Lexikon: Ausgründung
In unserer neuen Lexikon-Reihe publiziert Professor Dr. Tobias Kollmann, seit 2005 Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik – insbesondere E-Business und E-Entrepreneurship – an der Universität Duisburg-Essen, in regelmäßigen Abständen ein Stichwort aus dem von ihm herausgegebenen “Gabler Kompakt-Lexikon Unternehmensgründung“. Der jeweilige Lexikon-Eintrag beschreibt ein für Gründer relevantes Thema kurz und knapp. Heute geht es um den Begriff Ausgründung, Spin-off.
1. Begriff: Die Ausgründung beschreibt den Fall der Ausgliederung und Verselbstständigung eines Betriebsteils, der nicht, nicht mehr oder noch nicht zum aktuellen Kerngeschäft der Mutterunternehmung zählt, aber dennoch über viel versprechende Geschäftsperspektiven verfügt. Insbesondere in F&E-intensiven Unternehmungen entstehen oftmals zahlreiche zukunftsrelevante Technologien, die nicht alle in der Mutterunternehmung weiterverfolgt werden können, was die Bereitschaft zur Ausgründung erklärt. Die Ausgründung kann im Wege einer gemeinsamen Willensbildung von Mutterunternehmung und ausgründungswilligen Mitarbeitern erfolgen. In solchen Fällen handelt es sich dann um den hier näher zu behandelnden Regelfall des Spin-offs. Nicht immer erfolgt die Ausgründung aber im Interesse und unter Billigung der Mutterunternehmung. In denjenigen Fällen, in denen sich Mitarbeiter gegen den Willen der Mutterunternehmung ausgründen, spricht man von einem sogenanten Split-off. Die Selbstständigkeit des Spin-offs gegenüber ihrer Mutterunternehmung besteht rechtlich und zu erheblichen Teilen auch wirtschaftlich. Die wirtschaftliche Autonomie kann allerdings durch die weiterhin bestehende Abhängigkeit von der Mutterunternehmung, die ein entsprechendes Inkubatorumfeld der Ausgründung zur Verfügung stellt, Einschränkungen unterliegen. Ein Split-off strebt hingegen die völlige Autonomie von der Mutterunternehmung an.
2. Abgrenzung und Merkmale: Bei einer Ausgründung handelt es sich um einen Spezialfall des externen Corporate Venturing, bei dem aus Mitarbeitern der Mutterunternehmung Gründer des Spin-offs werden. Es erfolgt somit ein personeller Transfer zwischen Mutterunternehmung und Ausgründung. Im Gegensatz zum Management-Buy-out entsteht eine neue rechtlich-wirtschaftliche Einheit. Ihre Zusammensetzung und Struktur kann allerdings noch durch die Verhältnisse der Mutterunternehmung geprägt sein, aus welcher die Ausgründung erfolgt ist. Ein Spezifikum von Ausgründung ist daher auch die weiterhin bestehende Verbindung zur Mutterunternehmung. Sie kann sich darauf beschränken, dass die Mutterunternehmung der Ausgründung lediglich beratend zur Seite steht oder aber im anderen Extrem die Ausgründung in erheblichem Maße mit Ressourcen unterstützt und somit das geschäftliche Risiko begrenzt. Im Regelfall erfolgt ein Technologie- und Wissenstransfer zwischen Ausgründung und Mutterunternehmung, der – zumindest auf längere Sicht betrachtet – im Regelfall bilateral angelegt ist. Dadurch profitiert nicht nur das Spin-off, sondern auch die Mutterunternehmung von der bestehenden Beziehung in technologischer und Know-how-bezogener Weise.
3. Erscheinungsformen: Häufig wird bezüglich der Ausgründung mit Blick auf die Zuordnung der Mutterorganisation zwischen privatwirtschaftlichen Ausgründungen (Corporate Spin-offs) und Spin-offs aus dem öffentlichen Bereich (Public Spin-offs) unterschieden, wobei im letztgenannten Fall v.a. die Hochschulausgründungen von besonderer praxeologischer Relevanz sind. Bezüglich des Inhalts des Spin-offs wird auf anderer Ebene nach der Frage der Technologieorientierung des Spin-offs differenziert. Grundsätzlich gehen Ausgründungen mit erheblichen Gestaltungsmöglichkeiten einher, weswegen die Spannweite von Ausgründungen beträchtlich ist.
4. Ziele: Mit der Ausgründung im Sinne des Spin-offs wird oftmals seitens der Mutterunternehmung das Ziel verfolgt, eine im Grundsatz viel versprechende Idee, die außerhalb des Kerngeschäftes liegt, weiter zu verfolgen. Damit verbindet sich die Erwartung, an bestimmten Ergebnissen der Geschäftstätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt zu partizipieren. Mit dem Spin-off werden dann knappe Mittel geschont. Gleichzeitig wird die Option offen gehalten, zu einem späteren Zeitpunkt die entsprechende Geschäftsgrundlage weiterzuverfolgen, indem z.B. durch einen Transfer von Wissen und/ oder Technologien von der Ausgründung in Richtung auf die Mutterunternehmung entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden oder aber sogar eine spätere Wiedereingliederung erfolgt. Somit besteht im Wege des Spin-offs die Gelegenheit seitens der Mutterunternehmung, v.a. Technologiepfade mit sehr begrenztem Engagement weiter zu verfolgen. Aus Sicht der Gründer steht das Ziel im Vordergrund, die innovative Idee außerhalb des Zielsystems der Mutterunternehmung zur Reife zu führen und zu kommerzialisieren.
Das Gabler Kompakt-Lexikon Unternehmensgründung bietet über 2.000 aktuelle Begriffserklärungen zu den Themenfeldern Gründungsplanung/ -prozess/ -management, Geschäftsmodelle/ -konzepte/ -entwicklung sowie Unternehmensfinanzierung und Förderprogramme. Herausgeber Professor Dr. Tobias Kollmann ist anerkannter Experte für alle Fragen rund um die Unternehmensgründung und -entwicklung. Zielgruppe des Lexikons sind Unternehmensgründer, Gründungsberater, Venture-Capital-Unternehmen, Investment Manager, Unternehmensberater sowie Studenten und Dozenten der Wirtschaftswissenschaften an Fachhochschulen und Universitäten. Jetzt bei amazon bestellen