Gastbeitrag von Mattias Götz
Laut ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit erfolgreich!
Wer sich mit der deutschen Start-up-Landschaft im Jahr 2014 beschäftigt, hat jeden Tag aufs Neue ausreichend Grund für Begeisterung: Ja – es gibt eine Gründerkultur in Deutschland! Ja – es gibt gut geführte, sensationell gewachsene Leuchttürme der Innovation! Und – vielleicht der wichtigste Grund zur Begeisterung: Es gibt (wenn auch zu wenige) Investoren, die sich Unternehmen in der frühen Entwicklungsphase anschauen und auch ihr Geld auf die Entwicklung dieser Unternehmen setzen!
Und trotzdem gibt es einige Fragezeichen, die uns zu denken geben sollten: Als reiner Finanzinvestor im Bereich Venture Capital – egal ob Business Angel oder institutioneller Fonds – liegen zwei entscheidende Aspekte auf dem Tisch: Chance und Risiko. Das Risiko ist schnell ermittelt – es liegt in den meisten Fällen bei 100 %. Die Unternehmen haben wenig bis gar keine Sicherheit zu bieten, ein Scheitern der Ideen und Geschäftsmodelle ist mehr oder weniger wahrscheinlich. Das zu akzeptieren ist die Eintrittskarte in diesen Markt – dieser Aspekt soll daher gar nicht so im Zentrum der Überlegung stehen.
Viel spannender ist die Frage: Wie bewerte ich die Chancen einer Idee? Welche Gedanken leiten mich dabei? Und hier setzt nach meiner persönlichen Wahrnehmung allzu oft die Vernunft aus und die Phantasie geht mit dem Unternehmerteam (was erlaubt ist), aber auch dem potentiellen Investor durch. Ein fataler Effekt. Eine nüchterne Analyse prüft die Fakten eines Unternehmens und seine Substanz, recherchiert Potentiale, Märkte, Bedürfnisse, Angebote, den Wettbewerb sowie den Einfluss der grundlegenden Faktoren des Geschäftsmodells. Und es erstaunt, wie häufig sich am Ende der Daumen für stark marketing-orientierte B2C-Geschäftsmodelle hebt. Ist in der digitalen Welt „laut“ gleichzusetzen mit „erfolgreich“? Ich denke nicht.
Geben wir uns allen einmal die Chance für die Überlegung, woraus echte unternehmerische Substanz besteht: Aus technologischem Vorsprung mit vielleicht geschützter Technologie, aus zahlungsbereiten Kunden, bestenfalls in berechenbarer Anzahl und vielleicht auch noch in Zielgruppen geclustert, aus der nachhaltig gültigen Lösung einer technischen Herausforderung, die dem Kunden einen spürbaren Mehrwert bringt. Im besten Fall ein Mehrwert, der nicht nach Ende des Marketing-Dauerfeuers wieder vergessen ist. Alles Dinge, die ich bei vielen frisch finanzierten Start-Ups schmerzlich vermisse, die ich aber bei einer ganzen Reihe von jungen Unternehmen im B2B-Segment finde, die alle mit einer Schwäche zu kämpfen haben: Sie sind nicht laut, sie sind nicht schrill. Das Geschäftsmodell ist eher langweilig, es bezieht Unternehmenskunden ein, deren Entscheidungen rational sind – berechenbar im schönsten Wortsinne. Nichts, was auf der nächsten Dinnerparty zum Angeben taugt. Aber ganz sicher taugt es, um die Rendite im eigenen Investment-Portfolio zu steigern. Smart Money sollte den Unterschied erkennen – und dafür auch bewundert werden.
Passend zum Thema: “Früher Umsatz in High-Tech-Start-ups: kein Widerspruch!”
Zur Person
Mattias Götz, Gründer der Wert8 GmbH betreut private und institutionelle Investoren beim Aufbau einer Investment-Strategie und der konkreten Auswahl von Beteiligungen.