Gastbeitrag von Daniel Mulec
Start-ups, gebt Arbeitslosen bitte eine Chance!
Arbeitslosigkeit ist ein Problem, welches sich einfach nicht mehr wegdenken lässt. Zu viele Menschen aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten sind davon betroffen. Auch junge, gebildete Menschen werden immer öfter arbeitslos. Sie finden nur Praktika nach dem Studium. Sie finden keine Ausbildungsstelle. Nach dem Abschluss der Azubi-Ausbildung finden sie keine Festanstellung. Während alle großen Medien die Schuld daran den Arbeitslosen selbst in die Schuhe schieben, sieht die Realität meistens ganz anders aus.
Medien behaupten, Arbeitlose wollen überhaupt nicht arbeiten. Sie behaupten, jeder Arbeitslose wäre stinkfaul. Laut den Medien ist dem Arbeitslosen das Wort Motivation nicht bekannt. In Zeitungen und Magazinen liest man ständig, dass sie dem Staat nur auf der Tasche liegen wollen. Kompletter Unsinn. Arbeitslose ticken ganz anders, als es die Medien propagieren. Jeder kompetente Arbeitslose, der sich um eine Stelle in ihrem Unternehmen bewirbt, verdient mindestens die Chance auf ein Vorstellungsgespräch.
Warum Arbeitslose die besseren Angestellten sind
Arbeitslose sind hochmotiviert
Je länger jemand auf der Suche nach einem Job ist, schätzt den Wiedereinstieg in die Berufswelt wirklich wert. Bereits im Bewerbungsschreiben spürt man als HR-Manager die Motivation. Bekommt er den Job, bringt er diese Motivation täglich ins Unternehmen. Das ist wiederum auch etwas, woran sich die anderen Arbeitnehmer orientieren werden, wodurch die ganze Teammoral sich verbessert.
Arbeitslose lernen anders
Ein Arbeitsloser möchte eine sinnvolle Tätigkeit machen, so wie jeder andere. Jeden Tag kann man nur eine gewisse Zahl an Bewerbungen schreiben, gegen Ende des Tages geht einem die kreative Energie dafür aus. Hat ein Arbeitsloser aber acht Stunden mit dem Bewerben verbracht, hat er danach noch immer weitere acht Stunden, die er mit anderen produktiven Aktivitäten, wie z.B. privaten Fortbildungen verbringen kann. Besonders als Arbeitsloser ist man sich bewusst, wie wichtig es ist, sein Skillset aufrecht zu erhalten, und zu erweitern.
Man lernt nie aus. Es gibt immer etwas zu lernen, das für die Karriere förderlich ist. Heute gibt es so viele Möglichkeiten, alle Arten von Fortbildungen in der Freizeit zu machen. Es gibt kaum einen Arbeitslosen, der die Chance nicht nutzt.
Arbeitslose haben eine starke Arbeitsmoral
Ein weiterer sehr guter Grund, sich für den arbeitslosen Bewerber zu entscheiden. Kaum jemand hat eine Arbeitsmoral, die so stark ist, wie die eines Arbeitslosen. Jemand der lange genug arbeitslos war, möchte im neuen Job nur das absolut beste geben. Er möchte seinen Job unbedingt behalten, weswegen er dem Unternehmen unbedingt zeigen will, was er alles drauf hat. Er gibt sich die allerhöchste Mühe, und spornt damit auch die anderen Kollegen an.Mit der Arbeitsmoral eines Arbeitslosen, ist es auch kein Problem, die sogenannte “Extra-Meile” zu gehen. Jemand der Arbeitslos war, ist aufgrund seiner Vergangenheit viel mehr dazu geneigt, Extraarbeit zu leisten. Sie sind mit Leidenschaft dabei, weshalb sie gerne mehr für das Unternehmen machen.
Arbeitslose sind extrem resilient
Von Montag bis Sonntag, bekommt der Arbeitslose jeden einzelnen Tag Absagen. Direkte Absagen auf Bewerbungen. Absagen nach einem Vorstellungsgespräch. Absagen nach einer telefonischen Rückfrage zur Bewerbung beim Unternehmen Mit all diesen Absagen hat der Arbeitslose zwei Möglichkeiten: Entweder, man wird deprimiert und verkriecht sich in der Ecke, oder man nimmt die Absage hin, trauert kurz darüber, und steht dann wieder auf und macht weiter. Das Erste ist etwas, was keiner will, weshalb man in der Arbeitslosigkeit lernt, wie man richtig mit Absagen umgeht. Jemand, der aufgrund der Arbeitslosigkeit diese Resilienz aufgebaut hat, wird sie auch in seinen nächsten Job mitbringen. Dann heißt es, egal welche Rückschläge er erleidet, sei es aus einer Fehlentscheidung auf Unternehmensebene, oder wenn ein Produktlaunch nicht wie gewünscht verläuft, er kommt stärker aus der Situation hervor.
Arbeitslose geben nicht auf
Man kommt nur aus der Arbeitslosigkeit heraus, wenn man nie aufgibt. Das ist eine Tatsache, der man sich schon kurz nach dem Verlust des letzten Jobs bewusst wird. Aufgeben heißt verlieren, weshalb man es sich unter keinem Umstand erlauben kann. Egal wie dunkel die Phasen in der Arbeitslosigkeit werden, man muss sich durchbeißen. Diese Kraft, niemals aufzugeben, bleibt einem ein Leben lang erhalten. Erhält der Arbeitslose einen neuen Job, wird er diese Fähigkeit immer wenn nötig in der Arbeit anwenden.
Arbeitslose sind anpassungsfähig
Ein Arbeitsloser, der in einen Job zurück findet ist außergewöhnlich anpassungsfähig. Arbeitslosigkeit kommt immer unerwartet, genau wie eine abrupte Änderung im Job. In der Arbeitslosigkeit selbst ist man auch immer mit unerwarteten Situationen konfrontiert. Dadurch bringt man sich im schnelldurchlauf bei, wie man sich in jeder Situation anpassen kann. All das sind genau die Eigenschaften, die sich jedes HR Team von einem Mitarbeiter für Startups wünscht. Dank der allgemein gängigen Vorurteile geben Startups dennoch Arbeitslosen zu wenig Chancen.
Was das HR-Team tun kann
Hört damit auf, Lücken zu tabuisieren!
Regina Hartley hat es schon in ihrem TED Talk “Why the best Hire might not have a perfect resume” schön ausgedrückt: Der beste Lebenslauf hat Lücken. In der derzeitigen Wirtschaft sind Lücken keine Entschuldigung, um einen Arbeitslosen Bewerber nicht zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Für jede Lücke gibt es einen sehr guten und lebensverändernden Grund. Hinter jeden einzelnen Lücke steckt eine tiefgründige Geschichte. Leider sind für die meisten Personaler Lücken trotzdem ein absolutes Tabu.
Erfüllt ein Bewerber die ausgeschriebenen Kriterien, hat aber große Lücken im Lebenslauf: Gebt ihm eine Chance. Ladet ihn zum Vorstellungsgespräch ein, denn hinter jeder Lücke versteckt sich eine tiefgründige Geschichte, die ihn für den Job einmalig macht. Zeigt ihm, dass er keine Ausrede für die Lücke erfinden muss. Lasst ihn die Wahrheit erzählen. Entweder wird sich zeigen, dass er genau die Persönlichkeitszüge mitbringt, die man in dem Job braucht, oder es stellt sich heraus, dass er aus einem anderen Grund doch nicht geeignet ist.
Schreibt mehr Arbeitslose direkt an
Die Taktik, jemand über LinkedIn oder XING für eine Rekrutierung anzuschreiben wird so langsam Gang und Gebe. Immer mehr Leute bekommen Jobangebote von Recruitern in Privaten Nachrichten auf den beiden Plattformen geschickt. Aber auch hier greift der Medieneinfluss stark ein, denn Arbeitslose werden auf den Business Social Networks weitaus weniger angeschrieben, als jemand der momentan in einem Job ist. Ändert das. Seid mutig.
Seht ihr jemand, der derzeit Arbeitslos ist, aber ansonsten ein gutes LinkedIn Profil hat, gebt auch ihm eine Chance. Schickt ihm das Angebot, und ladet ihm zum Vorstellungsgespräch ein. Wenn es bekannt wird, dass ihr auch auf Arbeitslose in den Netzwerken zu geht, werdet ihr natürlich auch von der dementsprechenden Mundpropaganda profitieren.
Voraussetzung: X Jahre Erfahrung – STREICHEN!
Der letzte und kontroverseste Punkt: Wenn es nicht UNBEDINGT notwendig ist, streicht “X Jahre Arbeitserfahrung” aus der Ausschreibung. Viele wirklich kompetente Arbeitslose lassen sich leider oftmals davon abschrecken, da sie in der Arbeitslosigkeit generell damit kämpfen, den Selbstwert aufrecht zu erhalten. Die, die dennoch den Job wollen, schreiben die Bewerbung eh trotzdem. Der Effekt dieses Satzes ist so negativ, dass es sich nicht lohnt, ihn in der Ausschreibung zu verwenden. Ich hoffe, dass dieser Artikel einen Denkanstoß für den einen oder anderen bietet, und freue mich auf eine Rege Diskussion in den Kommentaren unterhalb des Artikels!
Zur Person
Daniel Mulec war zwischen Anfang 2008 und Ende 2014 ganze drei Jahre Arbeitslos. Jetzt arbeitet er als Data Analyst bei Apple, als Leiharbeiter der Firma Globetech. Schreibt seit 2015 das erste Selbsthilfe Buch- und Blog für Arbeitslose: WeWillWork.
Kennen Sie schon unseren #StartupTicker? Der #StartupTicker berichtet tagtäglich blitzschnell über die deutsche Start-up-Szene. Schneller geht nicht!