Gastbeitrag von A. Grillo und Y. Brugière
Bei der Rente müssen Gründer-Geschäftsführer aufpassen
Ob bei der Gründung selbst oder innerhalb der ersten Finanzierungsrunden: In der Euphorie wird die Sozialversicherungspflicht von geschäftsführenden GmbH-Gesellschaftern, die weniger als 50 % der Gesellschaftsanteile halten, häufig vernachlässigt. Aber Gründer wie Investoren sollten sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen
Die Investoren tragen den größten Teil des finanziellen Risikos. Die fälligen Nachzahlungen holt sich die Rentenversicherung nicht etwa hälftig vom Geschäftsführer und der Gesellschaft, wie es das System der Beitragspflicht im Normalfall vorsieht – diese sind komplett von der Gesellschaft zu tragen. Und die Möglichkeiten für das Unternehmen, sich die Gelder beim Geschäftsführer zurückzuholen, sind extrem begrenzt.
Für die Gründer rächen sich die Versäumnisse aber spätestens bei einem Exit. Nachzahlungsrisiken werden dann häufig entdeckt werden und beim Kaufpreis negativ berücksichtigt
Geringe Chancen auf Befreiung
Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung haben geringe Chancen, von der Rentenversicherung befreit zu werden, seit einem entsprechenden Urteil des Bundessozialgerichts 2012. Es hilft seither kaum noch, der alleinige und entscheidende Know-How-Träger der Gesellschaft zu sein –vor diesem Urteil konnte das häufig noch zu einer Beurteilung als Selbstständiger führen. Tatsächlich stellen die Sozialgerichte gegenwärtig praktisch allein darauf ab, ob der jeweilige Gesellschafter-Geschäftsführer Weisungen der Gesellschaft verhindern kann. Eine “Schönwetter-Selbständigkeit”, die nur etwas wert ist, solange es nicht zum Disput kommt, reicht nicht mehr aus. Daher ist es unerheblich, ob dem Geschäftsführer tatsächlich überhaupt Weisungen erteilt werden – er muss solche im denkbaren Streitfall rechtlich abwenden können.
Es bleiben nur wenige Konstellationen, bei denen keine Sozialversicherungspflicht besteht:
* Der Geschäftsführer hält mindestens 50 % der Gesellschaftsanteile
* In der Satzung ist rechtlich eine Sperrminorität bestimmt („Veto-Recht“)
* Es wird eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen, an der alle Gesellschafter beteiligt sind: In dieser Vereinbarung verpflichten sich mindestens zwei (geschäftsführende) Gesellschafter, deren Anteile zusammen ausreichen, um unangenehme Weisungen der Gesellschaft abzuwenden, bei Abstimmungen über Gesellschaftsbeschlüsse gleich zu stimmen. Beide Stimmen zusammen können dann entsprechende Beschlüsse der Gesellschaft, die der Geschäftsführer nicht will, verhindern. Das für die Rentenversicherung entscheidende Merkmal der Weisungsgebundenheit könnte damit entfallen. Die Gerichte beurteilen solche Stimmbindungsvereinbarungen noch uneinheitlich, aber das Bundessozialgericht wird dazu bald in einem entsprechenden Verfahren entscheiden.
Im Zweifel: Statusfeststellungsverfahren durchführen
Bei jeder Gründung und jeder Finanzierungsrunde sollte geprüft werden, ob und welche Möglichkeiten in Betracht kommen, eine Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer abzuwenden. Die erforderlichen Rahmenbedingungen müssen frühzeitig geschaffen werden. Zudem ist es in Zweifelsfällen häufig sinnvoll, den sozialversicherungsrechtlichen Status der Geschäftsführer im Rahmen eines freiwilligen Anfrageverfahrens bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund frühzeitig klären zu lassen.
Gibt es die Möglichkeit zur Befreiung von der Sozialversicherungspflicht aber offenkundig nicht, müssen die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge rechtzeitig und ordnungsgemäß abgeführt werden. Andernfalls drohen später böse Überraschungen.
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Zur Person
Yann Brugière und Andreas Grillo sind auf Rechtsanwälte im Bereich Arbeitsrecht bei Osborne Clarke. Die beiden beraten sowohl Start-Ups als auch etablierte Wirtschaftsunternehmen, vor allem solche aus dem Digital Business.