Michael Löhr von Tiramizoo im Interview
“Der Rekord für Same-Day-Delivery liegt unter 15 Minuten”
Der junge Kurierdienst Tiramizoo, der vom Fahrzeugbauer Daimler und vom Paketdienst DPD finanziell unterstützt wird, vermittelt Stadtkuriere, die in Minutenschnelle vor der Haustür stehen und Botengänge erledigen. Same-Day-Delivery ist somit das Schlagwort, mit dem tiramizoo-Geschäftsführer Michael Löhr die Szene bereichert. Im Interview mit Location Insider spricht der Tiramizoo-Macher über Abendzeitfenster, vergessene Schlüssel und ländliche Gebiete.
Cyberport-Geschäftsführer Olaf Siegel sagte Ende 2013: “Aus unserer Sicht ist Same-Day-Delivery vor allem ein B2B-Thema, zum Beispiel wenn es um die Lieferung von dringend benötigten Ersatzteilen geht. Endkunden hätten Same-Day-Delivery ebenfalls gerne, sind in der Regel aber noch nicht dazu bereit, extra dafür zu bezahlen.” Würden Sie diesem Zitat zustimmen?
Es ist richtig, dass Same-Day-Delivery auch für B2B-Kunden interessant ist. Allerdings sehen wir bereits jetzt ähnlich viele Bestellungen von Endkunden, wie von B2B-Kunden. Endkunden bestellen für in den Abendzeitfenstern, B2B-Kunden eher tagsüber.
Haben Sie schon einmal Same-Day-Delivery in Anspruch genommen? Falls ja, was genau haben Sie wo bestellt und wie hat das funktioniert?
Ja, wir nutzen taggleiche Lieferungen sehr häufig. Die ersten Bestellungen waren zum Beispiel Laptops für neue Mitarbeiter. Das hat perfekt geklappt. Ich selbst und unsere Mitarbeiter nutzen den Service auch für viele andere Situationen, zum Beispiel das Liefern von vergessenen Schlüsseln oder für den Transport größerer Einkäufe, wenn man mit den Öffentlichen oder dem Rad unterwegs ist.
Tiramizoo stellt auf Wunsch Produkte innerhalb von 90 Minuten zu. Ist diese Zeit logistisch zukünftig überhaupt noch zu toppen?
Ja natürlich! Der Rekord in den UK für Same-Day-Delivery liegt unter 15 Minuten. Allerdings müssen da viele Aspekte zusammenkommen: Nähe der Filiale zum Kunden, naher verfügbarer Kurier und schnelles Picken und Packen in der Filiale. In der Regel sind 90 bis 120 Minuten Lieferzeit ein guter Wert. Viele Kunden möchten auch die Lieferung zum Wunschzeitpunkt, der einige Stunden nach der Bestellung liegen kann.
MyDoorman aus San Francisco liefert bis Mitternacht aus. Was sind Ihre maximalen Lieferzeiten?
Im Moment sehen wir das Liefern bis 20 oder 22 Uhr als ausreichend an. Es kommt hier aber auch auf die Öffnungszeigen der lokalen Filialen an und die Verfügbarkeiten unsere Partnerkuriere.
Ist ein Zusammenschluss zwischen den jetzt schon 18 angebotenen Städten geplant? Da würden sich vor allem die Ballungsgebiete Bochum-Dortmund-Essen und Mainz-Frankfurt anbieten, oder?
Das wird sich sicherlich dahin entwickeln. In einigen Fällen liefern wir im Ruhrgebiet schon von Stadt zu Stadt. Wobei man sehen muss, dass die Cut-off-Zeiten, also der Zeitpunkt bis zu denen der Kunde seine Bestellung noch aufgeben kann, immer weiter nach vorne wandern, je weiter die Lieferwege sind. Und ab einem bestimmten Punkt nimmt man dem Kunden die Spontanität und Flexibilität, wenn er z.B. nur bis 14 Uhr bestellen kann, um eine Lieferung um 18 Uhr zu erhalten, wenn eben die Lieferstrecke sehr weit ist.
Vor knapp einem Jahr haben Sie im Interview mit VentureTV gesagt, dass bisher keine Abdeckung von Kleinstädten geplant ist. Lohnt sich das einfach nicht? Hat sich daran etwas geändert?
Kleinstädte sind eine besondere Herausforderung, denn wir reden hier ja von der Bedienung des lokalen Bedarfes. Wenn die Lieferstrecken weit und die Auslastung gering sind, bedeutet das auch hohe Lieferkosten. Aber wir arbeiten hier mit einigen Kommunen an Konzepten, die schnell die kritische Masse aufbauen helfen sollen. Wir werden Ende des Jahres sehen, wie gut das geklappt hat.
Ist die Lieferung am Tag der Bestellung im ländlichen Gebiet überhaupt machbar?
Die taggleiche Lieferung im ländlichen Gebiet ist natürlich machbar. Im Ersatzteilgeschäft oder auch im Bereich Arzneimittel wird das bereits umgesetzt. Hier sind unserer Erfahrung nach aber die Lieferpreise für den Endkunden noch unattraktiv hoch. Aber mit steigender Nachfrage sinken auch die Lieferkosten. Wenn sich lokal die Händler zusammenschließen und gemeinsam Same-Day-Delivery bewerben, kann und sollte es auch gut in ländlichen Regionen funktionieren.
Im angesprochenen Interview haben Sie mehrmals auf das Weihnachtsgeschäft hingewiesen. Wie ist es gelaufen?
Die Händler und wir waren sehr zufrieden. Im November sahen unsere Händler bereits einen Anstieg von bis zu 36% zum Vormonat und im Dezember bis zu 78%.
Anfang 2013 berichtete die Wirtschaftswoche, dass Privatleute über Ihre Plattform ebenso in die Zustellung eingebunden werden sollen? Was ist aus dem Plan geworden?
Als wir von der Wirtschaftswoche interviewt wurden, interessierte man sich auch sehr für den Aspekt Nachhaltigkeit bei unserem Geschäftsmodell. Wir sind der Meinung, dass ein gutes, taggleiches lokales Lieferangebot hilft, bequemer ohne Privatwagen in Metropolen auszukommen – was die Lebensqualität erhöht und viele Probleme reduziert. Ein Kurier kann 20 bis 30 Einkaufsfahrten ersetzten. Um ökonomisch und ökologisch sinnvoll lokal liefern zu können, suchen wir immer nach Möglichkeiten Transporte zu bündeln. Und natürlich kann es attraktiv sein zum Beispiel Pendler oder allgemein Privatleute in die Transportplanung mit einzubeziehen. Aber im Moment ist das nicht unser Focus, sondern ein Szenario, was wir bei unserer Entwicklung mit einbeziehen.
Welche weiteren Städte sollen von Tiramizoo abgedeckt werden?
Stück für Stück werden wir den Service, immer gemeinsam mit unseren Retailpartnern auf immer kleinere Städte ausweiten. Für dieses Jahr kommen 20 bis 30 weitere Städte hinzu.
eBay will Kunden irgendwann sogar via GPS orten und während des Einkaufsbummels in der Stadt und Amazon per Drohne liefern. Ist so etwas in Deutschland denkbar?
Das Beliefern des Endkunden nicht an eine feste Adresse, sondern an dessen aktuellen Standort, ist natürlich auch bei uns theoretisch möglich. Wenn Händler gemeinsam mit einem Anbieter wie uns beim Bestellvorgang dafür die Vorrausetzungen schaffen, ist es mit relativ wenig Aufwand auch zu realisieren. Im Moment sehen wir keinen Grund der Drohnendiskussion intensiv zu folgen. Teilweise sind die Berichte aber in der Tat amüsant und manchmal sogar interessant.
Wohin soll es 2014 gehen? Was ändert sich bei Ihnen bzw. im Same-Day-Delivery-Markt?
Der Same-Day-Delivery-Markt wirr offensichtlich immer attraktiver, auch für neue Player in Deutschland aber auch international. Uns freut es sehr, wie viel Bewegung in das Thema gekommen ist. In Deutschland lernt man natürlich auch von Amazons, eBays und auch Googles Same-Day-Delivery-Angeboten: Taggleiches Liefern wird für viele Händler einfach zum Serviceangebot gehören müssen um attraktiv zu bleiben oder vielleicht wieder attraktiv zu werden. Zwischen 2010 und 2013 haben wir viel Energie aufgewendet, um Same-Day-Delivery für den Handel in Deutschland zu etablieren. Unsere Salespipeline ist für 2014 randvoll, auch weil wir über DPD natürlich einige große Händler hinzubekommen haben. 2014 wird nun auf jeden Fall das Jahr mit Fokus auf solides Wachstum.
Dieses Interview erschien zuerst auf Location Insider, einem Fachdienst, der in einem täglichen Newsletter über Location-based Services informiert.
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