Tipps für den modernen Vertrieb: 270 PS, 6 Airbags und keinen interessiert es
270 PS, 6 Airbags und keinen interessiert es – Gastbeitrag von Joachim Günster (siehe links), seit über 30 Jahren im Verkauf tätig.
Die meisten Wirtschaftsprofis halten Präsentationen, um Informationen zu vermitteln. Steve Jobs nicht. Eine Präsentation von Steve Jobs zielte darauf ab, eine bestimmte Erfahrung zu erzeugen – ein Feld der Wirklichkeitsverzerrung, in dem das Publikum in Ehrfurcht und höchste Aufregung versetzt wird. Dass er darin der Beste war, das hat er immer und immer wieder bewiesen. Und das ist es was eine wirklich gute Story ausmacht. Gute Verkäufer nennen keine Daten, Fakten, PS, FLOPs, Megabyte, Steigungswinkel, Durchsatz und so weiter und so weiter. Weil es keinen interessiert! Weil man es sich sowieso nicht merken kann.
Was wollen Sie? 20 GB Festplatte oder vielleicht 1.000 Musikstücke in der Hosentasche? So verkaufte Steve Jobs bei Apple: „Als wir das iPhone auf den Markt brachten, hätten wir über 1 Million Dinge sprechen können. Es hatte eine unglaubliche Anzahl von neuen Funktionen. Aber anstatt über diese Features und die vielen Funktionen zu sprechen konzentrierten wir uns auf drei Dinge: Es war ein revolutionäres Telefon; es war das Internet in deiner Hosentasche und es war der beste iPod den wir jemals gemacht haben!“
Gerade in der technischen Welt ist es gang und gäbe den potentiellen Kunden mit den besten Messwerten, den kleinsten Millisekunden, den schnellste Zugriffszeiten und den multicore Superlativen zu attackieren. Hilfe, das will er nicht, der Kunde! Er will dass das Gerät Musik spielt, er eine Tabelle berechnen kann, einen Brief schreiben, eine E-Mail senden und lesen kann und im Internet surfen kann. Da sind ihm die Gigatrillionen-Superfantastica-Elektronenbeschleuniger völlig schnuppe. Völlig!
Was er will ist etwas ganz anderes: Er will bei seiner Freundin glänzen, bei seinen Kumpels als hip gelten, bei seinem Chef ein Lob für seine gute Arbeit. Das will er.
Deshalb hat Apple selten Produkte als Produkte vorgestellt und angeboten. Apples Konzept ist es den Kunden zu erzählen, was für eine Art Mensch sie sein können, nicht, was sie kaufen sollen. Und dass das sensationell funktioniert hat, ist bewiesen.
Es kommt noch was ganz anderes dazu. Keiner kann sich diese technischen Details merken. Aber das Lebensgefühl, das man bekommt, wenn man ein Produkt benutzt, das kann man sich merken. So ist unser Hirn nun mal aufgebaut. So verarbeiten wir Informationen und vor allen Dingen so erinnern und speichern wir Informationen – über Gefühle, über Bilder und ganze Sounddateien, die jeweils ein Gefühl erzeugen. Warum also nicht gleich das Gefühl erzeugen?
Sie wissen nicht wie kalt es in der Nach draußen ist wenn Dracula im Anflug ist. Und jedem, der daran glaubt, dass Dracula ihn beißen könnte, dem fröstelt. Auch bei 20 Grad plus. Es ist das Gefühl, die Fakten sind nicht so wichtig.
“Wir probieren Geschichten an, wie man Kleider anprobiert”, heißt es bei Max Frisch. Geschichten verknüpfen Fakten und stellen einen Zusammenhang her. Ohne diesen Zusammenhang würde sich unser Leben wie ein Datenblatt einer Festplatte, einer hydraulischen Bremse oder eines Schnellkochtopfes lesen. Aufgestanden, Kaffee getrunken, losgefahren, angekommen, gearbeitet, gegessen, Kaffee getrunken, telefoniert, geschrieben, Jens getroffen, Computer runtergefahren… Spannend, oder nicht?
Warum in aller Welt benutzen die meisten Verkäufer im Verkaufsgespräch Fakten, um den potentiellen Kunden zu gewinnen? Wollen sie den Kunden Vokabeln pauken lassen? Und wehe, wenn der Kunden nicht schnell ja sagt! Noch mehr Fakten, damit der Kunde endlich versteht.
Dabei ist es nicht kompliziert, aus einer Faktensammlung eine coole Story zu machen.
“Der König starb, und dann starb die Königin” – Eindeutig. Entspricht der Wahrheit. So war es.
Das bleibt nicht hängen. Die Story geht nicht in unser Erinnerungsvermögen, nicht tief ins Unterbewusstsein. Wie können wir das ändern? Indem wir Emotionen einbinden. Schon wenige genügen, um der Story eine erinnerbare Würze zu geben, um sie tief in unser Gefühlszentrum zu steuern: ”Der König starb, und dann starb die Königin vor Trauer.”
Die Ursprungsstory war ein Tatsachenbericht und eine faktische Erzählung. Sie ist um zwei Wörter kürzer. Dennoch bleibt die längere Story hängen. Warum? Weil die längere Story “Sinn” macht. Weil wir mitfühlen können. Weil neben unserem “Faktenhirn” auch unser emotionales Zentrum angesprochen wird. Weil unser Hirn so arbeitet. Weil wir Menschen sind.
Liebe Leser, nehmen Sie sich nun gleich Ihre Verkaufsaussagen vor und streichen Sie alle Fakten raus. Radikal. Was bleibt dann übrig? Nichts mehr? Puhhhh. Mädchen, 8 Jahre, Wald, Oma 72 Jahre, tot! Nehmen Sie ein paar Fakten und stricken Sie eine Geschichte drum herum. Bauen Sie einen starken Auftakt, einen Bösewicht ein und schon verkaufen Sie so viel mehr! Ach ja, auch Investoren sind Menschen und lieben Stories!
Vor allen Dingen, wenn man diese Stories, beziehungsweise den Inhalt entsprechend vorbereitet und sozusagen den Samen ausstreut, um später ganz bestimmte Früchte zu ernten. Das zeige ich beim nächsten Mal. Wie man das macht und vor allen Dingen was Gorillas für eine Rolle spielen, so wie bei der starken Eröffnung. Aber seinen Sie beruhigt, dieses Mal sind es andere Gorillas. Unsichtbare!
Tipps für den modernen Vertrieb (Bisherige Teile dieser Reihe):
- Das 100 Milliarden US-Dollar Start-up
- Umsatz XXL – gewusst wie, der Outcome-Frame
- Ihre Verwandten werden abgeschlachtet – so fangen gute Verkäufer an!
- Ich bin ein Mac – ich bin ein PC
Zur Person
Joachim Günster ist seit über 30 Jahren im Verkauf. Überwiegend mit technologischen Produkten. Er ist ebenso lange Unternehmer und Serial-Entrepreneur. Er hat High End-Technologie an Konzerne verkauft, auch durchaus gegen den Widerstand der hausinternen IT-Abteilungen. Günster erstellt Verkaufsstories die verkaufen. Die an Kunden, Geschäftspartner und auch an Investoren verkaufen. Auf seinem Blog findet man immer wieder nützliche Hinweise und Techniken wie man besser erfolgreich verkaufen kann. Umsatz XXL ist das Ziel. Twitter: @stories4success