Gastbeitrag von Florian Nöll
20 Börsengänge pro Jahr sind das große Ziel
Es war der Versuch, die noch von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler losgetretene Diskussion um einen neuen Neuen Markt, endgültig zu beenden, als Deutsche-Börse-Vize-Chef Preuß im November die vorbörsliche Plattform “Venture Network” ankündigte und einem Börsensegment für Startups eine Absage erteilte – siehe “Deutsche Börse trägt den Markt 2.0 zu Grabe“.
Keine vier Wochen später versammelte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel Vertreter von Banken, Investoren, Verbänden und Startups zum Roundtable zum Thema “Mehr Börsengänge von jungen Wachstumsunternehmen in Deutschland”. Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen erschien ebenso zur Diskussion wie BMW-Aktionärin Susanne Klatten, der ehemalige SAP Finanzvorstand Dr. Werner Brand und Neuer Markt-Veteran und Intershop-Gründer Stephan Schambach.
Die Deutsche Börse dürfte diesen Roundtable mit gemischten Gefühlen betrachtet haben. Einerseits war damit klar, dass die Diskussion noch lange nicht beendet ist. Auf der anderen Seite war die Hoffnung groß, dass die anderen Experten ihre Einschätzung teilen, wonach ein neues Börsensegment nicht die Lösung für alle Finanzierungsprobleme von Startups ist. Wenn man den Abschlussbericht liest, den die drei aus dem Roundtable hervorgegangenen Arbeitsgruppen heute ihrem Auftragsgeber Gabriel übergeben, dann trifft beides zu. Die Empfehlungen richten sich in großer Zahl an die Bundesregierung: ein Börsensegment allein ist nicht die Lösung. Und: die Diskussion um den Neuen Markt 2.0 geht trotzdem weiter.
Die Bestandsaufnahme der Expertenrunde ist nüchtern: Die Börse spielt in Deutschland, anders als in anderen Ländern, in der Wachstumsfinanzierung von Startups kaum eine Rolle. Und das, obwohl praktisch sämtliche Weltmarktführer in der Digitalen Wirtschaft die Börse als Finanzierungsquelle genutzt haben. Mit der Börse fehlt Deutschland zudem ein wesentlicher Exit-Kanal, was zuletzt auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive problematisch ist. In der Frühphase häufig mit öffentlichen Mitteln unterstützte Startups werden ins Ausland verkauft, und mit ihnen Innovationen und Arbeitsplätze verlagert. „Der fehlende bzw. unzureichend wahrgenommene Baustein „Börse“ ist daher eine entscheidende Lücke im bestehenden „Ökosystem“ der deutschen Unternehmensfinanzierung“ schreiben die Experten.
Heute liegen 25 konkrete Empfehlungen auf dem Schreibtisch des Bundeswirtschaftsministers. Die Empfehlungen reichen von kommunikativen Maßnahmen über die Schaffung eines spezifischen Wachstumsindex bis hin zum Abbau regulatorischer Hindernisse für die Aktienanlage von Versicherungsunternehmen. Auch die Übertragung des US-amerikanischen JOBS-ACT auf Deutschland und die steuerliche Privilegierung von Wagniskapital soll geprüft werden.
“Der Börsenstandort Deutschland sollte sich zum Ziel setzen, pro Jahr durchschnittlich 15 bis 20 nachhaltig erfolgreiche Börsengänge von Wachstumsunternehmen zu realisieren” lautet die formulierte Zielvorgabe im Abschlussbericht. Dieses Ziel ist ambitioniert, aber auch erreichbar. Während wir noch über den Neuen Markt schimpfen und an die Volksaktie denken, gelang es den USA, auch durch regulatorische Maßnahmen, das Börsengeschehen wiederzubeleben. Die positive Folge: Aus der New Economy der USA ist the Economy geworden. Wenn wir erleben wollen, wie aus deutschen Startups Weltmarktführer werden, dann wissen wir spätestens seit heute, was zu tun ist.
Passend zum Thema: “Nun soll auch noch HelloFresh an die Börse“, “German Startups Group wagt den Sprung an die Börse” und “Neue IPO-Pläne bei Rocket (und weitere Börsenträume)“.
Zur Person
Florian Nöll ist seit seiner Schulzeit mehrere Unternehmen in den Bereichen Internet, Software und HR gegründet. Als Vorstand im Bundesverband Deutsche Startups engagiert er sich für einen Dialog zwischen Gründern und der Politik.