Gastbeitrag von Inga Bergen
5 Hürden für Health-Startups – und wie man sie bewältigt
Ziel vieler Health-Startups ist der erste Gesundheitsmarkt– bestehend aus Krankenversicherungen, der pharmazeutischen Industrie, verschiedenen Leistungserbringern (Ärzten, Krankenhäusern, etc.) und den regulierenden staatlichen Instanzen. Der zweite Gesundheitsmarkt umfasst privat finanzierte Gesundheitsprodukte und -dienstleistungen. Und selbst die Player im 1. Gesundheitsmarkt unterscheiden sich: Für gesetzliche Krankenkassen sind die politische Dimension, das Vergaberecht, Datenschutz und Datensicherheit ein wichtiges Thema, für Pharma und Leistungserbringer sind Haftungsthemen oft zentral. Der erste Gesundheitsmarkt ist langsam, er folgt nicht ausschließlich den wirtschaftlichen Regeln des Marktes. Um Partner zu finden, gilt es, den Nutzen zu validieren, wissenschaftlich fundiert zu arbeiten, User zu generieren, um den Case zu beweisen, und vor Allem, Datenschutz und Datensicherheit entsprechend der Regulatorien zu handhaben. Jedem Gründer sollte klar sein, auf welchen der Märkte sich sein Startup fokussiert.
Regulierung ist dein Freund
Gründer, deren Produkt eine der zahlreichen Gaps im regulierten 1. Gesundheitsmarkt lösen soll, müssen juristische Beratung einkalkulieren und sich eventuell sogar Spezialisten ins Team holen. Die Themen unterscheiden sich: Datenschutz, Datensicherheit und Regulatory Affairs sind immer relevant – Gesundheits- und Medizinrecht je nach Produktausrichtung. Märkte und deren lokale Gesetze à la Uber zu überrollen, wirkt beeindruckend. Die Regulation im Gesundheitsmarkt ist dafür zu komplex. Allein der rechtskonforme Umgang mit den personenbezogenen Daten einer Krankenkasse wird von einer Vielzahl rechtlicher Normen bestimmt (BDSG, SGB, TKG, SigV, SigG, Stgb), die direkte Auswirkungen auf die Produktentwicklung haben. Einen Vorteil hat die strenge Regulierung in Europa: Wer es hier schafft, der schafft es in den USA alle mal – und wenn man einen Partner aus dem 1. Gesundheitsmarkt gewonnen hat, ist die Geschäftsbeziehung langfristig.
Zulassungsverfahren für Health-Apps
Es gibt von der zuständigen EU-Behörde keine handlungssichere Auslegung für Apps als Medizinprodukt. Jeder Gründer kann selbst festlegen, ob er seine App einer medizinischen Zweckbestimmung zuweisen möchte. In der frühen Phase macht es keinen Sinn die Zulassung anzustreben, weil sie Weiterentwicklung und Optimierung sehr schwerfällig macht. Allerdings sollten Gründer die Anforderungen der MDD-Richtline, die bei der Zulassung von Software als Medizinprodukt entstehen, gut kennen – ein Beispiel ist die umfangreiche Dokumentation der Entwicklung. So kann vermieden werden, ein Produkt zu bauen, das hinterher nicht zulassungsfähig ist. Die “Wissenschaftlichkeit” der Inhalte ist extrem wichtig, deshalb ist die Zusammenarbeit mit einer Universität, einem akademischen Institut oder einem Experten anzuraten. Wissenschaftliche Evidenz ist neben Kostenersparnis das beste Argument, um in den 1. Gesundheitsmarkt hinein zu kommen.
Stabile Finanzierung von Anfang an
Die Gesundheitsbranche ist sehr schwerfällig und langsam. Sales-Cycles von bis zu 2 Jahren sind keine Seltenheit – Gründer brauchen eine stabile Finanzierung und einen langen Atem. Venture-Capital-Gesellschaften wie Sequoia und Kleiner Perkins haben ihre Health-Sparten, aber es gibt auch VCs, die sich komplett dem Thema Gesundheit verschrieben haben. So bietet z.B. der US Inkubator StartUp Health aus New York ein 3-jähriges Coaching-Programm mit Finanzierung gegen Equity an. Ein anderer wichtiger US Inkubator ist Rock Health, der sich im Unterschied zum Roche Venture Fund und dem Johnson & Johnson Innovation Center nicht nur mit Biotech Startups befasst, sondern offen für alle Geschäftsmodelle ist. In Deutschland beteiligt sich Bayer mit seinem Grants4Apps Programm mit 50.000 € an Startups gegen bis zu 10% Equity und der neue Accelerator von Merck mit 25.000 € gegen eine stille Beteiligung am Unternehmen.
Startup-Spirit vs. Erster Gesundheitsmarkt
Als Gründer sollte man kulturelle Unterschiede nicht vernachlässigen. In Pharmaunternehmen und Krankenkassen gibt es vielfältige Interessen, mit dem alleinigen Fokus auf einen unternehmerischen Mehrwert wird das Geschäftsmodell wahrscheinlich nicht funktionieren. Gründer müssen die Akteure in der Gesundheitsbranche verstehen und sicher stellen, dass ihr Produkt zumindest am Anfang, deren Balance nicht komplett durcheinander bringt. Es besteht sonst die Gefahr zum politischen Spielball zu werden. Dennoch braucht es ein nachhaltiges und wirklich disruptives Business-Modell, nur sollte man nicht versuchen alle Instanzen zu überrumpeln. Die Gesundheitsbranche kann ein Minenfeld sein, deshalb sind Gründer die die nötige Sensibilität und ein gutes Berater-Netzwerk mitbringen klar im Vorteil!
Zur Person
Inga Bergen ist die Geschäftsführerin der Firma welldoo, die seit 15 Jahren Apps und Programme zur digitalen Gesundheitspflege für GKV, Pharma- und MedTech-Unternehmen entwickelt. Davor war sie in der Geschäftsentwicklung von Sony Pictures Mobile, studiVZ und FJORD.