Gründer! “Wir haben uns vom Rocket-Fokus gelöst” – Christian Vollmann von eDarling
Angefangen hat Christian Vollmanns Karriere als Seriengründer im Praktikum bei Oliver Samwer – eine Tatsache, auf die in der deutschen Gründerszene gerne verwiesen wird. Dabei hat sich der 34-Jährige an vielen Stellen emanzipiert und zu der Überzeugung gefunden, dass er bei seinen eigenen Gründungen auf Nachhaltigkeit setzen will statt auf kurzfristige Entscheidungen – eine Überzeugung, die er bei eDarling versucht umzusetzen. Das Dating-Portal ist Vollmanns jüngstes Projekt und macht ihm einen Riesenspaß.
Als Lukas Brosseder und David Khalil die Idee zu eDarling (www.edarling.de) hatten, war Vollmann gerade mit seiner Frau auf Weltreise. Mit der Auszeit belohnte sich der MyVideo-Gründer, nachdem sein Start-up 2007 erfolgreich an ProSiebenSat.1 verkauft worden war. Brosseder und Khalil sprachen Vollmann an, ob er nicht investieren wolle, da er einige Jahre zuvor bereits das Dating-Urgestein iLove (www.ilove.de) aufgebaut hatte. Vollmann war vom Konzept und dem Gründerteam so begeistert, dass er gleich ganz mit einstieg und eDarling mit aufbaute: „Die Chemie hat einfach gestimmt. Für mich ist das der wichtigste Punkt und damit entscheidender als Faktoren wie möglichst komplementäre Eigenschaften zu haben.“
Vom kurzfristigen Fokus hin zur nachhaltigen Unternehmensphilosophie
Wie alle Dating-Portale steht auch eDarling in der öffentlichen Kritik. Der ganze Markt wird sein Schmuddel-Image einfach nicht los. Als eDarling vor einiger Zeit einstweilige Verfügungen gegen ElitePartner (www.elitepartner.de) und Partnersuche.de (www.partnersuche.de) erwirkte, in denen es um automatische Mitgliedsverlängerungen und Fake-Profile ging, wurde Vollmann von vielen Seiten angegriffen – eDarling sei doch auch nicht besser. Vollmann gibt zu, dass man am Anfang Fehler gemacht habe. „Wir haben uns mit der Zeit aber immer mehr vom kurzfristigen Fokus, wie Rocket Internet ihn verkörpert, gelöst. Heute ist mir Nachhaltigkeit extrem wichtig – sowohl im Umgang mit Mitarbeitern als auch in Bezug auf unsere Kunden.“
Nachhaltigkeit bedeutet für den Berliner, dass eDarling nicht mit kundenunfreundlichen Praktiken in Verbindung gebracht werden will, sondern auf entsprechende Anfragen sofort eingehe. Eine der letzten größeren Änderungen war die Umwandlung des „Weiter“-Buttons, mit dem kostenpflichtige Mitgliedschaften abgeschlossen wurden, in einen „Kaufen“-Button. „Bei kundenunfreundlichen Praktiken verdient man natürlich kurzfristig mehr Geld – langfristig wird aber das positive Karma, das Erfolgspaare mit uns verbinden, wieder zerstört. Dabei leben wir stark von den Empfehlungen glücklicher Paare.“
„Ich bin eher der Verkäufertyp“
Vollmanns ursprünglicher Berufswunsch hatte mit Unternehmertum nichts zu tun. Kinderarzt will er eigentlich werden – bis er seinen Zivildienst in einer Erlanger Kinderklinik macht und merkt, dass der Beruf wenig mit seinen Vorstellungen davon zu tun hat. Vor allem die Machtspiele zwischen Krankenschwestern, Ärzten und Chefärzten findet er grauenvoll. Als er sich beim Sport das Handgelenk bricht und krank geschrieben wird, langweilt er sich und beschließt, mit einem Freund zusammen ein Unternehmen zu gründen. Die beiden Jung-Entrepreneure bringen sich innerhalb von zehn Tagen bei, wie man statische Webseiten in HTML programmiert, und verdienen ihr erstes Geld. „Ich habe schnell gemerkt: Mehr als das Programmieren reizt es mich, dem Kunden zu erklären, warum er eine Webseite braucht. Ich bin eher der Verkäufertyp.“
Als es ans Studieren geht, will Vollmann unbedingt an die WHU. Die Gebühren für die Privat-Uni sind kein Pappenstil für seine Eltern, die beide aus einfachen Verhältnissen kommen und aus finanziellen Gründen selbst nicht studieren konnten – „dabei hätten sie das Zeug dazu gehabt“, erklärt Vollmann. Umso dankbarer ist er, dass seine Familie ihm das teure Studium trotzdem ermöglicht und seiner Einschätzung vertraut, dass dieser Weg der richtige für ihn ist. „Ich sehe das als Generationenvertrag an: Meinen Kindern werde ich dasselbe ermöglichen und auch für den Lebensabend meiner Eltern sorgen.“ Diese positive Erfahrung gibt Vollmann heute weiter, indem er sich bei Ashoka (www.ashoka.org) engagiert. Die Organisation fördert Sozialunternehmer, die mit ihren Konzepten gesellschaftliche Probleme lösen. Ihm selbst liegt vor allem das Projekt Arbeiterkind am Herzen, das Kinder aus sozial benachteiligten Familien darin unterstützt, entgegen aller Hürden zu studieren. „Sozialunternehmer sind die eigentlichen Helden. Sie gründen keine Unternehmen, um damit reich zu werden, sondern um einen Missstand zu beseitigen. Ashoka ist mein Weg, sie zu unterstützen.“
Praktikum bei Oliver Samwer
Aber auch „normale“ Start-ups unterstützt der 34-Jährige in Form von Investments. Die jüngste Beteiligung ging an ResearchGate (www.researchgate.net), eine Plattform, die den wissenschaftlichen Austausch fördert. Auch MyVideo, jamba, StudiVZ und mysportbrands gehören auf die Liste seiner Gründungen und Investments. Das Zeug zum Unternehmer hat Vollmann unter anderem von Oliver Samwer gelernt. Kennengelernt haben sie sich über die WHU, als Vollmann im zweiten Semester studiert und Oliver schon zu den Alumni zählt: Für sein Start-up Alando sucht Samwer noch Praktikanten, ist mit seiner Anfrage aber ziemlich spät dran. Er gerät an Vollmann: „Alle anderen hatten schon ihre Praktikumsplätze, nur ich und ein Kommilitone hatten uns noch nicht gekümmert. Also habe ich sofort Ja gesagt.“ Das Praktikum soll am Montag beginnen, Oliver bestellt die Jungs schon am Freitag ins Büro. „Pierre Omidyar, der Gründer von Ebay, kam zu Besuch um sich Alando anzuschauen. Damit das Büro nicht so leer aussieht, haben sie uns noch mit reingesetzt.“ Am Ende des Tages ist Alando verkauft und Vollmann hat seinen ersten Praktikumstag hinter sich.
Vollmann sagt, er habe Oliver Samwer eine Menge zu verdanken und viel von ihm gelernt. Heute ist er allerdings nicht mehr in allem einer Meinung mit seinem früheren Mentor, die Unternehmensphilosophie unterscheide sich mittlerweile sehr. Die übermäßige Kritik an den Samwer-Brüdern kann er trotzdem nicht verstehen. „Jeder, der mit Rocket Internet zusammen arbeitet, sollte sich damit beschäftigt haben, dass ihr Modell der Unternehmensgründung eher kurzfristig angelegt ist. Das kann man gut heißen oder nicht, auf jeden Fall ist es nicht überraschend. Ich selbst habe mich für einen anderen Weg entschieden.“
Wenn er heute auf sein Studium zurückblickt, ist Vollmann sehr froh, diesen Weg gegangen zu sein. Klar: Eins zu eins anwenden könne man das meiste nicht, aber er habe analytisches Denken gelernt und von der generalistischen Ausbildung profitiert – am Anfang sei schließlich jeder Gründer ein Generalist und müsse von allem etwas verstehen. Vor allem aber habe er während seines Studiums ein phantastisches Netzwerk aufgebaut. Viele der Gründer von Unternehmen, in die er heute investiert ist, hat er über das WHU-Netzwerk kennengelernt, auch seine beiden eDarling-Mitgründer. Und die Zeit genossen als eine Phase, in der noch nicht alles so bierernst war und er so viel Spaß hatte „wie im ganzen Leben nicht“. Deshalb gehört er nicht zu denen, die vom Studium abraten um die eigenen Ideen sofort ins Gründen zu stecken. „Wenn man das Leben durchoptimieren will, bringt einem ein Studium tatsächlich nichts. Aber so ein Studium ist eben mehr.“ Vollmann will sein Leben nicht durchoptimieren. Seit er Vater geworden ist schon gar nicht mehr.
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