Gastbeitrag von Julian von Hassell
Wie Start-ups einen guten Venture Capital Investor finden
Einige Menschen verwechseln das Investieren mit dem Zocken in einem Kasino. Sie glauben daran, dass mehr Spiele ihre Gewinnwahrscheinlichkeit erhöhen. Ein großer Sieg reicht aus, um all die kleinen Niederlagen zu kompensieren. So stellen sich auch viele einen Venture Capital Investoren vor: Er investiert in möglichst viele Assets, in der Hoffnung, dass eine breite Streuung eine größere Wahrscheinlichkeit eines Gewinners mitbringt. Wer mehr Lose kauft, hat eine höhere Gewinnwahrscheinlichkeit, oder?
Doch wer so denkt, der verwechselt Unternehmertum mit einer Lotterie.
Wie man den richtigen Investor für sein Unternehmen findet und welche Dinge beide Seiten, Investor und Unternehmen, für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mitbringen müssen, erklärt Julian von Hassell im Gastbeitrag.
Breite Streuung führt nicht zum Ziel
Breite Streuung und das Prinzip des „Spray and Pray“ (auch bekannt aus dem wahllosen Marketing ohne klare Zielgruppe) führt einen Venture Capital Investor nicht zum Ziel. Anders als an der Börse ist hier eine breite Streuung sogar destruktiv. Wenn Start-ups einen Venture Capital Investor suchen und endlich fündig werden, dann nehmen sie (leider) fast jedes Angebot an. Doch auch Start-ups sollten sich ihren Investor aussuchen – und nicht nur umgekehrt.
Einen guten Venture Capital Investor erkennt man an folgenden Eigenschaften:
1. Fokus:
Das Problem bei einer breiten Streuung ist: Man kann die Assets nicht im Auge behalten und sich nicht intensiv mit ihnen auseinandersetzen. Ein einzelner Investor kann unmöglich den Überblick über 50 Investments behalten.
Das führt dazu, dass Assets erworben werden, die von Anfang an nie eine Chance hatten, nur weil sie nicht gründlich genug analysiert wurden. Ein typisches Fehlinvestment.
Ein guter Venture Capital Investor kennt deshalb seine Assets ganz genau. Er weiß wie die Geschäfte laufen, er kennt das Geschäftsmodell und beobachtet die Entwicklung bis ins kleinste Detail.
Der bessere Ansatz ist deshalb: Jedes Asset soll ein Gewinner sein. So hat man auch keine „Sorgenkinder“, die das ganze Unternehmen in die roten Zahlen drücken.
Tipp: Start-ups sollten sich deshalb die Palette des Investors (wenn sie zugänglich ist) anschauen. Wird quer in allen Branchen und Nischen investiert? Dann sollte man sich die Wahl noch einmal überlegen. Passen die Investments zusammen und ergibt sich daraus eine Strategie? Das deutet eher auf einen guten VC-Investor hin.
2. Geschäftsmodell
Häufig wird nicht klar genug zwischen den beiden dominierenden Arten von Gründungen unterschieden: Es gibt Start-ups, die entwickeln eine einzigartige Technologie und auf der anderen Seite gibt es Start-ups, die verfügen über ein einzigartiges Geschäftsmodell. Es gibt auch Hybride, die beides haben, das ist allerdings außerordentlich selten.
Ein guter Venture Capital Investor kennt den Unterschied und weiß, worauf es bei den jeweiligen Start-ups ankommt. Setzt man nicht auf Technologie, sondern auf Geschäftsmodelle, so muss man in erster Linie schnell sein – hier entscheidet die Ausführung und die Skalierung des Geschäftsmodells.
Technologieunternehmen dagegen werden häufig in der Hoffnung entwickelt, dass sie für Unternehmen wie Facebook, Google oder Apple einen Mehrwert darstellen und von ihnen aufgekauft werden. Solche Unternehmen müssen nicht auf Umsatz oder EBIT-Margen fokussiert sein, sondern auf den Mehrwert ihrer Technologie für strategische Investoren.
Ein kluger Investor konzentriert sich auf eine Art von Unternehmen. So befasst sich Peter Thiel mit Technologieunternehmen, während Rocket Internet auf die Skalierung von Geschäftsideen fokussiert ist.
Tipp: Start-ups sollten sich einen Investor suchen, der in ihrem Gebiet tätig ist und die eigene Strategie versteht. Deshalb sollte sich das Start-up auch darüber im Klaren sein, welche Art von Unternehmen es selbst ist: Technologie oder Geschäftsmodell?
3. Marktkenntnis
Wer ein Geschäftsmodell skalieren möchte, der muss auch in einen Markt gehen, wo dies überhaupt noch möglich ist. Viele Märkte sind schon übersättigt und bieten keine Wachstumschancen mehr. Ein guter Venture Capital Investor hält sich deshalb aus solchen Märkten heraus, es sei denn, sein Zielunternehmen ist in der Lage, in diesem übersättigten Markt als game changer zu wirken und „aufzuräumen“ – was Apple im übersättigten Handy-Markt schaffte.
Ein kluger Investor kennt den Markt nicht nur aus Studien und Excel-Tabellen, sondern aus erster Hand. Er weiß, was Kunden möchten und wie die Verbraucher im jeweiligen Markt ticken.
Tipp: Die Gründer sollten also nicht nur selbst ihren Markt in Theorie und Praxis beherrschen, sondern zudem nur einem VC-Investor vertrauen, der das auch tut.
4. Menschenkenntnis
Ein guter Investor kann nicht nur mit Zahlen und Fakten umgehen, sondern auch mit Menschen. Ein Venture Capital Investor lernt viele Gründer und Visionäre kennen, die um sein Geld buhlen.
Bevor ein Start-up sich einem Investoren anvertraut, sollte es auf die Persönlichkeit(en) der Investoren achten und wissen, wer die formellen und informellen Entscheider sind.
Redet er Klartext? Geht er auf die Gründer und ihre Sorgen ein? Ignoriert er die Vorschläge des Start-ups? Da man sich mit einem Investor für eine gewisse Zukunft bindet, sollte die Entscheidung weise getroffen werden – unter Berücksichtigung aller Aspekte. Es ähnelt der Wahl des Ehepartners. Zwar bindet man sich nicht bis in alle Ewigkeit, wohl aber für (mindestens) einige Jahre.
5. Kaufmännisches Wissen
Kaufen und abwarten. Mit dieser Haltung kommt ein Investor nicht weit. Er muss sich für das Investment interessieren. Und wenn er das tut, dann gibt er mehr als nur Geld.
Jeder Start-up-Investor behauptet zwar, er bringe nicht nur Geld, sondern auch Know-how mit in die „Ehe“. Aber erstens wollen viele Startups tatsächlich nur Geld und eben keinen Rat und zweitens ist guter Rat oft auch bei solchen Investoren teuer – obwohl sie behaupten, diesen umsonst mitzuliefern.
Tipp: Ob ein Investor wirklich wertvollen Rat bereithält, merkt man schnell, wenn man ihn informell interviewt. Selbst wenn der Gründer nur das Geld suchen sollte: Er wäre schlecht beraten, sich nicht zumindest anzuhören, was der Investor sonst noch anzubieten hat. Der Kluge fragt – immer!
Ganz besonders wertvoll für Gründer sind die Controllingerfahrungen der Investoren: Wie um alles in der Welt kann ich aus nicht vorhandenen Umsätzen – geschweige denn Gewinnen – ableiten, ob ich als Start-up auf der richtigen Spur bin? Diese „Lead-Indikatoren“ zu kennen und angemessen zu interpretieren, ist eine der Königsdisziplinen, bei denen das Start-up vom Investor Know-how abgraben kann und sollte.
Keine Eile: Not ist ein schlechter Ratgeber
Jeden Tag scheinen zig Start-ups gegründet zu werden. Man bekommt das Gefühl, dass man in Windeseile seine Idee durchprügeln muss – um nicht leer auszugehen und noch einen Investor zu erhaschen.
Doch Start-ups sollten die Auswahl nicht übereilen. Gleiches gilt für die andere Seite. Schließlich überlebt in etwa nur jedes achte Start-up vernünftig die ersten Jahre. Wenn man nicht dazu gehören möchte, sollte man sich einen strategisch passenden VC-Investor suchen.
Klar, wer dringend Kohle braucht, den interessieren diese Dinge zunächst einmal nur sekundär. Aber Not ist immer ein schlechter Ratgeber. Daher sollte man sich als Start-up nicht in eine Situation begeben, in der man quasi „erpressbar“ wird.
Dies vorausgesetzt, können Gründer anhand der obigen Kriterien eine gute Wahl treffen. Die Betonung liegt auf dem Wort „kann“. Denn ob sich ein Start-up die Mühe macht, einen guten Investor auszuwählen, bleibt jedem Gründer selbst überlassen.
Über den Autor:
Julian von Hassell ist Venture Capital Investor und geschäftsführender Direktor der an der Frankfurter Börse notierten Social Commerce Group SE. Die SCGSE ist eine Beteiligungsgesellschaft mit Fokus auf das Sport-Merchandising. Die Gesellschaft operiert als Seed und Early Stage Investor, der seine Beteiligungen langfristig hält, um ihren Wert nachhaltig zu stärken.