Vom Anti- zum Pro-Angel-Gesetz
Eckpunktepapier wird Erwartungen aber nicht gerecht
Fast zwei Jahre wartet die deutsche Gründerszene bereits darauf, dass die Bundesregierung umsetzt, was sie im Koalitionsvertrag angekündigt hat. Zwar wurden erste Maßnahmen bereits umgesetzt, die KfW investiert 400 Millionen Euro in Venture Capital Fonds und ein 500 Millionen Fonds soll in der Later-Stage für eine bessere Kapitalausstattung sorgen. Das wichtige Venture Capital-Gesetz wurde jedoch nicht angegangen. Stattdessen präsentierte das Bundesfinanzministerium vor wenigen Wochen mit der Neuauflage des Anti-Angel-Gesetzes das Gegenteil dessen, was die Branche erwartet hat und dringend braucht.
Gestern hat das Bundeskabinett endlich ein Eckpunktepapier für Wagniskapital beschlossen. Das ist zwar noch kein Gesetz, aber immerhin ein großer Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt lesen wir in dem Eckpunktepapier positive Signale für die deutsche Startup-Szene, der mutige große Schritt zur Verbesserung der Finanzierungssituation für Startups bleibt jedoch aus.
Das wichtigste zuerst: Das Anti-Angel-Gesetz ist vom Tisch. Zumindest für den Moment muss man sagen. Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen sollen nun grundsätzlich besteuert werden. Die Bundesregierung verspricht dabei in jedem Fall sicherstellen, dass für die Finanzierung von jungen innovativen Unternehmen keine neuen Belastungen entstehen. Des Weiteren garantiert die Bundesregierung, dass eine Besteuerung von Veräußerungserlösen nur dann erfolgt, wenn eine Ausnahmeregelung für Startups gefunden wird, die auch aus Sicht der EU-Kommission europarechtlich zulässig ist. Ansonsten bleibe die Rechtslage unverändert.
Im Kern ist es die gleiche Aussage, die wir schon aus dem Koalitionsvertrag kannten, nur deutlich verbindlicher ausgesprochen. Man muss sich insbesondere im Bundesfinanzministerium die Frage gefallen lassen, warum man die Startup-Szene ohne Not mit einem völlig unbrauchbaren Gesetzesentwurf verunsichert hat. Der Startup-Verband wird den weiteren Gesetzgebungsprozess genau verfolgen und darauf achten, dass die Bundesregierung ihrem Wort treu bleibt.
Begrüßenswert ist der geplante Ausbau des INVEST-Zuschussprogramms. Neben einem staatlichen Zuschuss in Höhe von 20 % auf die Investition von Privatpersonen wie Kapitalgesellschaften wird die maximale Investitionssumme auf 500.000 Euro erhöht. Zusätzlich soll auch der Verlustausgleich im Falle einer Veräußerung unter Einkaufswert bezuschusst werden. Auf diese Regelung, die man in Großbritannien bereits kennt, darf die Branche gespannt sein. Die Steuer auf den Veräußerungsgewinn soll erstattet werden, wenn schon bei dem Investment der INVEST-Zuschuss gewährt wurde. Diesem Punkt stehen wir sehr skeptisch gegenüber: Eine Koppelung der Steuerbefreiung an den Zuschuss bietet keine Bestandsicherung für bestehende Beteiligungen. Außerdem wäre der Gesetzgeber gut beraten, den INVEST-Zuschuss zu entbürokratisieren, anstatt weitere bürokratische Hürden einzubauen. Wenn Business Angels zunächst die Steuer für den Veräußerungserlös bezahlen müssen, um diese im Nachhinein auf Antrag wieder erstattet zu bekommen, führt dies nur zu erhöhtem und unnötigem bürokratischem Aufwand und zu Planungsunsicherheiten.
Auch in Bezug auf die Rahmenbedingungen für Venture-Capital-Fonds gab die Bundesregierung weitere anvisierte Maßnahmen bekannt. So will die Bundesregierung die Umsatzbesteuerung von Managementdienstleistungen von Venture-Capital-Fonds im Lichte der europäischen Rechtsprechung prüfen und nach Handlungsoptionen suchen. Bestehende Voraussetzungen für die Aufnahme einer vermögensverwaltenden Tätigkeit durch Venture-Capital-Fonds sollen erhalten bleiben und im Falle einer Verschärfung durch die Rechtsprechung per Verwaltungserlass klargestellt werden. Auch die Beibehaltung der Steuervergünstigung des Carried Interests soll, im Gegensatz zu der Auffassung in den Bundesländern, erhalten bleiben. Im Kern bleibt deshalb auch bei den VC-Fonds nicht mehr als eine Beibehaltung des Status Quo.
Daneben nimmt die Bundesregierung auch Bezug auf das gesellschaftliche Klima für Startups. Sie möchte eine Kultur der Selbständigkeit etablieren, die unternehmerische Bildung in Schulen und Hochschulen vorantreiben sowie auf eine Kultur der „Zweiten Chance“ hinwirken. Konkrete Maßnahmen bleiben jedoch aus.
Insgesamt wird das Eckpunktepapier den durch den Koalitionsvertrag gesteckten Erwartungen nicht gerecht. Unter dem Strich werden die bereits bestehenden Rahmenbedingungen zwar nicht verschlechtert, aber leider auch nicht signifikant verbessert. Man könnte meinen, dass mit dem neuen Anti-Angel-Gesetz in der Sommerpause die Erwartungen bewusst auf die Nulllinie gesenkt wurden, so dass man sich in der Branche jetzt sogar über ein Eckpunktepapier freut, das fast nichts zu bieten hat. Insbesondere sucht man in dem Papier vergebens nach regulatorischen Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wachstumsfinanzierung von Startups. Die Bundesregierung hat jetzt noch knapp zwei Jahre, um aus den Eckpunkten Gesetze zu machen. Erst wenn alle Maßnahmen einschließlich der Absichtserklärungen umgesetzt werden, wird man ein positives Fazit ziehen können. Bis dahin warten wir weiter auf den mutigen großen Schritt.
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