"Wir sind Brüder und beste Freunde“
Wie die Nitsche-Brüder mit Math 42 den App-Store erobert haben
Ein typischer Tag der beiden Brüder Maxim und Raphael Nitsche sieht so aus: Gemeinsam arbeiten und, wenn der Kopf raucht, eine Partie Schach einschieben. „Beim Schachspielen vergisst man die Welt um sich herum, das klappt mit nichts anderem so gut“, erklärt der 18-jährige Maxim. Sein Bruder Raphael ist ein Jahr jünger.
Nicht selten verbringen die jugendlichen Gründer ihren kompletten Tag zusammen. Gerade suchen sie nach einer Zweier-WG, in der sie gemeinsam wohnen und Math42 betreiben können. Diese ungewöhnliche Brüder-Harmonie war nicht immer so: „Bis wir 12 waren, verstanden wir uns als Konkurrenten, weil wir an vielen Schach-Wettkämpfen teilnahmen. Heute ist das Konkurrenzgehabe weg, wir sind Brüder und beste Freunde.“
Man könnte anfügen: und erfolgreiche Jung-Unternehmer. Ihre Mathe-Lern-App war 2013 zeitweise die am meisten verkaufte App im deutschen Apple Store, Apple selbst bewarb sie als eine der fünf innovativsten Lern-Apps. Rund 100.000 Apps hätten sie schon verkauft, erklärt Maxim. Über verschiedene B2B-Deals fließt weiteres Geld in die Kassen und führte zu Gewinnen im höheren sechsstelligen Bereich.
Eine neue App soll Mathe noch strukturierter erklären
„Daneben warten auf unserem Schreibtisch 31 neue Konzepte auf Bearbeitung“, lacht Maxim. Momentan tüfteln sie an einer Mathe-Lern-App, von der sie schon jetzt begeistert sind: „Math 42 ist ein Feuerlöscher für akute Probleme und Unkenntnis. Unsere neue Anwendung ist strukturierter und wird den Unterricht simulieren.“
Der Geschäftssinn der beiden Jugendlichen wurde durch eine Erziehungsmaßnahme des Vaters geweckt: Als sie zehn waren, gab es kein Taschengeld mehr. Sie hätten genügend Fähigkeiten, um selbst Geld zu verdienen. Seit sie vier sind, spielen Maxim und Raphael Schach, es förderte auch ihre mathematischen Fähigkeiten. So gaben die beiden Kinder anderen Kindern Nachhilfe und lernten, wo die Probleme von schulischem Unterricht und bisherigen Lernprogrammen liegen: in fehlender Individualisierung.
Als Maxim 2010 mit seinem Vater in New York eines der ersten iPads in der Hand hielt, war klar: eine Lern-App muss her, die Lösungen Schritt für Schritt und entsprechend dem eigenen Kenntnisstand präsentiert, angereichert mit nützlichen Erklärungen und Hinweisen.
Herausfordernd: bis zum Ende durchhalten
„Das Schwierigste war, unseren Vater von der Idee zu überzeugen“, erzählt Maxim. Ohne ihn wollten sie nicht loslegen, als „Mathe- und Software-Genie“ benötigten sie seine Hilfe. Als er von seinen halbwüchsigen Söhnen einen Business-Plan verlangte, nahmen die Teenager eine Schablone von Sequoia Capital, lasen sich monatelang durch Business-Bücher und lieferten nach einem halben Jahr einen Business-Plan, der ihren Vater nicht nur überraschte, sondern auch überzeugte.
„Die nächste Herausforderung war, bis zum Ende durchzuhalten“, erinnert sich Maxim. Die langwierige Beschäftigung mit Business-Plan, eineinhalb Jahre Tüfteln am Produkt, wochenlanges Suchen nach Fehlern – „das war der Horror.“
Das Durchhalten hat sich gelohnt, mit Math 42 haben sich Maxim und Raphael einen Traum erfüllt, bei dem es längst nicht nur um ein erfolgreiches Produkt geht: „Mit Math 42 wollen wir die Bildung demokratisieren. Wenn man Bildung verbessert, verbessert man damit direkt die Gesellschaft, weil man mehr Menschen eine Chance gibt.“ Der finanzielle Aspekt ist für die Brüder zweitrangig, trotz des Hypes kostet die App nur 89 Cent.
„Wir kommen aus einer Familie von Mathe-Genies“
Die beiden Jungunternehmer sind froh, dass ihr Vater sie davor bewahrte, Investoren mit ins Boot zu holen, zwischendrin gab es Gespräche, am Ende lehnten sie ab: „Dann wäre unsere jetzige Preispolitik nicht mehr möglich.“
Das Erstaunen, das ihre Biografie hervorruft, erklärt Maxim in wenigen Sätzen: „Wir kommen aus einer Familie voller Mathe-Genies, schon unser Großvater war Mathe-Prof, unser Vater ist auch ein Profi, dazu sämtliche Cousins…“. Auf Kosten der Schule ging das Gründen aber nicht, glaubt Maxim, der zwischendurch sogar eine Klasse übersprungen hat. Das Abi haben sie bereits hinter sich, beide Brüder studieren. Ist ein Studium bei diesem Werdegang überhaupt noch nötig? „Klar, ich bin fasziniert von Wissen“, beteuert Maxim, der sein Studium unbedingt durchziehen will. Eines behält er sich aber vor: Wenn seine Firma bald „so richtig abgehen“ sollte, könnte er sich vorstellen, vielleicht mal ein Semester auszusetzen.
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