Nochmals: „Get out of the building“. Redet über eure Ideen, bewerbt sie offensiv – ohne Angst vor Kopiert-werden! Testet euer Produkt ausgiebig, holt möglichst viele Meinungen ein – am besten von unbekannten Personen – und entwickelt euch nahe am Feedback der Zielgruppe weiter. So bleibt man mit seinem Konzept in Bewegung, kann das Produkt vorantreiben und verbessern, verrennt sich dabei aber nicht. Es wäre schade, aus Angst vor Nachahmern eine gute Idee für sich zu behalten.
Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Ich würde ihm das Gleiche sagen wie 2014, als wir uns tatsächlich zu einem Plausch bei Kaffee getroffen haben: Wir müssen auch abseits von namhaften Start-up-Hotspots und Großstädten schauen, dass Kreativität und Gründungskultur gefördert werden. In ländlichen Regionen und überall dort, wo es auch Hochschulen gibt.
Die Hochschule in Kempten beispielsweise hat in den vergangenen Jahren große Sprünge in diesem Bereich gemacht, unter den Professoren Dr. Peter Reissner und Dr. Katrin Stefan. Davor gab es zum Themenfeld „Gründung“ nichts. Hier muss man als Staat eben auch etwas wagen. Und Budget setzen.
Außerdem die ewige Kamelle: Weniger Bürokratie und Administration würden Gründern sicher auch helfen.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
… dann würde ich eben ein Unternehmen gründen! Ich habe viel ausprobiert in der Zeit vor der Gründung, bin aber nie wirklich glücklich gewesen, was ich mache und warum ich etwas mache im Beruf. Neben Selbstbestimmung und freier Entfaltung ist hier glaube ich wirklich die Selbstverwirklichung und das damit verbundene Glücklichsein meine treibende Motivation für Selbständigkeit und Unternehmertum. Die Frage müsste also eher lauten: welches Unternehmen hätte ich gegründet, wenn es nicht Gastfreund gewesen wäre?
Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Hinsichtlich Start-up-Unternehmen muss ich zugeben, habe ich keine konkrete Wunschvorstellung. Viel eher würde ich gerne mit einer ausgewählten Schar an Unternehmertypen und Machern einen inspirierenden Tag auf einem Berggipfel verbringen.
Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Zu den Dinosauriern. Ich wollte schon immer einmal wissen, ob ein T-Rex tatsächlich Liegestütze machen kann.
Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
Als erstes würde ich ein cooles Team-Event für alle Kollegen von Gastfreund organisieren. Aber da liegt die Messlatte ja ohnehin schon recht hoch.Den Rest würde ich zum einen direkt in Gastfreund investieren und unsere Expansion vorantreiben. Ein Teil ginge aber sicher als Investment an ein junges Start-up aus dem Allgäu. Es gibt hier so viele gute Gründungs-Ideen, die aufgrund von fehlendem Kapital nicht das Licht der Welt erblicken.
Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Bei gutem Wetter bin ich fast immer in den Bergen unterwegs, egal ob Sommer oder Winter. Draußen an der frischen Luft sein, schwitzen, den Weitblick genießen. Es ist toll das Glück zu haben, dort arbeiten zu können, wo andere Urlaub machen.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Da bin ich ganz offen. Wer sich mit mir auf ein Bier und einen netten Plausch treffen will, der kann sich gerne jederzeit bei mir melden. Wäre doch mal eine witzige Art, um über ein solches Interviewformat hier neue Leute kennenzulernen.
Im Fokus: Weitere Fragebögen in unserem großen Themenschwerpunkt 15 Fragen an
Zur Person:
Marc Münster ist Mitgründer und Geschäftsführer der Gastfreund GmbH. Das 2013 gegründete Unternehmen bietet mit den Produkten digitale Gästemappe, Infoscreen-System und Web2Print-Hotelzeitung app- und webbasierte Tools zur Gästekommunikation und Umsatzsteigerung für Hotellerie und Tourismus an. Vor der Gründung arbeitete er beim Fraunhofer IAO in Stuttgart in der Dienstleistungsentwicklung. Er ist Lehrbeauftragter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) sowie an der Hochschule Kempten.
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