“Ums Geld verdienen machen wir uns später Gedanken” – Ijad Madisch von ResearchGate im Interview

Das deutsch-amerikanische Start-up ResearchGate (www.researchgate.net), ein Social Network für Wissenschaftler aus allen Disziplinen, entwickelt sich mehr und mehr zum bundesdeutschen Vorzeige-Start-up. Erst recht, seitdem Benchmark Capital, Accel Partners und diverse namhafte Business Angel […]

Das deutsch-amerikanische Start-up ResearchGate (www.researchgate.net), ein Social Network für Wissenschaftler aus allen Disziplinen, entwickelt sich mehr und mehr zum bundesdeutschen Vorzeige-Start-up. Erst recht, seitdem Benchmark Capital, Accel Partners und diverse namhafte Business Angel in die Jungfirma investierten. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Ijad Madisch, Mitgründer und Geschäftsführer von ResearchGate, über Redundanzen in der Forschung, die Internationalität von Berlin und darüber, wie ResearchGate künftig Geld verdienen will.

Wie würden Sie ihrer Großmutter die Idee hinter ResearchGate erklären?
ResearchGate ist ein internationales soziales Netzwerk in dem Forscher verschiedener Disziplinen ihre Arbeit mit Kollegen teilen, sich gegenseitig über neue Ergebnisse auf dem Laufenden halten und Probleme, die sie zum Beispiel im Labor haben, miteinander diskutieren können. ResearchGate ermöglicht es dadurch vor allem auch negative Daten – sprich Experimente die nicht geklappt haben – mit anderen Forschern zu teilen und so Redundanz in der Forschung zu verringern.

Und was können Wissenschaftler und Forscher bei ResearchGate machen, was sie bei Facebook nicht machen können?
Das Profil auf ResearchGate ist ganz anders strukturiert, Inhalte stehen im Mittelpunkt schon über eine Standardsuche können sehr gezielt Ergebnisse gefunden werden. In Gruppen können die Mitglieder forschungsrelevante Themen diskutieren, man kann in einer wissenschaftlichen Stellenbörse nach passenden Jobs suchen, man kann wissenschaftlichen Konferenzen folgen und neueste Publikationen in seinem Feld entdecken.

Klingt nach einem Nischenprojekt, wie groß ist denn die Zielgruppe von ResearchGate?
15 bis 20 Millionen Menschen kommen als Nutzer in Frage.

Dass sind dann doch mehr, als man auf den ersten Blick erwartet. Und wie viele Nutzer sind bereits bei ResearchGate aktiv?
Wir haben momentan 1,2 Millionen Benutzer.

Ist bei ReseachGate auch für Laien Platz oder muss man nachweisen, dass man Wissenschaftler oder Forscher ist?
ResearchGate ist ein professionelles Netzwerk, daher ist auch der Nutzen, den ein Laie einbringen oder daraus ziehen kann recht beschränkt.

Wer sind die wichtigsten Konkurrenten von ResearchGate?
Der größte Konkurrent ist derjenige der noch nicht angefangen hat Konkurrent für uns zu sein. Natürlich sind große Verlage im weitesten Sinne Konkurrenten, Nature zum Beispiel hat mit seinem Nature Network einen Konkurrenten im Rennen.

In den vergangenen Jahren haben Sie in Boston gelebt und gearbeitet. Jetzt leben und arbeiten Sie in Berlin. Warum sind sie zurückgekommen?
Wir haben im vergangenen Jahr ein Funding von Benchmark Capital und Accel Partners aus Palo Alto erhalten. In einem Gespräch mit Matt Cohler, der auch in unserem Board ist, haben wir diskutiert ob wir ResearchGate nach San Francisco oder nach Berlin verlegen wollen. Wir haben uns dann für Berlin entschieden.

Was sprach für Berlin, was gegen San Francisco?
Gegen San Francisco sprach die große Konkurrenz von anderen Start-ups und natürlich Companies wie Apple und Facebook. Das wiederum spricht für Berlin. Weiterhin ist die Internationalität von Berlin ein wichtiger Faktor gewesen.

Ist Researchgate aus ihrer Sicht ein US-Start-up, ein deutsches Start-up oder am ehesten ein deutsch-amerikanisches Start-up?
Definitiv ein deutsch-amerikanisches Start-up.

Blicken Sie bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen drei Jahren so richtig schief gegangen?
Ganz ehrlich, so richtig ist eigentlich nichts schief gegangen. Ich hatte von Anfang an immer Freunde um mich herum, die mich gut beraten haben und die die mir gezeigt haben, wie ich bestimmte Dinge anfassen muss. Ich habe Medizin und Informatik studiert und hatte somit nicht wirklich viel Erfahrung im Entrepreneurship, habe aber durch die genannten Freunde viel gelernt. Ich denke, wir haben sogar vieles von Anfang an richtig gemacht. Wir haben immer das Feedback der User gesucht und deren Wünsche dann auch umgesetzt. Und wir haben immer das Team in den Vordergrund gestellt. Denn du bist nur so stark wie der Rest deines Teams.

Wie schwer ist es als Mediziner in der Unternehmerwelt Fuß zu fassen?
Die Unternehmerwelt ist der Medizinwelt ähnlich. Die Strukturen gleichen sich häufig. Natürlich machen wir mit ResearchGate etwas, was immer noch sehr nah an Medizin und Forschung ist. Aber man muss von Anfang an Freunde und Mitgründer haben, die in ihrem Bereich mehr Erfahrung haben als man selbst. So bringt Sören Hofmayer, mein Mitgründer bei ResearchGate, sehr viel Erfahrung im betriebswirtschaftlichem Bereich mit, und Horst Fickenscher, der CTO von ResearchGate, hat vorher eine IT-Firma mit aufgebaut.

Wie viele Menschen sorgen für den reibungslosen Ablauf bei ResearchGate?
Wir haben nun um die 60 Mitarbeiter.

Das ist eine Menge, worum kümmern die sich den ganzen Tag?
Die meisten sind Entwickler und Usersupport.

Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Investoren ausgesucht?
Ich wollte von Anfang an Investoren, die mir helfen können ein internationales Unternehmen aufzubauen, und die mir helfen können ein Social Network aufzubauen. Mit Matt Cohler von Benchmark, einem der ersten Mitarbeiter von Facebook, Michael Birch, dem Gründer von Bebo und Andrew Braccia von Accel Partners Palo Alto haben wir Investoren, die uns vor allem beim Aufbau der Community helfen können.

Wie wollen sie mit ResearchGate Geld verdienen?
Unter anderem mit einer wissenschaftlichen Stellenbörse, in der Firmen ihre freien Stellen inserieren können. Momentan ist diese Stellenbörse kostenlos. Aber irgendwann werden wir dies ändern. Zudem verkaufen wir ResearchGate als Kommunikationsplattform an wissenschaftliche Institutionen, die dann eine private Subcommunity erhalten. Wobei diese Subcommunity komplett integriert ist in das weltweite System. Zudem wollen wir irgendwann einen Marketplace für Biotech-Produkte aufbauen.

Klingt alles nach Zukunftsmusik, ist es Ihnen nicht wichtig, dass sie schon jetzt Einnahmen erzielen?
Nein, das ist uns nicht wichtig. Unser klarer Fokus ist die Community aufzubauen und ums Geld machen wir uns später verstärkt Gedanken.

Wo steht ResearchGate in einem Jahr?
Das ist eine gute Frage! Vor einem Jahr war ich noch Arzt und jetzt bin ich Unternehmer. Die Zeiten ändern sich so schnell, dass ich mich nicht traue eine 1-Jahres-Prognose aufzustellen.

Zur Person
Ijad Madisch, Jahrgang 1980, gründete ResearchGate gemeinsam mit Sören Hofmayer und Horst Fickenscher. Bevor Madisch das Social Network für Wissenschaftler ins Leben rief, studierte er in Hagen und Hannover Medizin und Informatik. Zuletzt lebte er in Boston. Inzwischen hat er seine Zelte in Berlin aufgeschlagen.

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Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.