Disruptive Innovations – MyTaxi tötet den Taxifunk

„Disruptive technologies“ verändern Industrien radikal. Die etablierten und erfolgreich tätigen Unternehmen in diesen klassischen Industrien sind besonders bedroht. Das spannende daran: Sie können sich nicht wehren. Dadurch, dass sie alles richtig machen, werden […]
Disruptive Innovations – MyTaxi tötet den Taxifunk
Donnerstag, 16. August 2012VonMalte Prien

„Disruptive technologies“ verändern Industrien radikal. Die etablierten und erfolgreich tätigen Unternehmen in diesen klassischen Industrien sind besonders bedroht. Das spannende daran: Sie können sich nicht wehren. Dadurch, dass sie alles richtig machen, werden sie untergehen. deutsche-startups.de berichtete gerade erst über die Definition „disruptive“. In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, wer tatsächlich „disruptive“ ist. Dazu untersuchten wir den Markt für Taxibestellung bzw. Taxifunk. Ergebnis: MyTaxi (www.mytaxi.net) ist „disruptive“!

Prolog

Um „disruptive“ zu verstehen, muss zunächst ein Produktmerkmal definiert werden, anhand dessen eine Produktperformance beschrieben werden kann. Im betrachteten Markt geht es um das Produktmerkmal Fahrgastvermittlung. Die Produktperformance ergibt sich z.B. aus Anzahl und Zuverlässigkeit von Fahrgastvermittlungen.
Um die Performance dieses Produktes stetig zu verbessern, wurden in der Geschichte des Taxi zahlreiche innovative Ansätze entwickelt und eingeführt (sustaining innovations). Dazu gehören u.a.:
* 1907: telefonische Taxibestellung in München
* 1925: Inbetriebnahme Autorufzentrale in Leipzig
* 1953: erste Funktaxen in München
* 1994: erste Computerarbeitsplätze in München
* Ende 2000er: Kienzle Argo baut Komplettsystem T21 (erstmalige Integration von Datenfunkdisplay, Taxameter und Drucker in einem einzigen DIN-Schacht-Gerät)
* Ende 2000er: GeFoS entwickelt com4cab als vollautomatisches Fahrtenvermittlungssystem
* 2011: Wuppertaler Taxizentrale erprobt automatische Anrufbearbeitung

Gewünschte Produktperformances des Marktes

Diese Entwicklung hat zwar den Prozess der Fahrgastvermittlung verbessert und optimiert. Diese wurde jedoch über den eigentlichen, gewünschten Bedarf hinausgetrieben. deutsche-startups.de sprach mit Taxifahrern und hat in Foren recherchiert:
„Bei dem Geschäft kann auch ein neuer Funk keine neuen bzw. mehr Fahrgäste herbeizaubern!“
“aber auch ein neuer Funk kann keine Wunder vollbringen, neue Kunden herbeizaubern oder Aufträge zum Diskontpreis vermitteln”
“Kurve jetzt seit einem knappen halben Jahr funklos herum und mir bleibt in der Relation zur Kostenersparnis das gleiche über wie vorher, aber mit wesentlich weniger Stress”
Eine Google-Recherche zu den Kosten für den klassischen Taxifunk ergab einen monatlichen Fixbetrag von circa 200 Euro. Das sind die Kosten, die ein Taxiunternehmen an eine Funkzentrale zahlt, um über diese Fahrgäste vermittelt zu bekommen.

Disruptive Technologies im Taxifunk

Disruptive Innovations: Taxibestellung über (mobile) App

Anfang 2010 startete die MyTaxi App. Das Geschäftsmodell baut auf einer rein leistungsbezogenen Fahrgastvermittlung auf: pro vermittelten Fahrer wurde damals eine Provision von 99 Cent fällig. In der Regel beginnen „disruptive technologies“ im unteren Level der Produktperformance. D.h. sie sind zunächst von minderer Qualität im Vergleich zur bestehenden (sustaining) Lösung. Dies zeigt sich auch in den Kommentaren der MyTaxi Driver App bei iTunes:
* 20.03.2010 = “Bei der hier läuft der Stromverbrauch auf Hochtouren”
* 01.04.2010 = “hoher Stromverbrauch”
* 15.04.2010 = “Was ist wenn der Kunde verschwindet?”

Doch auch diese „disruptive technology“ entwickelt sich weiter, wie spätere Kommentare und schließlich die Gesamtbewertung zeigen. Aus den Kommentaren liest sich zudem eine weitere Entwicklung ab. Die Wertschätzung der Produktperformance ändert sich:
* 15.01.2011 = “Kunde mit Name und Telefonnummer”
* 01.06.2012 = “Bald kann ich die arrogante Funk Zentrale abschalten”

Die klassische Entwicklung (sustaining) der Fahrgastvermittlung konzentrierte sich auf Volumen und Zuverlässigkeit. Attribute, wie z.B. Fahrgast-Fahrer-Beziehung und Transparenz blieben unberücksichtigt. Jetzt erkennt der Taxifahrer, dass er einen Kunden aufbauen und halten kann.

Tod

Die klassischen Anbieter erkennen die Gefahr durch mobile Apps zur Taxibestellung. Sie versuchen, sich dagegen zu wehren und treten mit eigenen Lösungen am Markt an. Allerdings sind sie in ihrer klassischen (sustaining) Geisteshaltung gefangen. Ihre mobilen App-Lösungen performen nicht. Ein Vergleich von vier Taxibestell-Apps:

* MyTaxi = 4,5 Sterne mit 3.629 Bewertungen
* Dein Taxi (von GeFos) = 2,5 Sterne mit 38 Bewertungen
* Taxi Berlin 202020 (Berliner Taxifunk) = 3,5 Sterne mit 65 Bewertungen
* Taxi Ruf Münster = “Wir haben noch nicht genügend Bewertungen erhalten, um einen Durchschnittswert für die aktuelle Version dieses Artikels anzeigen zu können.”

Die neuen Anbieter im Markt für Taxibestellungen verändern diesen Markt radikal. Das Prinzip der „disruptive innovation“ lässt sich an diesem Beispiel schön erklären. MyTaxi und Co. haben den Zeitgeist verstanden und sind hochgradig „disruptive“. Die klassischen Anbieter hingegen sind in ihrer alten Geisteshaltung gefangen und werden bald vom Markt verdrängt. RIP!

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